Stockbetten, des Arbeitsministers Luxus für arbeitende Menschen in Österreich

§ 47. (9) Es gilt abweichend von § 428 Abs. 5 LAG für das Verbot von Etagenbetten gemäß § 37 Z 6 in
Vorarlberg und Tirol eine Übergangsfrist bis 1. Jänner 2032.

Die Produktionsgewerkschaft weist bereits auf diese kocherische Verordnung zum Profit aus Arbeit hin und schreibt dazu:

Am 26. April wurde eine Verordnung zum Landarbeitsgesetz 2021 veröffentlicht, die am 1. Juni 2023 in Kraft tritt. Geregelt werden darin unter anderem die Anforderungen an Arbeitsstätten und Wohnräume für Landarbeiter:innen. „Diese Verordnung ist skandalös. Arbeitsminister Martin Kocher lässt zu, dass drei Menschen für drei Wochen in einem Container mit 13,88 m² untergebracht werden dürfen. Pro Person stehen somit 4,6 m² zur Verfügung. Das grenzt an Sklavenhaltung“, betont der Bundesvorsitzende der Produktionsgewerkschaft (PRO-GE), Rainer Wimmer. Der Gewerkschafter verweist darauf, dass in der zweiten Tierhalteverordnung für drei Hunde ein Zwinger von 25 m² vorgeschrieben ist, den Erntearbeiter:innen gestehe man also nicht einmal die gleiche Fläche wie Hunden zu. 

Die Gewerkschaft bezieht sich in ihrer Kritik lediglich auf die zeitlich auf drei Wochen eingeschränkte Unterbringung von drei Menschen in einem Container von 13,88 Quadratmeter. Um aber das „skandalös[e]“ Ausmaß dieser kocherischen Verordnung zu ermessen, ist die gesamte kocherische Verordnung in bezug auf „Wohnräume“ zu zitieren, die sich nicht auf einen eingeschränkten kurzen Zeitraum der Unterbringung bezieht, sondern auf eine zeitlich uneingeschränkte Unterbringung von Menschen, die in der österreichischen Landwirtschaft arbeiten.

In der Verordnung wird gar von „Wohnen“ der „untergebrachten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ gesprochen, von „Räumen“ zur „Nächtigung oder […] „Wohnen“; es geht wohl in erster Linie um das Nächtigen, und da ist die kocherische Denke ganz und gar nachvollziehbar, denn welcher Mensch, der abends abgearbeitet vom Feld kommt, wird noch wohnen wollen, ja, überhaupt noch wohnen können, nur noch schlafen, einerlei, ob in einem Einzelbett oder in einem Etagenbett, das Schlafen ganz allein in einem Einzelbett oder ganz allein oben oder unten in einem Stockbett, so viel zugestandener Luxus, und das in einer Verordnung festzuschreiben, zeichnet Martin Kocher als Arbeitsminister aus.

Gegen einen Arbeitsminister von dieser Güte kann es „keine Bedenken“ geben, wie der so zutreffend wie stets in seinen Urteilen sattelfeste hohe Herr vor einem knappen Jahr feststellte:

Aber wir haben’s jetzt mit Martin Kocher zu tun. Martin Kocher war vorher Arbeitsminister, nicht Wirtschaftsminister. Martin Kocher, finde ich, weiß sehr genau, was er macht. Er kennt die Mechanismen am Arbeitsmarkt sehr gut. Wenn er jetzt die Wirtschaftsagenden dazubekommt, finde ich persönlich keine Bedenken, was da alles passieren kann.

Wohnräume

§ 37. (1) Zur Nächtigung oder vorübergehendem Wohnen dürfen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber nur Räume zur Verfügung gestellt werden, die den nachfolgenden Mindestanforderungen entsprechen:
1. Sie müssen ihrem Zweck entsprechend benutzbar, in hygienisch einwandfreiem Zustand (insbesondere frei von Schimmel und Ungeziefer und mit verputzten Wänden) sein und dürfen keine Gefahr für Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darstellen.
2. Sie müssen ein direkt ins Freie führendes Fenster haben, sowie ausreichend beleuchtbar, auf mindestens 21° C beheizbar und mit angemessenen Schutzvorkehrungen vor Lärm versehen sein.
3. Die lichte Höhe hat mindestens 2,5 m zu betragen.
4. Sie müssen versperrbar sein sowie mit ausreichend großen Tischen und mit mindestens einer Sitzgelegenheit mit Rückenlehne und einer Stromsteckdose für jede untergebrachte Arbeitnehmerin und jeden untergebrachten Arbeitnehmer ausgestattet sein.
5. Der freie, durch das Volumen von Einbauten nicht verringerte Luftraum muss pro Arbeitnehmerin bzw. Arbeitnehmer mindestens 10 m³ betragen.
6. Für jede Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer muss ein versperrbarer Kasten und ein Bett mit Bettzeug zur Verfügung stehen. Etagenbetten, Schlafkapseln oder Schlafkojen sind nicht zulässig.

