Österreich, das, kurz gesagt, im Autoritären verharrende Katgottreich des Prälatenbundeskanzlers

Fahne und Flagge Österreichs

In Wien, in der Hauptstadt von Österreich, gibt es einen Platz, mit dem voller Stolz der österreichische Widerstand gegen Demokratie und Antifaschismus verkündet wird.

Im Jahr ’49 wurde diesem „vormalig[en] Universitätsplatz“ der Name „Dr. Ignaz Seipel-Platz“ gegeben. Also vier Jahre nach dem Untergang der nationalsozialistischen Massenmordschaft und Massenterrorschaft des deutschen reiches mit seiner ihm führerschenkenden ostmark

Vier Jahre nach einer Totaldiktatur wurde also der Platz nach einem katholischen Pfarrer benannt, der auch als Bundeskanzler kurz zusammengefaßt für alles steht, mit Bestimmtheit aber nicht für Demokratie, mit Bestimmtheit nicht für Antifaschismus.

dr ignaz seipel platz vormals universitätsplatz

Bereits in den ersten Jahren der zweiten Republik, kaum daß diese gegründet ward, also durch die Benennung dieses Platzes nach Ignaz Seipel, kurz gesagt, schon ein klares Bekenntnis zum Autoritären katholisch faschistischer Prägung, schon eine klare und unmißverständliche Absage der Entwicklung zu einem demokratischen und antifaschistischen Staat …

Der Platz heißt auch weiter nach dem Prälatenbundeskanzler, es wird das Jahr 18 geschrieben, „Dr. Ignaz Seipel-Platz“. Es hätte angenommen werden können, der Platz werde umbenannt werden, nach dem Vorliegen des Berichts einer Historikerinnenkommission über Straßennamen.

Den Bericht gibt es nun seit fünf Jahren, in dem festgehalten ist:

Welche Skepsis man der neuen Staatsform tatsächlich entgegenbrachte verdeutlichten aber nicht nur Überlegungen einer teilweisen Parlamentsneutralisierung durch einen mit umfassenden Befugnissen ausgestatteten Bundespräsidenten, die schon in den Vorberatungen der Verfassung 1920 und ein weiteres Mal 1922 angestellt worden waren (vgl. Berchtold 1998, 497), sondern vor allem auch Seipels intensive Unterstützung des Aufbaus militanter rechtsradikaler Organisationen in der Bundeshauptstadt. (Vgl. Rape 1977, 294). Diese waren keineswegs nur defensiv, so gehörte Seipel ab März 1920 neben Militärs und monarchistischen und großdeutschen Vertretern als Vorstandsmitglied der Geheimorganisation „Vereinigung für Ordnung und Recht“ an, die eine gewaltsame Ausschaltung der Sozialdemokratie plante (vgl. Staudinger 1983, 259) und kooperierte eng mit bayrischen Rechtsradikalen der Organisation Escherich (Orgesch) und der Organisation Kanzler (Orka). (Vgl. Rape 1977, 294ff) Nach seinem Aufstieg zum Bundeskanzler koordinierte Seipel von 1922 an persönlich die Verteilung von Industriegeldern an diverse rechte Milizen (vgl. Carsten 1978, 59), wobei militärischer Effizienz offenkundig höhere Priorität eingeräumt wurde als ideologischer Nähe: Seipels Hauptsorge galt besonders in den frühen Jahren der Republik nicht so sehr „seinen“ christlichsozialen Formationen (Seipel war seit 1921 auch Obmann der Christlichsozialen Partei), als vielmehr der vom rabiaten Antisemiten Hermann [von] Hiltl geführte Wiener Frontkämpfervereinigung, die er auch mit Mitteln aufrüstete, die durch das ungarische HorthyRegime zur Verfügung gestellt worden waren. (Vgl. Rape 1977, 376386) Nachdem innerhalb der Christlichsozialen Partei die rechte Wiener Gruppe um Seipel, Richard Schmitz und Friedrich Funder das Ruder übernommen hatten, wurden verstärkt auch öffentlich korporatistische Ordnungskonzepte forciert. Unter dem Schlagwort der „wahren Demokratie“ wurde die Reinigung derselben vom „Übel der Parteienherrschaft“ propagiert. In den Worten Seipels: „Ich selbst messe der bloßen Reform des Wahlrechts und der Wahlordnung keine allzu große Bedeutung bei; ich sehe die Wurzel des Übels in der Art der Parteienherrschaft, wie sie sich in den Zeiten der konstitutionellen Monarchie entwickelt hat und nach dem Wegfall der monarchischen Korrektur ungehemmt in die Halme geschossen ist. Nach meiner Ansicht rettet jener die Demokratie, der sie von der der Parteienherrschaft reinigt und dadurch erst wieder herstellt.“ („Tübinger Rede“, abgedruckt in Seipel 1930, 181f.) Mit Seipels neuerlicher Übernahme des Kanzleramtes im Herbst 1926 setzte eine Eskalationsstrategie ein, deren Ziel nicht nur die Säuberung des Staatsapparates von jeglichen politisch Verdächtigen war, sondern die Liquidierung des parlamentarischen Staatswesens und die Etablierung eines Präsidialregimes. Als Vehikel dazu sollte ein Bürgerkrieg zwischen rechten Wehrverbänden und dem Sozialdemokratischen Republikanischen Schutzbund dienen, in dessen Verlauf sich die Staatsmacht an die Seite der Rechten stellen sollte. (Vgl. Wenninger 2013, 545f.) Die Verluste bei den Nationalratswahlen 1927, für die Seipel eine bürgerliche Einheitsliste unter Einbeziehung der bürgerlichen nationalsozialistischen Gruppierung um Riehl initiiert hatte, gaben der antidemokratischen Grundhaltung weiter Auftrieb. (Zu Seipels Verhältnis zum Nationalsozialismus siehe auch die Kontroverse zwischen Riedl 1935 und dem Österreichischen Bundespressedienst, repräsentiert durch Poukar 1935) Im Frühjahr 1929 demissionierte Seipel, blieb aber eine beherrschende Person im bürgerlichen Lager und der einflussreichste Fürsprecher der faschistischen Heimwehren. Die Literatur zur Person Seipel ist relativ umfänglich und häufig stark parteipolitisch geprägt. Als naheliegende Folge dessen werden seine antidemokratischen Aspirationen häufig eher verklausuliert oder gar nicht wieder gegeben. Im Austrofaschismus selbst galt Seipel hingegen völlig selbstverständlich als Gründungsvater des diktatorischen Regimes.

