Doris Helmberger-Fleckl, Chefredakteurin des Wochenblatts „Die Furche“, schreibt, ist auf deren Website in diesem November 2022 zu lesen, Friedrich Funder sei „durch den Geist der Lagerstraße im Dachau geläutert worden“. Wie recht Friedrich Funder „geläutert worden war“, davon legen allein schon die ersten vier Ausgaben der „Furche“ im Dezember 1945 schriftlich Zeugnis …
Wahrlich, ein Geläuter —
Doris Helmberger-Fleckl schreibt tatsächlich „im Dachau“. Im Konzentrationslager Dachau, das wäre korrekt. Aber im Dachau. Ihr Wochenblatt hat ja seit dessen Gründung viel für Literatur übrig. Vielleicht hatte sie irgend einen Vers mit „im Gau“ im Ohr, der ihr diesen Streich spielte, im Dachau zu schreiben — einerlei, wie es dazu gekommen …
In der Ausgabe Nr. 2 vom 8. Dezember 1945 ein Weihegeläute für Karl Lueger, dessen Geist dem im Jänner 1945 noch massenmordenden Österreicher, wenn seinen Verbreitungen geglaubt werden kann, Lehrer für seine Massenverbrechen war.
Ein Mensch, ein Christ, ein Mann! Die
Dreifalt in Vollendung
zur Einheit fest gefaßt, war seine klare
Sendung:
so spiegelt ihn sein blanker Ehrenschild.
Blickt auf zu ihm! Er war ein Öster-
reicher.
Nie sieht dies heilige Land, dies ewige Volk
sich gleicher
als dort in seinem geistbeseelten Bild.
Aus den Weiheversen Richard Schaukals zur
Enthüllung des Lueger-Denkmals, 1926
Am 8. Dezember 1945, knapp elf Monate nach der Befreiung von Auschwitz, die am 27. Jänner 1945 war – und „Die Furche“ will noch im November 2022, daß von ihr die Musik-der-Befreiung-Betrachtungslyrik von Roland Tenschert am „25. Januar 1945“ veröffentlicht wurde, ausgerechnet von Tenschert – läßt der Geläuter dies „aus den Weiheversen Richard Schaukals zur Enthüllung des Lueger-Denkmals, 1926“ von seinem Wochenblatt verbreiten —

„Die Furche“ kann menschgemäß nicht Adolf Hitler entlasten, aber Karl Lueger, dem ihre Treue gilt, wie etwa der Artikel von dem berufenen Norbert Leser belegt: „Ein berufener Kronzeuge, der Lueger entlastet“, veröffentlicht am 6. Juni 2012 – ein Artikel, der wohl recht gern vom „Wissensnetz aus Österreich“ zur Gänze „mit freundlicher Genehmigung“ übernommen wurde –, wie im November 2022 zu lesen ist.
Die gegenwärtige Jagd auf den Volksbürgermeister Dr. Karl Lueger, die auch schon Früchte getragen hat und zur Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger- Ringes in Universitätsring führte, wird damit begründet, dass Lueger mit seinem Antisemitismus ein Vorläufer Adolf Hitlers und seines mörderischen Judenhasses war. Zur Untermauerung dieser These berufen sich die Lueger-Jäger auf Adolf Hitler selbst, den man sonst mit Recht nicht über den Weg traut, dessen falscher Spur man aber im vorliegenden Fall willig folgt, ohne zu hinterfragen und zu durchschauen, ob Hitler nicht nur zur Legitimation seines Tuns sich auf Lueger berufen hat. Jedenfalls ist die Berufung Hitlers auf Lueger kein ausreichender Grund, um Lueger mit dem Odium eines Vorläufers Hitlers zu belasten. In diesem Zusammenhang ist es nützlich, ja erforderlich, einen unverdächtigen Zeitzeugen, der noch dazu vom Rassenwahn Hitlers betroffen war, und in den Tod getrieben wurde, zu Wort kommen zu lassen, der in seinem Erinnerungswerk „Die Welt von Gestern“, das ein Stück Weltliteratur geworden ist, das Verhältnis zwischen Adolf Hitler und Karl Lueger ganz anders beurteilt als die gegenwärtig tonangebenden Historiker. Im Folgenden sei der entscheidende Passus Stefan Zweigs, der auf die Beziehung zwischen den beiden historischen Persönlichkeiten abstellt, wiedergegeben: … er bewahrte immer eine gewisse Noblesse
Norbert Leser zitiert nicht alles, was Stefan Zweig schrieb:
