Armin Wolf belegt Herbert Kickl, daß der österreichische Bundespräsident sagte: „Stimmt, das war ein Fehler.“

„Stimmt, das war ein Fehler.“

Gesteht Alexander Van der Bellen gegenüber Corinna Milborn am 5. Oktober 2022 ein.

Am 18. Jänner 2023 kommt Armin Wolf, so gut vorbereitet, wie es Journalisten in Österreich auf ihre Interviews vor allem seit dem Aufstieg von Jörg Haider, wie es Journalistinnen in Österreich auf alle ihre Interviews mit Freiheitlichen sind, in seinem Interview mit Herbert Kickl auf diesen von Alexander Van der Bellen eingestandenen „Fehler“ zu sprechen, und er hält Herbert Kickl diesen „Fehler“ vor.

Armin Wolf: Sie haben noch ein Problem. Selbst wenn Sie einen Koalitionspartner finden würden, gibt es einen Bundespräsidenten, der Sie als Innenminister entlassen hat und sagt, auch ihre Angelobung war schon ein Fehler. Der wird Sie wohl kaum als Regierungschef angeloben?

Herbert Kickl: Diesen Satz hätte ich jetzt gerne von Ihnen belegt, den zweiteren.

Armin Wolf: Das kann ich Ihnen jetzt leider nicht vorstellen, vorspielen, aber diese Aussage gibt’s.

Herbert Kickl: Den zweiten Satz, den kenne ich nicht.

Noch in derselben Nacht reicht Armin Wolf nach, was Herbert Kickl nicht kennt, aber er, Armin Wolf um so genauer, weil er, Wolf, einer der journalistisch genauest Arbeitenden im Lande ist, und womit er ein weiteres Mal eindrücklich belegt, wie gründlich er sich auf jedwedes Interview vorbereitet:

Nachtrag zur heutigen #ZiB2: Das Zitat des Bundespräsidenten, das FPÖ-Chef Kickl gezeigt haben wollte: „Es sei ein ‚Fehler‘ gewesen.“

Und damit Herbert Kickl diesen Satz nicht überlesen kann, er endlich auch das kennt, was Armin Wolf kennt, markiert Armin Wolf ihm diesen ganzen einfachen wie kurzen Satz.

Die Bundespräsidentin gestand am 5. Oktober 2022 gegenüber Alexander Van der Bellen ein, daß es ein Fehler gewesen sei, Herbert Kickl als Innenminister anzugeloben.

Corinna Milborn: Bundeskanzler Kurz hat Ihnen damals die Entlassung von Innenminister Herbert Kickl vorgeschlagen, und er hat das damals, zumindest öffentlich damit begründet, daß Kickl als Innenminister nicht die Ermittlungen gegen sich selbst leiten oder verantworten könnte. Sie haben damals gesagt zu diesem ganzen Ibiza-Komplex: „So sind wir nicht.“ Das spiele ich noch einmal kurz ein. Wahrscheinlich Ihr bekanntester Satz aus dieser Amtszeit. Man wirft Ihnen jetzt vor, besonders natürlich vonseiten der FPÖ, daß Sie das zwar zum Ibiza-Video gesagt, wo Strache und Gudenus zwar über Korruption reden, dann aber nicht mehr zu den ÖVP-Chats und auch nie in Frage gestellt haben, ob ein ÖVP-Innenminister für Ermittlungen verantwortlich sein könne, die gegen seine Partei gehen. Was sagen Sie dazu?

Alexander Van der Bellen: Dem einen ist’s zu viel, dem anderen ist’s zu wenig. Für mich ist ganz klar, daß diese Aussagen, die wir in dem Video gesehen haben, an einem Freitag im Mai 2019, derart skandalös waren, eine offene Darstellung von Korruptionsmöglichkeiten, Hintertreibung von öffentlichen Aufträgen zulasten österreichischer Unternehmen zugunsten von Unternehmen, die Strache nahestünden, solche Dinge, daß das Folgen haben wird, war für mich außer Zweifel.

Corinna Milborn: Die Chat-Protokolle sind aber ein ähnliches Bild von –

Alexander Van der Bellen: Sind moralisch ein ähnliches Bild, was strafrechtlich dabei herauskommt, werden wir erst sehen. Da würde ich die Justiz in Ruhe arbeiten lassen, wünsche mir aber auch, daß es rascher geht, damit wir das Problem nicht ewig vor uns hertragen. Daß Kickl und ich keine Freunde sind, tut mir leid, das ist ebenso. Er wird mir das nie verzeihen, daß ich dem Vorschlag von Sebastian Kurz nachgekommen bin.

