Wenn nun Karl Nehammer zugehört wird, etwa in der „Pressestunde“ am Sonntag, 26. März ’23, etwa Johanna Mikl-Leitner im „Mittagsjournal“ am Samstag, 25. März ’23, erschreckt es nicht, die Stimme des Geistes Fünfziger Jahre zu hören, zu vertraut ist diese Stimme, als daß sie noch erschrecken könnte, ein wenig verwundert der Geist noch bei Stimme ist, nach all dem Geplärre, etwa woran die Sozialdemokratie alles schuld …
Schuld an allem sind die Sozialdemokraten, schuld an allem sind die Sozialdemokratinnen, und weil sie an allem Schuld sind, haben die volksparteilich Wertehrbaren für sie genderfreie Gattungbezeichnungen eingeführt. Vor etwas mehr als einem Jahr erst von der niederösterreichischen Innovativen: „Rotes Gsindl“. Etwas früher schon von einem Mann, auf dessen Stuhl nun Wolfgang Sobotka …: „Rote Gfrieser“ —
Und dieser Wertemann weiß, wie mit den roten Gfriesern, mit dem roten Gsindl umzugehen ist, sie rufen danach, ihnen eine aufzulegen, das ruft danach, ihm eine aufzulegen; vielleicht ist es seinem Alter geschuldet, daß er nicht mehr allen roten Gfriesern, nicht mehr dem gesamten roten Gsindl, obgleich sie alle danach rufen, eine auflegen kann, er sich im November ’20 damit begnügen muß, stellvertretend eine Sozialdemokratin für die roten …und das rote … zu nennen, die „hat danach gerufen, ihr eine aufzulegen.“, und das auch nur noch verbal …
Woran das rote Gsindl, woran die roten Gfrieser für die Heutigen dieser Partei schuldig sind, ist, daß diese werte Partei sich nun mit der FPÖ in Niederösterreich ein „Arbeitseinkommen“ teilen muß.
Es könnte nun zitiert werden, wie die Parteiwerten die Schuld der SPÖ erkennen, in diesem März ’23. Die Stimme des Geistes Fünfziger Jahre krächzt zwar, ist aber immer noch laut genug, um gehört zu werden, so laut ist er, daß er nicht überhört werden kann, so schreiend ist er, weil er zitiert werden will, sein Schuldlehrwissen über die Sozialdemokratie weitergegeben haben will, an die Heutigen seiner —
Hat die Politik der Sozialdemokraten in der österreichisch-ungarischen Monarchie wesentlich mit beigetragen, dieses herrliche Reich inmitten Europas zugrunde zu richten, so war die Nachkriegspolitik dieser Partei ganz im Zeichen kommender gewaltsamer Auseinandersetzung. Wiederholt lehnten sie, die österreichischen Sozialdemokraten, die Teilnahme an der Verantwortung in der Regierung ab und bereiteten zielbewußt den Bürgerkrieg vor. Als nach dem Sieg Hitlers die Lage Österreichs immer bedrohlicher schien, glaubten die Sozialdemokraten, ihre Zeit sei gekommen. Sie wußten um die nationalsozialistische Untergrundbewegung und hofften mit diesen Hassern Österreichs gemeinsam das vaterländische Regime in Österreich stürzen und die Diktatur des Proletariats aufrichten zu können. Der Terror wurde verstärkt. Der Republikanische Schutzbund in militärischer Hinsicht verstärkt und bis an die Zähne bewaffnet, rohe Sabotage, passive Resistenz und Gewalt, rote und braune Böllerwerfer beunruhigten die