Wieder einmal mußte, diesmal beim Besuch der Ausstellung „Romane Thana“ im Wien-Museum, mit Erschütterung festgestellt werden, wie leicht es von der Hand geht, über die Massenverbrechen der nationalistischen Totaldiktatur des deutschen reiches erschüttert sein zu können, wie das „Nie wieder!“ zum Brauchtum verkommen ist, wie leicht nach Auschwitz gefahren werden kann, um dort höchstspitzenstaatliche mahnende Betroffenheitsgesichter aufzusetzen, während zur gleichen Zeit …
In dieser Ausstellung wird auch das mörderische Verbrechen an den Menschen, um die es in der Ausstellung geht, während der Menschenvernichtungslagerdiktatur des deutschen reiches deutlich gemacht. Die Erschütterung aber rufen die nach 1945 verfaßten Dokumente hervor, die ausgestellt sind. Es ist eine absolute Erschütterung, die menschgemäß hervorgerufen ist durch die Erschütterung über die Verbrechen vor 1945, weil nicht verstanden werden kann, wie nach all diesen Verbrechen immer noch derart unverhohlen, derart abwertend, derart menschenverachtend über Menschen gesprochen und geschrieben werden kann. Bis in die Gegenwart herauf. Bis zum heutigen Tag. Und es ist keine Besserung in Sicht. Ganz im Gegenteil. Nicht nur gegen sie geschrieben und gesprochen werden kann, sondern sie auch weiter europaweit verfolgt und ermordet werden. Und warum? Aus einem einzigen verabscheuungswürdigen Grund. Weil sie Menschen sind, die zugeordnet werden einer …
Ein Name fällt in dieser Ausstellung besonders auf – Walter Dostal. Ein Name, den wohl viele Besucherinnen und Besucher keine große Aufmerksamkeit schenken werden. Er kommt in einem sonderlich verfaßten Zeitungsartikel vor, erschienen vor Jahrzehnten. Und dieser Name Walter Dostal zeigt gut auf, wie unbarmherzig und zugleich wie großzügig die österreichische Gesellschaft sein kann, großzügig gegen Walter Dostal und unbarmherzig gegen Menschen, die keine Institutsvorstände, keine Universitätsprofess…

Walter Dostal: „Nach Kriegsschluß im Jahr 1945 gewährten Österreich und die Bundesrepublik Deutschland den überlebenden Zigeunern Entschädigungs- und Fürsorgerenten, die das Existenzminimum jeder Familie gewährleisten. Damit verfügt der Zigeuner zum ersten Mal in seiner Geschichte über ein gesichertes Mindesteinkommen.“
Walter Dostal ist 2011 gestorben. In den medialen und universitären Nachrufen wird erzählt von seinen Feldforschungen beispielsweise auf der Arabischen Halbinsel. Von seiner Feldforschung im Burgenland aber nichts. Und das ist die Großzügigkeit und die Barmherzigkeit der österreichischen Gesellschaft gegen Walter Dostal – „Jugendsünden“ vergessen zu können, verschweigen zu können. Obgleich. Als er den Film im Burgenland drehte, als er seinen Aufsatz über „Zigeuner“ schrieb, war seine Jugend längst vorüber, besonders in den 1950er Jahren galt ein Mann um die fast 30 Jahre wohl kaum noch als Jugendlicher. Auch auf „Wikipedia“, heute für so viele das Nachschlagewerk, schweigt vornehm über diese dostalschen Arbeiten.
Ganz hat ihn die „Jugend“ mit einer ihm liebgewordenen Abwertungsbezeichnung wohl nie verlassen. Denn. 1986 wurde ihm eine praktische Seminararbeit von Karin Stangl vorgelegt: „Das Zusammenleben der Zigeuner mit der Gottscheer Bevölkerung aus der Sicht der Gottscheer“ … Es ist nicht nur die Bezeichnung „Zigeuner“, die an dieser Seminararbeit …
Das Wort „Jugendsünde“ übrigens, um es gleich hier zu vermerken, ist einem Seminarbericht von Getraud Seiser entnommen, veröffentlicht in „Ethnologische Feldforschung im Südburgenland“, Austrian Studies in Social Anthropology, Sondernummer 1/2006. Aus diesem Bericht ist auch einiges zu erfahren über Walter Dostal …
Der dostalsche Film „Zigeuner in Österreich“ kann auf der Website Österreichische Mediathek aufgerufen und angesehen werden. Wer sich auch noch diesen Film ansieht, wird Walter Dostal verstehen können, weshalb er von seinen „Jugendsünden“ nichts mehr … Es beginnt bereits mit der Einleitung, in der von dem „erfolgreichen Ansiedlungsversuch durch Kaiserin Maria Theresia und Kaiser Joseph II.“ … Wer gegen Maria Theresia und Kaiser Joseph 2 so großzügig und wohlwollend sein kann, verdient menschgemäß großzügig und wohlwollend behandelt zu werden von der österreichischen Gesellschaft, also Walter Dostal, nicht die Menschen, die er mit der Kamera besuchte … Wie es damals wirklich war, unter Maria T. und Joseph Habsburg, das nahm die dostalsche Kamera nicht auf … Es war ja auch eine andere Zeit, nur nicht für die Menschen, die noch heute unter Verdächtigungen zu leiden haben, die zurückgehen auf Maria und ihren Sohn … Dabei hätte Walter Dostal das allzu leicht filmen können, als Zeitgenosse von ihnen, wie er sich in diesem Film ausweist, wenn er sich darüber Gedanken macht, was einem Knaben es leicht machen wird, sich zu assimilieren …
Wie großzügig die österreichische Gesellschaft auch sein kann, mußte also beim Lesen des Namens Walter Dostal gedacht werden, wieder einmal gedacht werden, wenn es für … wie hart, unbarmherzig, informationsresistent, wenn es gegen …
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