Dieser Unzufriedenheit und Sorge bemächtigte sich ein geschickter und populärer Führer, Dr. Karl Lueger, und riß mit dem Schlagwort: »Dem kleinen Manne muß geholfen werden« das ganze Kleinbürgertum und den verärgerten Mittelstand mit sich, dessen Neid gegen die Wohlhabenden bedeutend geringer war als die Furcht, aus seiner Bürgerlichkeit in das Proletariat abzusinken. Es war genau die gleiche verängstigte Schicht, wie sie später Adolf Hitler als erste breite Masse um sich gesammelt hat, und Karl Lueger ist auch in einem anderen Sinne sein Vorbild gewesen, indem er ihn die Handlichkeit der antisemitischen Parole lehrte, die den unzufriedenen Kleinbürgerkreisen einen Gegner optisch zeigte und anderseits zugleich den Haß von den Großgrundbesitzern und dem feudalen Reichtum unmerklich ablenkte. Aber die ganze Vulgarisierung und Brutalisierung […]
Norbert Leser beginnt, um für „Die Furche“ Lueger zu entlasten, aber erst ab
„Aber die ganze Vulgarisierung und Brutalisierung der heutigen Politik, der grauenhafte Rückfall zeigt sich gerade im Vergleich der beiden Gestalten. Karl Lueger mit seinem weichen, blonden Vollbart eine imponierende Erscheinung – der ,schöne Karl‘ im Volksmund genannt – hatte akademische Bildung und war nicht vergebens in einem Zeitalter, das geistige Kultur über alles stellte, zur Schule gegangen. Er konnte populär sprechen, war vehement und witzig, aber selbst in den heftigsten Reden – oder solche, die man zu jener Zeit als heftig empfand – überschritt er nie den Anstand und seinen Streicher, einen gewissen Mechaniker Schneider, der mit Ritualmordmärchen und ähnlichen Vulgaritäten operierte, hielt er sorgfältig im Zaun. Gegen seine Gegner bewahrte er – unanfechtbar und bescheiden in seinem Privatleben – immer eine gewisse Noblesse und sein offizieller Antisemitismus hat ihn nie gehindert, seinen früheren jüdischen Freunden wohlgesinnt und gefällig zu bleiben. Als seine Bewegung schließlich den Wiener Gemeinderat eroberte und er – nach zweimaliger Verweigerung der Sanktionierung durch den Kaiser Franz Joseph, der die antisemitische Tendenz verabscheute – zum Bürgermeister ernannt wurde, blieb seine Stadtverwaltung tadellos gerecht und sogar vorbildlich demokratisch, die Juden, die vor diesem Triumph der antisemitischen Partei gezittert hatten, lebten ebenso gleichberechtigt und angesehen weiter. Noch war nicht das Hassgift und der Wille zur gegenseitigen restlosen Vernichtung in den Blutkreislauf der Zeit gedrungen.“ Stefan Zweig entlastet Lueger von dem Hauptvorwurf, der heute von nachträglichen Besserwissern gegen ihn erhoben wird. Zweig stellt klar, dass zwischen dem Luegerschen Antisemitismus und dem Hitlers nicht nur ein quantitativer, sondern ein qualitativer Unterschied besteht, den man zur Kenntnis nehmen und Lueger gutschreiben muss, wenn man nicht in den Fehler der historischen Erfolgshaftung für ungewollte und unvorhersehbare Folgen und Fernwirkungen des eigenen Tuns verfallen will. Post hoc heißt nicht immer propter hoc, das heißt, dass man die historische Verantwortung nicht zurückprojizieren darf, nur weil gewisse Ereignisse aufeinander folgten. Mit derselben Logik könnte man z.B. alle russischen Marxisten für die Verbrechen Stalins, die diese weder voraussahen noch wollten, verantwortlich machen. Freilich war auch der sich nur harmlos auswirkende Luegersche Antisemitismus im Rückblick nicht unbedenklich und aus heutiger Sicht abzulehnen. Trotzdem darf man nicht so weit gehen, Lueger in die Nähe Hitlers zu rücken und mit einem totalitären System in Zusammenhang zu bringen.
zu zitieren. Es muß also, nach Stefan Zweig, Adolf Hitler selbst nicht geglaubt werden, was er, der Massenmörder und Massenverbrecher, von Karl Lueger lernte, er, Lueger, ihm „Vorbild“ war.