Corinna Milborn: Sie haben ja, hört man, bei der Angelobung dieser Regierung Vorbehalte gegen Johann Gudenus und Harald Vilimsky geäußert. Bei Herbert Kickl sagen Sie jetzt, sie werden nie Freunde werden, sie sagen auch, das war immer eine Belastung. Wieso haben Sie gegen ihn keine Vorbehalte geäußert damals?

Alexander Van der Bellen: Was glauben Sie, wie oft ich mich danach die genau selbe Frage gestellt habe. Ob das anders ausgegangen wäre, das wissen die Götter. Aber ich habe ihn unterschätzt in seinem konkreten Handeln als Innenminister. Stimmt, das ist aber das Problem. Wie soll ich sagen? Was ist die Rolle des Bundespräsidenten in diesen Fällen, ja? Bei Gudenus wußte ich, daß er, das muß nicht lange vorher gewesen sein, daß er gesagt hat, wenn wir mal in der Regierung sind, heißt das nicht Tischlein deck dich, sondern Knüppel aus dem Sack. Da habe ich signalisiert, diskret, nicht in der Öffentlichkeit, bei der Regierungsbildung, bitte, Gudenus kann nicht Innenminister werden, das werde ich nicht akzeptieren, ja, solche Dinge. So, jetzt sind wir aber bei einer größeren Frage: Und welcher Minister ist jetzt wofür geeignet? Ich bemühe mich, mit jedem Bundesminister, bevor er sein Amt antritt, bevor ich ihn angelobe, wenn ich ihn nicht schon persönlich kenne, wenigstens ein einstündiges Gespräch oder so zu führen, zu sehen, wo kommt er her, wie tickt er usw. Aber Sie werden mir doch recht geben, daß man in einem einstündigen Gespräch keine umfassende letzte Meinung darüber haben kann, wird der oder die das richtig machen oder nicht.

Corinna Milborn: Nur eine Nachfrage, wir sind am Ende der Zeit, mir Ihrer Zeit nämlich […] Jetzt ist Herbert Kickl Parteichef. Wenn nach den nächsten Wahlen die FPÖ eine Koalition bildet. Was machen Sie dann, nach allem, was Sie jetzt gesagt haben darüber, daß es ein

Bundespräsidentin: Fehler war, ihn als Innenminister anzugeloben, oder daß sie darüber nachgedacht haben.

Alexander Van der Bellen: Eine sehr hypothetische Frage, Frau Milborn –

Corinna Milborn: Wieso? Nach den Umfagen ist es durchaus möglich, daß bei den nächsten Wahlen die FPÖ in eine Regierung kommt.

Alexander Van der Bellen: Wie Sie wissen. Nach den Umfragen ist Verschiedenes möglich. Bei den Tiroler Landtagswahlen hat es sich gezeigt, daß die Umfragen alle daneben lagen, die einen mehr, die anderen weniger.

Corinna Milborn: Die FPÖ hat gut abgeschnitten. Das kann man jedenfalls feststellen.

Alexander Van der Bellen: Ich vertraue schon auch auf die Bürger und Bürgerinnen dieses Landes, daß sie auch bei der nächsten Nationalratswahl richtige Entscheidungen treffen. Wie ich mich im Falle des Falles verhalten werde, werde ich Ihnen jetzt nicht verraten, sondern ich werde diese Entscheidung treffen, wie man im Englischen sagt, when I come to this bridge.

Bundespräsidentin: Aber das ist ja dieselbe Person, über die wir sprechen, über die sie gerade gesagt haben, es war ein Fehler, und sie haben oft darüber nachgedacht, ob es richtig war, ihn als Innenminister anzugeloben. Wie gehen Sie mit dem um, wenn er Vizekanzler oder Kanzler?

Alexander Van der Bellen: Wie geht Kickl damit um, daß ich der der nächste Bundespräsident in der zweiten […]

Es könnte menschgemäß gesagt werden, er, Van der Bellen, hat nicht widersprochen, als Corinna Milborn von einem „Fehler“ sprach, und nicht er, sie hat zweimal gesagt, daß es ein „Fehler“ gewesen sei, Herbert Kickl als Innenminister anzugeloben, und er hat eben zweimal dem nicht widersprochen, und darüber hinaus könnte menschgemäß auch noch gesagt werden, er hat nicht von einem „Fehler“ gesprochen, sondern um Verständnis für sich geworben, um vor sich selbst zu entschuldigen —

