ÖVP, „des Freiheitskämpfers“ Partei – Inserate für den Klerikalführer

Der Alltag in der Pölser Papierfabrik war ähnlich hart, berichtet Stefanija Kalynèuk aus Psenièniki in der Ukraine, heute 73 Jahre alt: „Wenn jemand bei der Nachtschicht einschlief, wurde er mit kaltem Wasser aus einem Schlauch angespritzt. Dann arbeiteten wir durchnässt bis zum Morgen.“

In diesem März 2023 wird wieder einmal viel von den Kellern in Österreich geschrieben, gesprochen, besonders von jenen in Niederösterreich, und so drängt es sich nahezu auf, ist es ein regelrechter Zwang, in die Keller nicht nur Niederösterreichs, sondern Österreichs hinabzusteigen, um zu erfahren, welche Unternehmen es waren, die die Preisung des Klerikalführers durch Inserate finanzierten.

„Der Freiheitskämpfer“, so gut sind seit damals die Zeiten geworden, muß keine Inserate mehr keilen, um seinen Führer zu preisen. Woher nun das Geld kommt, das wird seine Partei wissen, vielleicht sogar beantworten wollen.

Damals, vor 69 Jahren, waren es Unternehmen, die durch ihre Inserate „des Freiheitskämpfers“ Anbetungsarbeit … Es wurde nicht gezielt gesucht, es wurde, einfach wie kurz gesagt, wahllos in die Keller hinabgestiegen, und sofort —

Unternehmen, die vor 1945 – als ob das heute noch interessierte. Es interessiert auch nicht, nur eines interessiert, wie sich solche Unternehmen im Heute darstellen, etwa die Pölser Papierfabrik, für die die Zeit zwischen 1921 und 1961 in ihrer eigenen webseitigen Geschichtsdarstellung, wie an diesem 30. März 2023 gelesen, nicht existiert, was müssen das für sie vierzig belanglose Jahre gewesen sein, bei solch einer ruhmreichen Vergangenheit, die 1700 mit einem Fürsten Schwarzenberg … Es muß für sie eine Selbstverständlichkeit sein und also nicht erwähnenswert, daß in die vier Jahrzehnte Jahre der Freiheit fallen, Geschäfte durch Zwangsarbeit —

Im nächsten Keller

Die beiden Weltkriege bedeuteten für die  Brauerei Göss zwar Produktionseinbrüche und Rückschläge, doch nach dem Wiederaufbau der Braustätte setzte Gösser ein deutliches Zeichen für seine Kraft: Beim Galadiner zur Unterzeichnung des Österreichischen Staatsvertrages 1955 wurde Gösser Spezial serviert.

Ob das Galadinner auch im Belvedere stattfand, wird nicht gewußt, aber gewußt wird, vom Schloß zur Fasangasse ist es nicht weit, keine zehn Minuten zu Fuß …

In 3., Fasangasse befand sich laut dieser Liste ein Lager für griechische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der nationalsozialistischen Zeit, die in der Verladestation der Gösser Brauerei in der Laxenburgerstraße 2a arbeiten mussten. Dieses Zwangsarbeiterlager bestand ab Spätsommer 1942.

Für die „Ebenseer Solvay Werke“ in ihrer webseitigen „History“, wie auch am 30. März 2023 zu lesen, „Zeiten der Zweifel“, von 1914 bis 1949 …

Surviving two World Wars

Solvay was literally caught up in World War I. Its headquarters were based in “neutral” Belgium, which was nevertheless occupied almost entirely by German troops. It owned plants in most belligerent countries. Worse: its foreign subsidiaries were directly confronting each other. During WWII, Solvay was anxious about the fate of its industrial sites in both Nazi-dominated Europe and the Allied zone. Ernest-John Solvay and his brother-in-law René Boël were respectively in charge of maintaining the company’s autonomy in both zones.

Caught up in communist regimes

Twice in its history, Solvay suffered at the hands of communist regimes. First, in 1917, when the Bolshevik revolution resulted in the confiscation of Russian plants and mines. Second, in the wake of World War II, when 15 Solvay industrial sites were nationalized in Romania, Hungary, East-Germany, Yugoslavia, Czechoslovakia and in Poland. Despite numerous attempts, Solvay was unable to obtain reparations in most cases.

Caught in the maelstrom of European history

Under Hitler’s dictatorship, the Solvay’s subsidiaries were subjected to the system of Verwaltung (sequester). This deprived Brussels’ management from effectively supervising their plants. The powerful administrators who held the reins, however, showed loyalty to the company and enabled it to successfully resist takeover schemes instigated by Solvay’s main competitors in Germany and in Eastern Europe. Solvay’s Bernburg plant, here painted in 1938 by Karl Blossfeld has seen its fair share of history. It was founded under Bismarck; put in sequester by the Nazis; seized by the communists; partially dismantled by the Russians; recovered after the fall of the Berlin Wall; and revitalized to face globalization.

Es muß eine ungeheure „Loyalität“ gewesen sein, eine durch und durch ehrbare, wenn „Solvay“ eine der Bezeichnungen für das KZ-Außenlager Ebensee —

Für den „Schärdinger Molkereiverband“ waren es einfach „schwierige Zeiten“, von 1937 an, ist webseitig am 30. März 2023 zu lesen. Erst ab 1952 kann wieder etwas mehr gesprochen werden, und es müssen tatsächlich „schwierige Zeiten“ gewesen sein — „Kreditlieferung“ an das KZ Ebensee mit „Tilsiter“ …

Nach diesen wenigen Abstiegen in die Keller reichte es, zu beschließen, in keine Keller mehr hinabzusteigen, auch nicht zu ebener Erde oder im ersten Stock nachzusehen, wie sich weitere Unternehmen, die damals inserierten, im Heute darstellen.

Ja, es wird viel von den Kellern in Österreich in diesem März 2023 geschrieben, gesprochen, sehr aufgeregt auch, aber lange bevor der Mai ins Land zieht, wird das Aufgeregte, das Empörte wieder den österreichischen Gang gegangen sein.