Stefan Zweig schreibt von „seinem Streicher“, „einem gewissen Mechaniker Schneider“, den er, Lueger, „sorgfältig im Zaum [hielt]“.
Nun, einen weiteren „Streicher“ konnte er, Lueger, nach 1910 nicht mehr „im Zaum“ halten,
Wie dem „österreichischen Streicher“ es vielleicht seine Ehre abverlangte, auch nach Auschwitz „Antisemit“, muß dem Furchenglöckner sein Treugefühl vorgeschrieben haben, gleich im Dezember 1945 zur Weihe von Karl Lueger zu läuten.
Geläutet hat er die Verse von Richard Schaukal, der nicht nur Verse schrieb, sondern auch auszutreten drohen konnte.
Es müßte das gesamte Kapitel zitiert werden, aber es reichen schon ein paar Sätze daraus, um nachvollziehen zu können, weshalb Richard Schaukal im ersten Dezember nach den Massenmorden und Massenverbrechen in der „Furche“ nicht nur mit seinen „Weiheversen“ auf einen Antisemiten, sondern auch seiner mit recht großem Anteil in der Ausgabe Nr. 3 vom 15. Dezember 1945
Es wird unsere Sache sein müssen, das Vermächtnis dieses großen Österreichers zu hüten. Josef Neumalz
gedacht wird, während Robert Musil in diesen ersten vier Furchenausgaben nicht …

Briefwechsel Robert Musil Richard Schaukal (1925)
Text und Kommentar, mit neuen Materalien zum „Fall Bettauer“ und Schaukals Essay Das freie Wirken des Schriftstellers
Musil-Forum, Band 35, Harald Gschwandtner
[…] Bereits die einschlägen Berichte der ersten Stunde etablierten das Narrativ, das die öffentliche Debatte über die Ermordung Bettauers – er erlag gut zwei Wochen nach dem Attentat am 26. März 1925 seinen Verletzungen – nachhaltig prägen sollte; die Behauptung, Bettauer habe den Anschlag auf sein Leben im Grunde selbst zu verantworten, weil er durch die Verbreitung von unmoralischer „Schundliteratur“ Unmut und Zorn besorgter Bürger auf sich gezogen habe. Gerade die fragwürdige, weil permissive Pressepolitik der Wiener Stadtregierung sowie der Freispruch Bettauers im Herbst 1924 habe, so die Reichspost vom 12. März, bei vielen Wienern ein „Ohmachtsgefühl gegenüber dem pornographischen Schandgewerbe“ Bettauers ausgelöst – weshalb der jugendliche Attentäter schließlich „überzeugt gewesen“ sei, die Ermordung des Publizisten stelle die unausweichliche ultima ratio zur „Eindämmung der Kloakenhochflut“ dar. […]
„Zur Sache möchte ich als das Wichtigste bemerken, daß der Schutzverband keine Gesinnungsgemeinschaft darstellt, sondern eine Interessensvertretung“ (3.1), gab Musil in seinem ersten Brief an Schaukal vom 26. März 1925 zu bedenken, nachdem dieser als Reaktion auf die prononcierte Kundgebung für Bettauer seinen Austritt aus dem SDSOe erklärt hatte. In der Ausgabe vom 15. März wiederholte die Reichspost nicht nur den Vorwurf an Bettauer und seine publizistischen Epigonen, „pornographische[] Erzeugnisse“ und „volksverpestenden Unrat“ veröffentlicht zu haben, sondern griff im selben Artikel auch die Stellungnahme des SDSOe in kritischer Absicht auf: „Heute können die gewissen Abendblätter endlich mit der Kundgebung einer Schriftstellvereinigung zum Attentat gegen Bettauer aufwarten.“ […]
Die auf Gerüchten basierende, faktisch unzutreffende und dabei unverhohlen antisemitische Kommentierung der Kundgebung wollte Musil […] nicht auf sich beruhen lassen, sah er doch, so Karl Corino, durch den in der Reichspost formulierten Parteilichkeit und persönlichen Involviertheit „die moralische und literaturpolitische Substanz der SDS-Resolution“ beschädigt. In der Nummer vom 19. März 1925 wurde schließlich folgende, von „Dr. Robert Musil gezeichnete“ Richtigstellung veröffentlicht, in der dieser sich im Namen des SDSOe gegen den tendenziösen Bericht vom 15. März zur Wehr setzte […]