Ein Privileg der arbeitenden Menschen in Tirol und in Vorarlberg, das Schlaferlebnis in Etagenbetten noch bis 1. Jänner 2032 genießen zu dürfen, ihnen diesen Luxus nicht sofort zu verbieten. Es werden womöglich die anderen Bundesländer diese Übergangsfrist noch nachträglich einfordern, um nicht durch das Etagenbettenverbot einen Wettbewerbsnachteil …

7. Schlafräume müssen versperrbar sein. Sie müssen nach Geschlechtern getrennt benutzbar sein und auch gesonderte Zugänge haben.
8. Es müssen Einrichtungen zum Zubereiten und Wärmen sowie zum Kühlen von Speisen und Getränken zur Verfügung stehen. Werden diese Einrichtungen von mehr als drei untergebrachten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern benutzt, sind diese Räumlichkeiten getrennt von den Schlafräumen einzurichten.

Wie muß doch drei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern das Gemeinschaftsgefühl stärken, wenn sie gemeinsam alles in einem einzigen Raum miteinander teilen dürfen: das Zubereiten und Wärmen sowie Kühlen von Speisen und Getränken und das Schlafen.

9. Es müssen Mittel für die Erste Hilfe zur Verfügung stehen.
10. Es müssen geeignete Einrichtungen zum Trocknen nasser Kleidung zur Verfügung stehen.
11. Sofern Raucherinnen und Nichtraucherinnen nicht in getrennten Räumen untergebracht sind, ist das Rauchen zu untersagen.

Was für eine kocherische Rücksichtnahme auf Raucher, die nicht in getrennten Räumen untergebracht sind, den Rauchern, so kann Z. 11 nur verstanden werden, ist das Rauchen nicht zu untersagen, und die nichtrauchenden Männer, sofern diese mit rauchenden Männern nicht in getrennten Räumen untergebracht sind, werden das, sie sind ja Männer, verstehen, daß rauchende Männer, einfach wie kurz gesagt, rauchen müssen, immer und überall, also auch dann, wenn der Raum zusätzlich als Schlafraum … und gibt es auf Erden etwas Schöneres, und das wird auch ein Mann wie Kocher nur zu recht wissen, im Bett zu liegen, übermüde, nach eines langen Tages Arbeit in die Nacht, kurz vor dem Einschlafen noch eine Zigarette —

12. Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen geeignete und ohne Erkältungsgefahr benutzbare sowie gut zugängliche Duschen, Waschgelegenheiten und Toiletten zur Verfügung stehen. Duschen und Toiletten müssen von innen versperrbar sein. Hinsichtlich Anzahl und Beschaffenheit gelten die §§ 32 bis 34 sinngemäß. Duschräume und Toiletten sind jedenfalls nach Geschlechtern getrennt vorzusehen, soweit sie von mehr als acht Personen genutzt werden.

Wie wird auch das die Gemeinschaft der Untergebrachten stärken, wenn beispielsweise vier Frauen und vier Männer gemeinsam die Dusche teilen, und werden sich neun Untergebrachte fragen, wie es denn um ihr Arbeitsklima bestellt ist, so mit getrennten Duschräumen und Toiletten.

