Idealistischer Eid, wie früher

„Wir befinden uns nicht gerade im Zentrum einer türkischen Großstadt, einer syrischen Großstadt oder einer marokkanischen Großstadt, nein, wir befinden uns hier mitten im Zentrum von Wien, Favoriten, wo sich heute Abend schier Unglaubliches abgetan hat.

Verfeindete Emigrantengruppen haben sich hier rund um den Reumannplatz eine regelrechte Straßenschlacht geliefert, die Polizei auf Trab gehalten.

Zum einen waren linksextremistische Emigranten beteiligt, aber zum anderen auch türkisch nationalistische Emigranten.

Für uns Freiheitliche hier in Favoriten ist das besonders traurig. Denn wir haben erst gestern im Bezirksparlament einen Antrag gestellt, gegen Linksextremismus in Favoriten. Und dieser Antrag wurde mit fadenscheinigen Argumenten von Rot, Grün und den Neos abgelehnt. Wir Freiheitliche werden jedoch nicht locker lassen, und weiter Anträge in diese Richtung stellen.

Warum? Wir wollen unser Favoriten wieder zurück, wie wir es von früher kennen, ohne importierte Emigrantengewalt, ohne Emigrantenkonflikte, hier um den Reumannplatz. Wir wollen unser Favoriten zurück, wie wir es von früher kennen. Wo man sich auf dem Reumannplatz gerne aufhält, wo man man auf der Favoritenstraße gemütlich spazieren kann. Aber wir wollen das Favoriten nicht, das wir heute vorfinden. Ein Favoriten voller Konflikte. Ein Favoriten voller Gewalt, wie wir es heute am Abend erlebt haben.“

Das ist die gesamte Rede, veröffentlicht als Video am 26. Juni ’20 auf der gesinnungsgemäß zensurierten Website der identitären Parlamentspartei und für kurz wieder gewesene Regierungspartei.

Bemerkenswert an dieser kurzen Rede ist nicht das übliche und sattsam bekannte Gerede von „Emigranten“.

Aufschlußreich an dieser Rede ist die schuchsche Unterscheidung zwischen „linksextremistische“ und „nationalistische“, die daran „beteiligt“ … Die „nationalistisch“ Beteiligten“ mit ihrem „Wolfsgruß“ sind sonst als „Faschisten“ bekannt, werden als „Faschistinnen“ geführt. Für Christian Schuch ist „faschistisch“ also „nationalistisch“. Oder umgekehrt. Schuch bestätigt damit nur, Nationalismus ist Faschismus. Das ist aber keine neue Erkenntnis von Schuch.

Und mehr als bemerkenswert, nämlich aufmerkenswert ist der Antrag der FPÖ im Bezirksparlament: „gegen Linksextremismus in Favoriten“. Schuch will mit seiner Partei weiter Anträge „gegen Linksextremismus“ stellen. Aber, nach seiner Rede, je keinen Antrag zugleich gegen Faschismus oder, wie dieser von ihm genannt wird, zugleich gegen Nationalismus in Favoriten.

Freiheitliche Anträge weiter, so Schuch, „gegen Linksextremismus in Favoriten“, aber je keine zugleich gegen Rechtsextremismus … Wie seltsam und wie aufmerkenswert, gerade in Österreich, wo doch stets alle, kurz gesagt, sich gegen jedweden Extremismus aussprechen, alle sich sofort, wenn es um Rechtsextremismus geht, gegen Rechtsextremismus und zugleich Linksextremismus sind, und doch wieder nicht seltsam, in Österreich, wo sich alle sofort, wenn es um Linksextremismus geht, gegen Linksextremismus sind, ohne zugleich gegen Rechtsextremismus – als wäre dieser mitgemeint, wenn Linksextremismus gesagt wird, wie Frauen mitgemeint sind, wenn von Männern gesprochen wird … Sie werden sich vielleicht wundern, über diesen Zusammenhang, aber am verblichenen Mittwoch begannen in Favoriten die Aufregungen mit einer Demonstration gegen Gewalt gegen Frauen …

Warum? Weil die FPÖ auch mit Schuch „unser Favoriten wieder zurück wollen, wie wir es von früher kennen“ — ohne „Linksextremismus“, aber mit …

Es ist wohl auch der „Idealismus“, der verbindet und es gar so recht schwer macht, Anträge zu stellen, gegen Linksextremismus und zugleich gegen Faschismus respektive Nationalismus, zugleich gegen Rechtsextremismus …

Die von Christian Schuch so genannten „nationalistischen“ Beteiligten sind doch auch ganz und gar dem Idealismus ergeben, wie dieser auch und vor allem in Österreich von früher gekannt wird, mit ihrem „Wolfsgruß“ und „Idealisten-Eid“ …

Beim Lesen von dem „Idealisten-Eid“, mit dem im Grunde ein Eid gegen sich selbst geschworen wird, fällt doch auch ein weitere Verbundenheit ein, die es wohl verunmöglichkeit, je Anträge gegen Rechtsextremismus und Linksextremismus einzubringen, die Verbundenheit durch das Nichtdenken, wie es etwa Marcus Steinweg treffend beschreibt.