Wenige Tage nach dieser Zuschrift an die Reichspost, am 22. März 1925, attestierte
Karl Heinz Strobl in einer Rede vor der „Deutschösterreichischen Schriftstellergenossenschaft“ […] dem Attentäter, dass „das Motiv der Tat an sich unzweifelhaft, ehrliche, sittliche Entrüstung gewesen“ sei, ja, dass sich im Mordanschlag auf Bettauer eine „Art Volksjustiz einem Schriftsteller gegenüber vollzogen“ habe: „Es ist also klar, daß nach dem Volksempfinden die Tätigkeit eines Schriftstellers mit einem sittlichen Maßstabe gemessen werden darf, ja, daß sogar eine Pflicht der Öffentlichkeit besteht, den Schriftsteller darauf zu kontrollieren, ob er wirklich jene Grundsätze vertritt, die das unverdorbene Volk von ihm zu fordern berechtigt zu sein glaubt und das im Falle einer Verurteilung einen Akt der Notwehr begehen zu dürfen glaubt, wie wir es in diesem bedauerlichen Falle gesehen haben.“ […]
An der Trauerfeier für „das erste prominente Opfer des Nationalsozialismus in Österreich“ am 30. März 1925 nahm neben zahlreichen Weggefährten aus Kunst und Journalismus sowie Vertretern der Sozialdemokratie, die Bettauer in öffentlichen Debatten immer wieder in Schutz genommen hatten, auch Robert Musil teil; ob er, so Corino, „den kurzen Nachruf auf Bettauer, der sich unter seinen Papieren fand, am Sarg gesprochen hat, oder, was wahrscheinlicher ist, in einer Trauerfeier des SDS zu anderem Termin, ist nicht klar.“ […]
„Wir betrauern in dem Dahingeschiedenen einen Mann von vorzüglichen Gaben des Herzens. Durch eine nicht immer leichte Lebensschule gegangen, vergaß er später, als er in unvergleichlich kurzer Zeit eine ungewöhnliche Popularität erlangte, nichts von dem, was ihn Armut, Sorge und Bedrückung gelehrt hatten. […] Impulsiv, empfänglich, hatte er die Gabe, das auszusprechen, was tausende fühlten. Er sprach es genau in der Weise und mit den Mitteln aus, die man heute anwenden muß, um zu wirken. Persönlich leitete ihn niemals das Verlangen nach persönlichen Vorteilen, denn dieses hätte der beliebte Schriftsteller viel bequemer befriedigen können, sondern es leitete ihn die ehrliche Überzeugung, zu bessern. Und er fiel für die vornehmste Aufgabe seines Berufs: das auszusprechen, was man für richtig hält!“ […]
Richard Schaukal: Das freie Wirken des Schriftstellers. Grundsätzliches zu einem besonderen Falle (1925)
Ein junger Mensch in Wien hat durch fünf Revolverschüsse, die er auf den zu diesem Zwecke von ihm Aufgesuchten aus nächster Nähe abgab, einen Schriftsteller zu töten unternommen, der, wie der Mörder zur Rechtfertigung seiner Tat erklärte, durch sein Wirken die Jugend verderbe. Das Gericht wird sich mit dem Falle zu beschäftigen haben. […]
Der Schutzverband deutscher Schriftsteller in Österreich hat, ohne seine Mitglieder vorher von seiner Absicht zu unterrichten, „anläßlich des mörderischen Anschlags auf Hugo Bettauer die zum Terror aufreizende Hetze gegen das Werk eines Schriftstellers verurteilt, das nur der Kritik durch das Wort unterworfen sein soll. Der Schutzverband sieht in der Duldung und Verherrlichung dieser Hetze eine Verletzung des Rechtes eines jeden Schriftstellers auf freies Wirken und fordert, daß in Zukunft in alle Berufenen dieses Recht besser schützen.“ Diese Erklärung fordert als öffentlich abgegeben öffentlichen Widerspruch heraus. Ich kann mich nicht damit begnügen, dem Schutzverband, dessen Mitglied ich durch Jahre gewesen bin, meinen Austritt angemeldet zu haben.