Wie hätte Alexander Van der Bellen diese Angelobung auch als „Fehler“ bezeichnen können, sagt er doch so richtig, nach einem einstündigen Gespräch kann kein Mensch eine umfassende letzte Meinung haben. Zumal, das dürfte Corinna Milborn, vergessen haben, kein Mensch in Österreich Herbert Kickl bis zum Tag seiner Angelobung kannte, die sogenannten Spitzen seiner Partei werden ihn vielleicht schon am Tag zuvor, an einem Sonntag, eine einfache wie kurze Stunde gekannt haben, er ihnen plötzlich von der Vorsehung eingegeben worden, sie sollen einen bislang unerkannt in seiner Festung allein Wohnenden, ihnen und allen Unbekannten im Land zum Innenminister —

Fünf Tage nach diesem Interview – falsch, ein Jahr und fünf Tage später vor diesem Interview, am 10. Oktober 2021, dankt der Bundespräsident auch Herbert Kickl,

Ich bedanke mich an dieser Stelle auch ausdrücklich bei Werner Kogler, Pamela Rendi-Wagner, Herbert Kickl und Beate Meinl-Reisinger sowie vielen weiteren Entscheidungsträgerinnen und -trägern in Bund und Ländern, die in dieser Situation mit Hochdruck an möglichen Lösungen im Interesse unseres Landes und seiner politischen Stabilität gearbeitet haben.

(ist auf der Website des Bundespräsidenten weiterhin zu lesen ist, an diesem Montag, 23. Jänner 2023) den er bis dahin Zeit genug hatte kennenzulernen, seit dem Montag der Angelobung, sich eine umfassende letzte Meinung zu bilden, die er dann im Dezember 2021, es ging im Grunde schon gegen Wiederwahl, zum Ausdruck brachte

Nicht mit dem Wort „Fehler“, sondern mit dem Wort „Belastung.

Und wie recht doch Alexander Van der Bellen damit hatte, Johann Gudenus zu verweigern, der doch kurz davor sagte, wenn wir in die Regierung … was wäre das für eine gemeingefährliche Koalition geworden, wie gut, daß Alexander Van der Bellen diese Türkis-Gudenusse-Koalition abgewendet und dafür die ÖVP-FPÖ-Koalition angelobt …

Gerade in diesem Interview belegt Alexander Van der Bellen mehrmals, daß er nichts wegredet, nichts abtut, sondern er „Fehler“ eingestehen kann, er keine Scheu hat, das Wort „Fehler“ auch auszusprechen, diese frank und frei zu benennen.

Bundespräsident: Stimmt, das war ein Fehler: Es waren weniger politische Entscheidungen im übrigen, sondern kommerzielle Entscheidungen seitens der OMV, die ich bis zu einem gewissen Grad verstanden habe, wie es sich auch im Video gezeigt hat, und auch heute noch verstehe, nämlich, wenn sie jetzt einen Geschäftspartner haben, mit dem sie über fünfzig Jahre gute Geschäftsverbindungen gehabt haben, der seine Verträge eingehalten hat, und der im Übrigen gutes und billigeres Gas als die Konkurrenz geliefert hat, ja dann denken sie sich, warum soll ich auf Teufel komm raus, neue Lieferanten suchen. Das war ein Fehler. Ein typischer Fehler für einen Ökonomen, auch für mich.

Corinna Milborn: Wenn ich dazwischen fragen darf. So klar haben das Ökonomen nie gesehen, auch der vorige OMV-General hat gewarnt davor, eine so hohe Abhängigkeit zu machen und aus rein ökonomischer Sicht macht es wenig Sinn, sich von einem diktatorisch geführten Regime, wie Sie es jetzt ja auch nennen, abhängig zu machen. Auch als Ökonom hätten Sie das sehen müssen.

Bundespräsident: Hätte ich sehen müssen, ja. Die Nicht-Diversifizierung der Gaslieferungen nach Österreich war ein schwerer Fehler. Stimmt.

Nun, Alexander Van der Bellen ist es wieder geworden, und wie wird Herbert Kickl damit umgehen?

Diese Frage ist Alexander Van der Bellen so einfach wie kurz zu beantworten, gegeben schon vor weit zwanzig Jahren: Susanne, geh du voran! Was ein Sonntagsbergsteiger wie H. J. wußte, wie dann zu handeln ist, damit alle ihre Gesichter nicht verlieren, weiß ein ausgebildeter Gebirgsjäger wie K. H. umso recht erst mehr – er, nun zum Kommandanten aufgestiegen, wird ihnen allen gnädig sein, ihnen allen ihr Gesicht wahren lassen und sagen: „Geh du voran! Welchen Vornamen wird er voranstellen? Vielleicht Michael, vielleicht Walter, vielleicht …

Und dann werden alle, wenn ihnen diese Brücke gebaut, im Chor mit dem Bundespräsidenten anstimmen, wieder anstimmen, in einem Ton wieder, als wäre dies ihnen als ihr Kreuz zu tragen auferlegt: I cross that bridge