Bevölkerung. In den Arbeiterheimen gab es Arsenale von Waffen und Munition. Die demokratischen Einrichtungen wurden immer lächerlicher gemacht, das Parlament war nur mehr der Schauplatz sinnlosester und wildester Obstruktion. Die Straße sollte die Entscheidung bringen. Der blutige Zusammenstoß von „Mann zu Mann“, wie Marx ihn forderte, wurde vorbereitet, zum Bürgerkrieg gerüstet. Die Schüsse aus einer Schutzbundpistole aus Linz gaben das Zeichen zum Kampf. Kein verantwortungsbewußter Staatsmann konnte diesem hemmungslosen Treiben zusehen, durfte dulden, daß der Bürgerkrieg das Land an den Abgrund führe und das lauernde Dritte Reich durch innere Zerwürfnisse in Österreich zum lachenden Dritten werde. So griff Dollfuß mit harter Hand ein. Die Staatsgewalt hatte zu entscheiden, die Ruhe wieder herzustellen, geordnete Verhältnisse im Lande zu sichern. Neben den Wehrverbänden kamen also Heer und Polizei zum Einsatz und binnen wenigen Tagen war das Bürgerkriegsverbrechen erstickt worden. Die Sozialdemokratische Partei hatte im blutigen Ringen selbst ihr Ende herbeigeführt und Dollfuß Österreich vor dem Zugriff Hitlers schon im Jahre 1934 gerettet. Der Februar 1934 war daher nicht nur eine militärische Niederlage der aufständischen Sozialisten, sondern auch eine politische Niederlage des Nationalsozialismus. Mußte doch in diesem Augenblick auch Hitler erkennen, daß hier allen Umsturzversuchen ein kräftiger, zu allem entschlossener Staatsmann des österreichischen Volkes erstanden war. Wie anders konnte es sein, als daß bereits in diesen Tagen der irrige Glaube entstand, durch eine Beseitigung dieses Mannes Österreich endlich in die Knie zwingen zu können. Nach den roten Gewalttätern rüsteten nun die braunen Landesverräter zum entscheidenden Schlag. Es sollte Engelbert Dollfuß gelten, der in diesen Tagen identisch war mit Österreich dem österreichischen Widerstandskampf. Die Gewalttaten der Nationalsozialisten nahmen zu. Bombenattentate, Drohungen usw. standen auf der Tagesordnung. Planmäßig wurde nun der Putsch für den Tag X vorbereitet.
25. Juli 1934
Mit letzten Worten eines Gebetes um den Frieden für seine über alles geliebte Heimat schließt Engelbert Dollfuß für immer die Augen. Das erste Opfer deutscher Aggression in Österreich ist gefallen. Die Kugeln einer deutschen Pistole haben das Herz eines Mannes ausgelöscht, der nur seine Heimat kannte und auch dem Deutschtum zu dienen glaubte. Dollfuß hatte das höchste Opfer gebracht, das man von einem Menschen und Staatsmann verlangen kann, das Leben! Und während an der westlichen Grenze unseres Vaterlandes bereits die Häscher Hitlers lauerten, um dem Lande die Freiheit zu rauben, trauerte das ganze österreichische Volk um diesen edelsten Sohn seiner Heimat.
Zum zweiten Male hatte Dollfuß gesiegt. Zum zweiten Male innerhalb weniger Monate hatte Dollfuß dieses Land, nunmehr durch seinen Tod, vor seinem Untergang gerettet. Denn auch diesmal ist die Rechnung der Feinde Österreichs nicht aufgegangen.