Wer ist der, gegen den jener Anschlag gerichtet war? Ist sein „Werk, das nur der Kritik durch das Wort unterworfen sein soll“ derart, dass ihm wirklich „das Recht jedes Schriftstellers auf freies Wirken“ zugebilligt werden muss“? Hugo Bettauer ist ein stadtbekannter Pornograph, ein Schriftsteller, der, lediglich um des Gelderwerbs willen, allwöchentlich in mehreren teils von ihm selbst herausgegebenen, teils von ihm mit regelmäßigen Beiträgen belieferten Blätttern der Unzucht in jeder Form das Wort redet. Diese Blätter, die in Massen verbreitet, in Straßen ausgerufen werden, in Trafiken aufliegen und aushangen, befinden sich, wie mit Ekel festgestellt werden muss, allenthalben in den Händen junger Leute, zumal Mädchen, die sie auf der Gasse und in den Straßenbahnen verschlingen. Behördliches Einschreiten gegen diesen groben Unfug war durch den von „Freiheits-„Wahn und parteipolitischer Tendenz missleiteten Machtanspruch der höheren Instanz vereitelt worden.
So steht die Sache, die ein junger Mensch zu der seinen gemacht hat, indem er die Mordwaffe gegen Bettauer erhob. Die Kritik, die aus diesem Anlasse von einigen Blättern verschiedener Parteirichtung gegen die von allen reinlich Fühlenden längst als öffentliche Schande empfundene Tätigkeit des nun so furchtbar Gezüchtigten geübt worden ist, bezeichnet die Kundgebung des Schutzverbandes als „zum Terror aufreizende Hetze gegen das Werk eines Schriftstellers, das nur der Kritik durch das Wort unterworfen sein.“ Der Schutzverband tadelt diese „Hetze“ und erblickt in ihrer „Duldung und Verherrlichung eine Verletzung des Rechtes jedes Schriftstellers auf freies Wirken“. Zugegeben, dass es sich um eine Hetze handle, die zum „Terror“, das heißt zur Gewaltmassregel „aufreize“ – ich kenne die Äusserungen jener Blätter nicht –: heißt es nicht die Tatsachen auf den Kopf stellen, wenn man das „Recht auf freies Wirken“ verteidigt, ja, alle Berufenen, also wohl vor allem die Behörden zu besserm Schutze dieses Rechtes auffordert in einem Augenblick, da es sich im Gegenteil darum handelt, den fortgesetzten Missbrauch jenes angeblichen Rechtes endlich auf eine wirksame Weise von „allen Berufenen“ gehemmt zu sehen? Heißt es nicht, auf eine „jedes Schriftstellers“ unwürdige Weise in angemasster Vertretung aller handeln, wenn man zum Schutz ruft gegen „die zum Terror aufreizende Hetze“, die, möge sie Wahlverwandten noch so peinlich in den mitschuldigen Ohren klingen, ihre Absicht, ihrem Zwecke nach sich doch ausgesprochenermassen gegen die Verpestung der geistig-seelischen Atmosphäre einer großen Stadt richtet? Ist es Sache der Schriftsteller, ihr „Recht auf freies Wirken“ gerade dann, alle Wahrhaftigen und Billigen aufreizend, zu betonen, wenn es sich darum handelt, einem „Kollegen“ das unsaubre Handwerk zu legen, mit dem sich irgendwie auch nur theoretisch identifiziert zu sehen, jeden Ehrenmann die Haut schaudert? Was, ein Zeitungsunternehmer, der seit Jahren aus den Taschen der von dieser anarchischen Zeit angefaulten Minderjährigen dafür Milliarden zieht, dass er ihren Kitzel stachelt, jeglicher Eindeutigkeit seine Schandgasse eröffnet, der Kuppelei, der Verführung und der Kindesabtreibung seine giftige Feder leiht und unsägliches Elend gewissenlos mit allen Mitteln fördert, ein solcher gemeinschädlicher Auswuchs und Auswurf „deutscher Schriftsteller in Österreich“ sollte diesen angemessenen Anlass bieten, schützend „vor das Werk“ zu treten? O ihr Heuchler und Pharisäer der „Freiheit“, warum nennt ihr es nicht mit seinem Namen: „Bettauers Wochenschrift“?
Es sind nun doch nicht so wenige Sätze aus diesem Kapitel geworden. Die „Reichspost“, dessen Schriftleiter Friedrich Funder seit 1902 und Herausgeber seit 1904 war, auch im Angesicht der ersten nationalsozialistischen Ermordung eines Schriftstellers in Österreich in einer ihrer Gesinnung nach recht rühmlichen Rolle – der junge Mensch, der stellvertretend den Mord beging, ein Zahntechniker, der nicht fallen gelassen wurde, für den gesorgt wurde.
Ein Kapitel sollte zumindest mit einem Satz seinen Abschluß finden, der tatsächlich ein Schlußsatz ist, aber dieses geht nur in eine Pause, nach der es mit dem Furchendezember —
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