Fakten kosten Mühe, Fiktionen nicht.

Wie aufmerksam Dr. Ferdinand Wegscheider lauscht, wie er seine Augen von Professor Dr. Sucharit Bhakdi nicht lassen kann.

Und das ist nur allzu verständlich.

Wer blickte nicht traurig auf den eigenen Großvater zurück, der nicht wie Sucharit Bhakdi war. Wer träumte nicht für die eigenen Kinder, der eigene Vater würde ihnen ein Großvater wie Sucharit Bhakdi sein. Ein Großvater so recht ganz wie Sucharit Bhakdi mit seinem ihn gleich ins Herz schließenden G’schau, mit seiner lieblichen Art, mit seiner gleich für ihn einnehmenden Stimme, die er auf eine so ruhige und bedächtige Weise einzusetzen weiß, was immer er mit ihr auch erzählen mag, allein der Ton seiner Stimme erschafft gerade Kindern eine Welt der Geborgenheit, der sie so bitter bedürfen, die es ihnen ermöglicht, schnell und sorglos und zufrieden einzuschlafen, im sicheren Wissen, ihr Großvater sitzt wachend auf ihrem Bette.

Wer also könnte Kindern nicht einen solchen Großvater wünschen, einen Sucharit Bhakdi.

Einen, der die Kinder mit Zuversicht in die Zukunft schauen lassen kann, der ihnen lebendes Beispiel ist, alles im Leben werden zu können, wie reich das Leben einem Menschen sein kann, das in jedem Lebensalter geändert werden kann, es im Leben eines Menschen niemals zu spät ist, ein anderer zu werden.

Auch in dieser Gewißheit können Kinder sich dem Schlaf unbesorgt und schnell anvertrauen, sitzt Sucharit Bhakdi an ihrem Bette. Der Großvater, dessen Berufsleben die Mikrobiologie war, Forschung zur Atherosklerose betrieb, und nun nach acht Jahren in seinem Rentnerdasein aus seinem Zimmer gehen kann, als Experte für Recht und Verfassung.

Wie staunend, wie Kinder sonst nur staunen können, sitzt Ferdinand Wegscheider in größter Zuneigung ganz nah bei Sucharit Bhakdi, um ja kein Wort von ihm zu überhören, aufmerksamst seiner Vorlesung über das Gesetz zu lauschen. Diesmal hat Sucharit Bhakdi das Strafgesetz für seine Vorlesung ausgesucht und seinem ihm treu ergebenen Schüler einen Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch der Republik Deutschland fein säuberlich herausgeschrieben:

„Strafgesetzbuch (StGB)
§ 240 Nötigung

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig durch Drohung mit einem empfindlichen Übel (bis zu 5000 Euro in Bayern) zu einer Handlung nötigt (Mundschutz tragen), wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

[…]“

Nicht nur Ferdinand W. ist ganz fasziniert von der Rechtsvorlesung des zum Juristen gewordenen Mikrobiologen, sondern auch Kamera und Regie dieser Sendung, die sofort das Blatt, von dem Sucharit Bhakdi liest, groß ins Bild bringen. Vielleicht haben sie Kinder, die Rechtsanwälte, Richterinnen werden wollen, aber sie sind mit den Berufswünschen ihrer Kinder nicht einverstanden, vielleicht sogar unglücklich darüber, wollen ihnen das schon lange ausreden, sähen es vielleicht gerne, daß sie beispielsweise auf dem Gebiete der Mikrobiologie Karriere machten, und nun, mit Sucharit Bhakdi, hätten sie einen schlagenden Beweis, Rechtsexpertinnen könnten sie immer werden, sogar im Rentenalter noch.

Und noch mehr fasziniert, wie sonst nur Kinder fasziniert sein können, ist die gesinnungsgemäß zensurierte Website der Partei, die wieder einmal und für kurz Regierungspartei war. Gesinnungsbegeistert setzt sie sich nicht für Sucharit Bhakdi ein, sondern auch für Ferdiand W.