Dr. Dollfuß war ein niederösterreichisches Bauernkind und ist es in seinem Herzen stets geblieben. Der niederösterreichische, nicht frömmelnde, sondern tief und wahrhaft gläubige Sohn der Kirche, der an das wunderbare Geheimnis des Waltens einer bestimmenden Vorsehung glaubt, gleichzeitig aber auch im innersten die Tiefe der Mitwirkung bis zur Aufopferung an der Erfüllung einer Sendung erfaßt hat. Und so hat Dr. Dollfuß nicht nur um politische Unabhängigkeit und Freiheit unseres österreichischen Vaterlandes gekämpft, so hat Dr. Dollfuß nicht nur Schutzwälle aufgetürmt, um den wirtschaftlichen Bestand seines Heimatlandes in jeder Richtung zu sichern, sondern er hat auch um die Seele des österreichischen Volkes gekämpft! Er formte den österreichischen Menschen als Einzelwesen der österreichischen Nation! Mehr als 1000 Jahre Geschichte des österreichischen Imperiums erwachten in der Wiederzurückführung der österreichischen Verfassung auf die Grundsätze des christlichen Staates. Die österreichische Seele, die jahrelang fremdartigen Einflüssen ausgesetzt war, hat Engelbert Dollfuß davon befreit und österreichisches Staatsbewußtsein geweckt. Im Geist des Hl. Leopold wollte er ein neues Österreich schaffen. Was der Priester, Dr. Seipel, vorausahnte, wollte Engelbert Dollfuß, der Kämpfer, wahrmachen. Für Glaube und Vaterland, für soziale Tat und echte Demokratie –„
das war das Kampfprogramm Engelbert Dollfuß‘. Dafür trat er ein mit der ihm eigenen Energie und Konsequenz! In diesen Grundsätzen kannte er keine Kompromisse, keinerlei Konzessionen! Wenn es die Grundsätze ging, war Dollfuß unerbittlicher Kämpfer! Er scheute keine Not und Gefahr — ein unerschrockener Bekenner seiner Heimat wurde er zum Inbegriff des Freiheitskampfes seines Volkes, zum Freiheitskämpfer, der sich würdig seinen Vorfahren in Österreichs tausendjähriger Geschichte anreiht! Leistung, Kampf, Opfer und Sieg — das war der Lebenslauf des Heldenkanzlers.
Dollfuß war Fahne, Idee und Programm einer neuen Gesellschaftsordnung. Nicht allein für Österreich, sondern für die Welt. Er zeigte, von „Quadragesimo anno“ unterstützt, den Ausweg zwischen Kapitalismus und Kommunismus, den dritten Weg. So lebt, 20 Jahre nach seinem Tode, Engelbert Dollfuß noch unter uns! Man möge heute in gewissen Kreisen spötteln, in andern zu feig sein, sich seiner Ideen zu bedienen, die Zukunft wird auch Engelbert Dollfuß Recht geben, genau so wie sein nationaler Abwehrkampf seine geschichtliche Bestätigung in der Entwicklung nach seinem Tode erfahren hat. Für uns ist der 20. Todestag Dollfuß‘ nicht nur ein Tag des Gedenkens, sondern noch mehr Aufruf und Appell zu neuem Einsatz, zum Kampf für eine Gesellschaftsordnung, die das Gestern überwindet und über Kapitalismus und Marxismus hinweg zur lichten Höhe des christlichen […]
„Heldenkanzler“ … „Aus einem alten niederösterreichischen Bauerngeschlecht, über 300 Jahre bereits ist der Stammbaum seiner Familie in direkter Linie in Niederösterreich …“ Auch das aus „Der Freiheitskämpfer Nr. 7/8, Juli/August 1954“ der „ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten, Kuratorium und Landesverband Wien“. Leinkauf schreibt am 16. Juli 1954 an seine
Liebe Kameradin ,
lieber Kamerad !
Die ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten hält anlässlich des 20. Todestages unseres unvergesslichen Heldenkanzlers Dr. Engelberg Dollfuss am Samstag, den 24. Juli 1954 um 16.30 Uhr am Hietzinger Friedhof eine Gedenkstunde ab. Die Gedenkrede hält Herr Landesparteiobmann Nationalrat Fritz POLCAR. Am Sonntag, den 25. Juli 1954 wird um 10.00 Uhr in der Votikkirche zu Wien einer feierliche Gedächtnismesse zelebriert.

Und wenn beim „Heldenkanzler“ so recht viel Niederösterreich vorkommt, kann es doch nicht ausbleiben, etwas aus Niederösterreich zu zitieren, das an das Heute gemahnt, nicht so sehr um der Schuldzuschreibungen willen, sind diese doch nach Altgelerntem zu bekannt, sondern, um vielleicht beim Zitieren das Zahlenrätsel und das Begriffsrätsel doch noch lösen zu können.
