Der Krieg hat sie in ihrer rechten Einstellung nicht extremer oder radikaler gemacht. Eher im Gegenteil. Beispiel: Ganz der typische Hipster, produziert Kusja T-Shirts mit seinem eigenen Logo: einem eingerahmten Totenkopf. Der erinnert zwar an eine SS-Division, ist angeblich aber nur ein Piratenlogo.
Was in der „taz“ am 23. Juli 2022 ein „Artikel“, was in der Tageszeitung „Der Standard“ am 23. Juli 2022 eine „Reportage“, eines ist gewiß, beide Produkte, Artikel, der eine Reportage oder Reportage, die ein Artikel, sind von Philip Malzahn. Als der Artikel als Reportage oder die Reportage als Artikel gelesen ward, mußte gedacht werden, wie lieblich das geschrieben ist, wie einnehmend für die Dargestellten es geschrieben ist, wie nachsichtig es geschrieben ist, wenn etwa von „Runen“, wenn von „Hakenkreuz“ geschrieben wird, was im Grunde, so wie es geschrieben ist, das doch für recht feine Jungs sind, die bloß „alle Patrioten natürlich. Nationalisten, ja. Keine Nazis.“
Als die Reportage, die ein Artikel, als der Artikel, der eine Reportage, oder kurzum: der „Lokalaugenschein“ gelesen ward, mußte gedacht werden, wer würde beispielsweise in Österreich mit so viel Güte, mit so viel Wärme schreiberisch ihnen begegnen? Dafür muß nicht lange nachgedacht werden, bei diesen Verbindungen zwischen Menschen aus Österreich und Menschen aus der Ukraine —
Auch dafür muß nicht lange nachgedacht werden, wer beispielsweise in Österreich aufschreien würde, schreiberisch aufschreien würde, wenn von Männern zu erfahren ist, daß auf ihren Leibern „Hakenkreuze“, „Runen“, sie „T-Shirts“ herstellen mit Zeichen, zu all dem sie erklären, oh, das seien so doch so uralte Symbole, alt wie die Welt …
Aber. Das ist, wenn dieser Artikel oder diese Reportage oder dieser Lokalaugenschein etwas Interessantes aufzuweisen hat, dann sind es die Unterschiede, die Unterschiede in den Fassungen für die „taz“ und für „Der Standard“.
Das an den Beginn gestellte Zitat ist aus der Fassung für die Tageszeitung des medialen österreichischen Standards, aus der „Reportage“, aus dem „Lokalaugenschein“. In der „taz“ kommt dieses Zitat nicht vor, diese Beweisführung zu ihren Gunsten, der Krieg habe „sie in ihrer rechten Einstellung nicht extremer oder radikaler gemacht. Eher im Gegenteil. Ganz der typische Hipster […]“ Ein „Hipster“ ist doch der rechtbeste Beweis, ein „Hipster“ könne weder extrem noch radikal – das haben „Hipster“ schon, auch ohne Krieg, zur Genüge schon bewiesen, die proud boys, denen Donald Trump das Ständchen „Stand by“ —
Kusja führt die kleine Einheit an, Punf feuert die Geschosse ab. Ihr Auftreten ist ungewöhnlich für den Krieg: wie Hipster. In westlichen Großstädten würde sich keiner nach ihnen umdrehen. Kusja trägt einen gepflegten Schnauzer, nimmt seine silberne Analogkamera immer mit.
So steht es in der Reportage für Österreich. Im Artikel für Deutschland:
Kuzya führt die kleine Einheit an, Punf zieht die Schnur. Ihr Auftreten ist ungewöhnlich für den Krieg, zu hipsterig. In Berlin-Kreuzberg würde sich keiner nach ihnen umdrehen. Kuzya trägt einen gepflegten Schnauzer, nimmt seine silberne Analogkamera immer mit.
Im Artikel für Deutschland treten „Hipster“ nicht auf, nur einmal die vorsichtige Wendung: „zu hipsterig“. Dazu fällt ein Wort ein, das erst vor kurzem im Zusammenhang mit einem Kandidaten für die „Bundespräsidentenwahl in Österreich im Herbst verwendet wurde, mit dem gefragt werden könnte, da wie dort.
„Hipster“, ein „Paria“? „Hipster, kein „Paria“?
Lohnt es, darüber nachzudenken, warum in Deutschland die „Hipster“ nicht und in Österreich die „Hipster“ schon in diesem „zwielichtigen“ Milieu, warum in Deutschland „Hipster“ nicht in einem Atemzug, warum in Österreich „Patrioten“ Hipster … Das in Deutschland so mutig von Philip Malzahn geschriebene „zu hipsterig“, das werden Hipster ihm wohl großzügig nachsehen, vielleicht sogar schmunzelnd aufnehmen, so extrem oder radikal wie sie, im Gegenteil — Und stolz wird vielleicht auch dabei sein – Berlin-Kreuzberg, nicht nur ein Stadtteil, sondern: westliche Großstädte …
Die zwielichtige Vergangenheit Asows, sie scheint keine Rolle zu spielen. Dabei gibt es sie: Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen, Misshandlung von Kriegsgefangenen, Angriffe auf Sinti und Roma. Die USA wollten die Gruppe einst auf die Terrorliste setzen.
Das steht geschrieben im Artikel und in der Reportage als Lokalaugenschein. Menschgemäß sind „Agriffe“ keine friedlichen Handlungen, und doch scheint „Angriffe“ im Zusammenhang mit „Sinti und Roma“ ein zu schwacher Ausdruck dafür zu sein, was diese „Angriffe“ tatsächlich sind. Es sind „Pogrome“. Auch in der Ukraine. Wie verhamlosend „Angriffe“ hingegen bei dieser gegen diese Menschen in und außerhalb der Ukraine fortwährenden Geschichte, „Angriffe“ nahezu beschönigend —
Lohnt es, all den Unterschieden zwischen diesen zwei Fassungen, die eine für Deutschland, die andere für Österreich, nachzugehen?
Es ist Sommer. Es ist Urlaub. Warum also nicht.

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