Es hat etwas von Tollkühnheit, daß ein Journalist dem Präsidenten zugesteht, mehr, einen sogenannten Persilschein ausstellt, er, der Vorsitzende, habe „mit der Ablehnung des Ibiza-Videos leider recht“ …
Nach einer genauen Lektüre von „Rechtliche Einschätzung – Zur Frage der Vorlage des ‚Ibiza-Videos‘ durch einen Rechtsanwalt“ hätte der Journalist durchaus die Frage stellen können. Warum hat der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses sich nicht anders entschieden? Also für die Annahme des „Ibiza-Videos“. Auch das gibt die „Rechtliche Einschätzung“ selbst bereits her, auf die sich der Vorsitzende als Basis für seine Ablehnung der Annahme des „Ibiza-Videos“ bezieht.
„Zu erwähnen ist, dass im Ausland ansässige Personen ersucht werden können, sich dem UsA freiwillig als Auskunftsperson zur Verfügung zu stellen.“
„Die Annahme von Beweismittel von Dritten wird hingegen in der VO-UA nicht erwähnt (auch nicht in den Erläuterungen bzw. Ausschussberichten), sie ist aber auch nicht explizit ausgeschlossen.“
„Ein formelles Verfahren für die Vorlage von Beweismittel von Dritten fehlt. Die Vorlage von Beweismitteln wird jedenfalls beim Vorsitzenden zu erfolgen haben, der den UsA gemäß § 6 Abs. 1 VO-UA nach außen vertritt.“
„Gemäß § 23 VO-UA kann als Beweismittel grundsätzlich ‚alles verwendet werden, was geeignet ist, der Untersuchung im Rahmen des Untersuchungsgegenstands zu dienen‘.“
„Abgesehen davon bleibt die Vorlage verbotener Beweismittel für den Vorsitzenden, die Funktionärinnen/Funktionäre und Mitglieder eines UsA folgenlos.“
Es hätte also der Vorsitzende auf Grundlage seiner eigenen Einholung einer rechtlichen Einschätzung anders entscheiden, vorgehen können, den Rechtsanwalt als „Auskunftsperson“ … Die Tollkühnheit der Persilscheinausfertigung des Journalisten ist aber, muß zugegeben werden, eine Nebensache, ebenso eine Nebensache ist die Entscheidung des Vorsitzenden …
Weshalb diese „rechtliche Einschätzung“ überhaupt Interesse wecken konnte, ist folgende Passage in dieser:
„Ein weiteres Beweismittelverbot (Beweisaufnahmeverbot) ergibt sich aus der Unzulässigkeit der Befragung bestimmter Personen als Auskunftsperson gemäß § 34 VO-UA. Das ist das
Verbot der Befragung von […] unfähig sind, die Wahrheit anzugeben‘, sowie von „Geistliche[n] in Ansehung dessen, was ihnen in der Beichte oder sonst unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde‘.“
Es gibt tatsächlich in Österreich nach wie vor diesen Paragraphen:
„§ 155 StPO – Strafprozeßordnung 1975
(1) Als Zeugen dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nicht vernommen werden:
1. Geistliche über das, was ihnen in der Beichte oder sonst unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde,
2. Beamte (§ 74 Abs. 1 Z 4 bis 4c StGB) über Umstände, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen, soweit sie nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbunden wurden,
3. Personen, denen Zugang zu klassifizierten Informationen des Nationalrates oder des Bundesrates gewährt wurde, soweit sie gemäß § 18 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Informationsordnung des Nationalrates und des Bundesrates, BGBl. I Nr. 102/2014, zur Verschwiegenheit verpflichtet sind,
4. Personen, die wegen einer psychischen Krankheit, wegen einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit oder aus einem anderen Grund unfähig sind, die Wahrheit anzugeben.
(2) Eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit nach Abs. 1 Z 2 besteht jedenfalls nicht, soweit der Zeuge im Dienste der Strafrechtspflege Wahrnehmungen zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat oder Anzeigepflicht (§ 78) besteht.
„Unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit“!
„Unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit“?
Was für seltsame Gesetze vor 45 Jahren in Österreich beschlossen wurden, zu einer Zeit also, von der erzählt wird, es sei die Zeit des Aufbruchs in die Moderne gewesen, in Österreich … Ein weiterer Zeuge für die Moderne in Österreich, der Paragraph 188 StGB …
Es wird jetzt viel davon gesprochen, die Amtsverschwiegenheit werde oder solle abgeschafft werden, in Österreich. Ob die „geistliche Amtsverschwiegenheit“ fallen werde? Wer Geld verlieren will, kann darauf wetten, daß die „geistliche Amtsverschwiegenheit“ auch abgeschafft werde …
Dabei, wie viel könnte erfahren werden, wenn es die „geistliche Amtsverschwiegenheit“ nicht mehr geben würde, ein Priester zum Beispiel auch über einen oft in der Öffentlichkeit Herumstehenden mit geistig gefalteten Händen, wenn also dieser „Geistliche“ von seiner „geistlichen Amtsverschwiegenheit“ entbunden wäre, was könnte dieser alles lang und breit berichten, aus dem Gedächtnis, ganz ohne Videoaufnahme, über …

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