Landeshauptfrau in Niederösterreich, 25. März ’23: Eine Koalition mit der FPÖ eingehen müssen. Sie wissen, daß ich unmittelbar nach der Landtagswahl auf drittplatzierte Partei zugegangen bin, nämlich auf die SPÖ, das heißt, meine Präferenz war von der ersten Minute an ganz klar. Aber aufgrund der Blockade und der Kompromißlosigkeit der SPÖ ist es zu keiner Zusammenarbeit gekommen und so waren in der Situation, auf die FPÖ zuzugehen, um eine Zusammenarbeit zu ermöglichen, weil wir eine tragfähige Regierung brauchen. Fakt ist, daß die Volkspartei Niederösterreich nicht mehr die absolute Mehrheit hat und somit einen Partner braucht.
Moderatorin: Aber die SPÖ war doch zu weiteren Verhandlungen mit Ihnen bereit, Sie wollten diese Verhandlungen nicht.
Landeshauptfrau: Wir haben sechs Wochen mit der SPÖ verhandelt und Sie wissen, daß es hier fünf konkrete Forderungen seitens der SPÖ gab. Bei diesen fünf Forderungen hätte es vier gegeben, wo wir zu Kompromissen gefunden hätten, aber der fünfte Punkt war für uns ein No-Go, denn 440 Millionen für eine Jobgarantie für Langzeitarbeitslose […]
Bundeskanzler, 26. März ’23: Ich glaub‘, man muß auch hier wieder ein Stück weit den Blick weiten. Zum einen ist es historisch so, daß Koalitionen mit Freiheitlichen […] In Niederösterreich ist es schon ein spezieller Fall. […] Es ist schon interessant, daß Johanna Mikl-Leitner genau den Weg versucht hat, dieses Arbeitsübereinkommen ist ja keine Koalition […] Und hat eben den Dritten für die Gespräche gewinnen wollen, das war die SPÖ Niederösterreich, die hat sich ja sehr rasch einem Verhandlungsergebnis entzogen, dann muß man eben handeln, um Stabilität […]
Moderator: Darf ich trotzdem kurz einhaken. Aber angeblich geht es um 40 Millionen Euro, die die SPÖ für Langzeitarbeitslose verlangt hätte, und das wurde abgelehnt in der letzten Runde, wenn es stimmt. Dafür gibt es jetzt 30 Millionen für Corona-Hilfen für Menschen, die gestraft worden sind. Also so ein dramatischer Unterschied zwischen diesen beiden Summen ist nicht […] Aber war das wirklich so, daß die SPÖ da komplett weg war, man hört da ganz was anders.
Bundeskanzler: Also, ich finde, es ist immer, es steht uns allen gut an, dann immer alles aufzuzählen, was tatsächlich passiert ist. Es gab einen Forderungskatalog der Sozialdemokraten in Niederösterreich, der nicht 40 Millionen, sondern Milliarden gekostet hätte.
Weder das Zahlenrätsel noch das Begriffsrätsel kann, das muß eingestanden werden, durch das Zitieren doch noch gelöst werden. Die 440 Millionen der innovativen Landeshauptfrau im Mittagsjournal sind in der Pressestunde 40 Millionen und dann sind es, wie der niederösterreichische Kanzler sagt, überhaupt Milliarden … Was für den niederösterreichischen Kanzler keine Koalition, ist für die niederösterreichische Landeshauptfrau eine Koalition —
Das Einzige, das die ÖVP nicht als Rätsel aufgibt, das Einzige, das die ÖVP klar beantwortet, ist die Schuldfrage, und in dieser Schuldzuweisung sind sich in der ÖVP vom niederösterreichischen Kanzler bis zur niederösterreichischen Landeshauptfrau einig, sprechen sie alle mit einer Zunge. Schuld sind die Sozialdemokraten, schuld sind die Sozialdemokratinnen, schuld ist die SPÖ, wie seit …
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