Fünf Jahre danach heißt der Platz weiterhin nach diesem Katgottreichspriester … das ist wohl die Aufgabe von „Historikerkommissionen“ in diesem Land, Berichte abzuliefern, aus denen vielleicht bei Gedenkveranstaltungen zitiert werden darf, weil Gedenkveranstaltungen eben, kurz gesagt, keine Veranstaltungen der Konsequenzen sind. Das ist falsch. Es sind doch Veranstaltungen der Konsequenzen: im Sinne eines Ignaz Seipel beispielsweise.

Und kann es gerade im Jahr 18, kurz zusammengefaßt,  einen authentischeren Namen für einen Platz in der Hauptstadt dieses Österreichs geben, als eben „Dr. Ignaz Seipel-Platz – vormals Universitätsplatz“. Diese schreiende Platztafel: Hoch das Autoritäre! Hoch das Antisemitische! Nieder mit Universität! Nieder mit der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden! Nieder mit der Gesamtheit der Wissenschaften! Nieder mit Demokratie! Nieder mit Antifaschismus!

Engelhart dem Antisemiten einen Brunnen und dem Bundeskanzler ein Bild

Engelhart weiß, wer künstlerisches Motiv zu sein hat, in diesem Österreich, es sind die Kräfte des Antidemokratischen und des Antisemitismus. Der Bundeskanzler und der Bürgermeister … Und nun wissen die Männer und Frauen auf ihren Regierungsstühlen, mit welch einem Künstler sie sich zu identifizieren haben …

Im Jahr 18 soll wieder ein Bericht vorgelegt werden … und welche Konsequenzen aus diesem …

Es ist äußerst bezeichnend, es ist äußerst stimmig, daß unmittelbar beim Eingang zum Ignaz-Seipel-Platz es eine Stiege gibt, die nirgendwohin führt. Genauer. Es ist eine Stiege, die nach oben vor eine Wand, also nirgendwohin führt, und nach unten auf den Seipel-Platz …

Fahne Österreich

Österreich, das Land zwischen Wand nach oben und Ignaz Seipel nach unten. Wie falsch der Adler auf der österreichischen Fahne, wie richtiger und passender zu Österreich eine Flagge mit dieser Stiege …

Mit dieser Stiege mit einem Fenster ohne Aussicht, dieses Österreich, dessen Fenster nur eine Aussicht freigibt, nämlich die auf Ignaz Seipel …

Österreich - Stiege zum Fenster mit Aussicht auf Prälatenbundeskanzler

 

3 Gedanken zu „Österreich, das, kurz gesagt, im Autoritären verharrende Katgottreich des Prälatenbundeskanzlers

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