Da ist sie wohl eins mit dem zurzeitigen Obmann ihrer Partei, für den die Fernsehanstalt des Dosenabfüllers mit Süßklebrigem das bessere Programm als … Es wird vielleicht auch Dankbarkeit dabei sein, weil der Großvater seiner Kinder kein Sucharit Bhakdi ist, sie seine Geschichte von den Streifen am Himmel nicht mehr zum Einschlafen bringen, aber das Programm von …

Ihr Großvater kein Sucharit Bhakdi ist, den sich der Obmann dieser Partei, der für kurz Infrastrukturminister war, für seine Kinder vielleicht gar nicht wünscht, sondern einen anderen, so leistungs- und erfolgsorientiert wie er ist, nämlich für seine Kinder den Mann als Großvater, der alles weiß, mehr als Gott weiß, erträumt, von dem erst vor kurzem ein Mann aus Deutschland in dieser Fernsehanstalt so lustig erzählte

Das Erzählen von Gutenachtgeschichten wird aber erst zur schönsten Zeit am Tag, wenn sie es nicht für die Kinder allein ist, sondern auch für die Erzählenden. Damit auch der Großvater daran sich in Liebe als seine schönste Zeit in seinem späten Leben erinnern kann, müssen sich Kinder auch aktiv beteiligen, den Großvater Fragen stellen, die Gutenachtgeschichte selbst allenthalben weiterspinnen. Vielleicht, und deshalb sein rührseliger Blick, dachte Sucharit Bhakdi bei seinem Interview mit Wehmut an seine Kinder zurück, die nie, wenn er ihnen Gutenachtgeschichten erzählte, etwas fragten, nie etwas zum Fortgang der Geschichten beitrugen, so wie es Ferdinand Wegscheider in diesem Interview tut, als er, Bhakdi, die Geschichte offenließ, ob Bill Gates für die Verbreitung — oh, wie springt da Ferdinand W. auf und ein, bringt diesen Strang der Geschichte zu einem märchenhaften Ende … es muß spätestens zu diesem Zeitpunkt des Interviews, vielleicht auch deshalb sein liebevoller Blick, Ferdinand W. ihm so recht lieb geworden sein und vielleicht nennt Sucharit Bhakdi seitdem Ferdinand Wegscheider für sich im Geheimen einfach nur noch Ferdinand, mein lieber Ferdinand

Ach, darauf darf nicht vergessen werden, auf den Rat für alle, die gute Großväter und selbstverständlich auch gute Großmütter werden wollen, die von ihren Enkelkindern und noch von ihren Urenkelkindern für ihre Gutenachtgeschichten bewundert und geliebt werden wollen. Eine Gutenachtgeschichte zeichnet vor allem aus, daß sie von dem erzählt, was es in der Wirklichkeit gibt, und mehr noch, was es in der Wirklichkeit nicht gibt. In diesem Sinne ist Sucharit Bhakdi das role model eines Großvaters. Er erzählt, was es gibt. Es gibt das Strafgesetzbuch in Deutschland mit dem Paragraphen 240.

„(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.

[…]“

Wie karg dieser doch ist. Was wäre er bloß für ein Großvater, den Kindern nur von einer armen Wirklichkeit zu erzählen. Es doch die Pflicht geradezu der Großväter ist, den Kindern die Wirklichkeit umzuschreiben, ihnen die Welt reicher zu machen …

PS Vor Jahrzehnten stellte Simone Weil kurz und klar fest: „Fakten kosten Mühe, Fiktionen nicht.“ Keine Sorge. Es will Ihnen hier keine Mühe gemacht werden. Wenn Sie aber ihren Kindern erzählen möchten, wie sie nach einem langen Leben als Forscherinnen für dies und das doch noch Expertinnen für Recht und Verfassung werden können, dafür immer noch Zeit bleibt, dann kann Ihnen dafür empfohlen werden: „SWR3 – Faktencheck“ — vom Mikrobiologen zum Verfassungsjuristen im Rentenalter …