Granteln Sie nur auf der Gasse – oder posten Sie auch schon?

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„Alles Zigeuner. So ein Gesindel.“

So redet ein Mann laut auf eine Frau ein, hinter denen hergegangen werden mußte, von „Wien Mitte – The Mall“ Richtung Rochusmarkt, auf der Landstraßer Hauptstraße. Einen Tag vor dem 24. Dezember 2016.

Und das ist nachzutragen. Zur „Reportage“ von Martina Prewein. Was zwischen Wien Mitte und Rochusmarkt also auch zu hören und zu erleben ist. In der „Reportage“

Tatort Kronenmarkt: In den Fängen des medialen Bettels

von Martina Prewein geht es um das Betteln auf dem Rochusmarkt. Dritter Wiener Gemeindebezirk. Und beim Betteln fällt sofort viel zu vielen das Wort „Zigeuner“ ein, und es muß in Berichten über bettelnde Menschen nicht einmal mehr ihre ihnen zugeordnete ethnische Herkunft vorkommen. Die Lesenden von solchen Berichten sind derart konditioniert, daß sie sofort selbst die ethnische Herkunft nachliefern, oder wie es heutzutage heißt, posten.

So redet also der Mann auf die Frau ein. Wohl ein Wiener Ehepaar. Älter schon. Derart laut redet er auf sie ein. Auf der Höhe Invalidenstraße, daß gedacht wurde, das müssen Menschen sogar auf der Höhe Beatrixgasse, die etliche Meter von der Kreuzung Mall-Invalidenstraße …

„Alles Zigeuner. So ein Gesindel. Ich erkenne mein Wien nicht wieder“. Wenn die was von Arbeit …“

Frau, leiser: „… laufen sie davon.“

Mann: „Ich hasse Wien nur noch.“

Was diese Erregung vor allem bei dem Mann auslöst, war nicht auszumachen. Plötzlich schreit er einfach los: „Alles Zigeuner.“ Ohne daß sie von irgendwem aufgehalten werden, oder gar angebettelt werden, geht das Schreien von „So ein Gesindel“ los.

Das Wien, das dieser Mann nicht mehr erkennen will, ist – hätte ihm sofort gesagt werden sollen – nach wie vor zu erkennen, nicht unbedingt mehr auf der Straße, aber umso mehr im Internet. Dieses Granteln. Das nie nur harmlos gewesene Granteln passiert nun im Internet. Exemplarisch auf der Copysite der identitären Parlamentspartei. Als gäbe es eine nicht verabredete Übereinkunft, das goldene Wiener Herz nur noch im Internet schlagen, zuschlagen, um sich schlagen zu lassen.

Freilich, die Zeiten modern. Und der Gestank des Grantelns mag nicht mehr gerochen werden. Deshalb wohl werden Grantler heutzutage „Wutbürger“ genannt. Als hätten moderne Informationstechnologien Grantlerinnen in Bürgerinnen einer neuen Qualität verwandelt.

Ohne die „Reportage“ von Prewein wäre diese Begebenheit nicht mehr erinnert worden. Wohl auch wegen des Versäumnisses, nicht gleich reagiert zu haben, nicht sofort diesen Mann und diese Frau angesprochen zu haben. Überwältigt von derartigen Aussagen kommen zu oft die richtigen Antworten darauf erst viel später, zu spät in den Sinn,  oft erst nach Wochen, beispielweise nach dem Lesen einer „Reportage“. Aber nicht nur Antworten, sondern auch Fragen. Die etwa diesem Mann und dieser Frau hätten gestellt werden können – beispielweise:

Grantelns’ nur auf der Goss’n – oder postens’ a schon?

Ein Gedanke zu „Granteln Sie nur auf der Gasse – oder posten Sie auch schon?

  1. Pingback: Eintrag in Reisepässen: „Beim aggressiven Schreien Zigeuner angetroffen“ | Prono ever

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