13. Pro untergebrachter Arbeitnehmerin bzw. untergebrachtem Arbeitnehmer müssen zur Verfügung stehen:
a) mindestens 11 m² Bodenfläche in den Gesamträumlichkeiten (Wohn- und Aufenthaltsraum, Schlafraum, Küche, Sanitäranlagen, Wasch- und Trockenraum, Vorzimmer) oder
b) mindestens 6 m² Bodenfläche im Schlafraum. 24 von 29 BGBl. II – Ausgegeben am 26. April 2023 – Nr. 122 Vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung errichtete Wohnräume können bis 31.12.2034 von den vorgesehenen Mindestbodenflächen im Ausmaß von 10 % abweichen.
14. Schlafräume dürfen maximal belegt werden
a) mit vier Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn die Schlafräume ab dem Inkrafttreten der Verordnung errichtet wurden;
b) ab 1. Jänner 2028 mit sechs Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, wenn die Schlafräume vor dem Inkrafttreten der Verordnung errichtet wurden;
c) ab 1. Jänner 2035 mit vier Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, wenn die Schlafräume vor dem Inkrafttreten der Verordnung errichtet wurden.
15. Container dürfen als Unterkunft für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt werden. Dabei
a) müssen abweichend von Z 13 pro untergebrachter Arbeitnehmerin bzw. untergebrachtem Arbeitnehmer mindestens 5 m² Bodenfläche zur Verfügung stehen;
b) ist abweichend von Z 14 im Standardcontainer (13,88 m²) eine Belegung zulässig mit
aa) höchstens zwei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern;
bb) höchstens drei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für maximal drei Wochen pro Jahr, wenn dies außergewöhnliche Umstände erforderlich machen. Die außergewöhnlichen Umstände, die Namen der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Dauer der Maßnahme müssen von der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber dokumentiert werden. Bei einer Kontrolle ist diese Dokumentation vorzuweisen.
(2) Auf Wohnräume, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung errichtet wurden, sind Abs. 1 Z 8 letzter Satz, Z 12 letzter Satz und Z 13 erst ab 1. Jänner 2028 anzuwenden.
(3) § 47 ist abweichend von Abs. 1 Z 3 in Tirol auf Wohnräume anzuwenden, deren lichte Höhe aufgrund baurechtlicher Vorschriften weniger als 2,5 m beträgt mit Inkrafttreten dieser Verordnung. Benutzbarkeit von sanitären Vorkehrungen und Sozialeinrichtungen

Die Gewerkschaft hat zu den Vorgaben der „Bodenfläche“ für die Untergebrachten einen Vergleich zur Tierhalteveordnung angestellt, allerdings einen ungerechten, für Hunde ist nicht eine zeitliche Beschränkung vorgeschrieben. Wenn, wie oben gelesen werden kann, die Vorgaben der „Bodenfläche“ für die Untergebrachten ohne zeitliche Beschränkung auf drei Wochen pro Jahr durchgegangen wird, hätte die Gewerkschaft noch weitere Vergleiche heranziehen können, zum Beispiel: „Die Gehege haben bis zu einer Zahl von höchstens 5 Tieren folgende Maße aufzuweisen: Außengehege (Mindestmaße) 500 Quadratmeter, Innengehege (Mindestmaße) 300 Quadratmeter, Höhe (Mindestmaße, bei geschlossenen Anlagen) 5 Meter.“ Bei fünf Tieren sind das im Innengehege 60 Quadratmeter bei einer Höhe von 5 Metern pro Tier.

Bei zwei Untergebrachten in einem Standardcontainer sind es 6,94 Meter bei einer Höhe von 2,5 Metern pro Person das ganze Jahr. Für ohne zeitliche Einschränkung Untergebrachte pro Person elf Quadratmeter Bodenfläche in den Gesamträumlichkeiten, sechs Quadratmeter im Schlafraum, 2,5 Meter Höhe; es will aber kein Vergleich mit der Tierhaltung herangezogen werden, schließlich sind es keine Tiere, die auf den Feldern und Äckern der österreichischen Landwirtschaft arbeiten — zu diesen kocherischen Bodenflächenmaßen fallen andere Maße im Vergleich ein, zum Beispiel

Wird in einem sonstigen barrierefreien Sanitärraum auch ein Toilettensitz angeordnet, sind dafür
die Anforderungen gemäß Punkt 7.1.3 einzuhalten. Die Mindestgröße eines kombinierten barrierefreien Sanitärraums mit Toilette, Waschbecken und Dusche beträgt 5,00 m².

OIB-Richtlinie 4 Ausgabe März 2015

Ein Bad sollte, heißt es, eine Größe von acht Quadratmetern haben, in Österreich sollen sechzig Prozent der Bäder zwischen vier und zehn Quadratmetern haben. Martin Kocher wird, sitzt er in seinem Vier-Quadratmeter-Bad nicht mit Neid, sondern in der Gewißheit sitzen, was für ein großartiger und großzügiger Arbeitsminister er doch sei, der den Untergebrachten auf dem Lande derartige Bodenflächen verordnet, während er auf einer Bodenfläche von vier Quadratmetern gar, die nach der Richtlinie eine Barrierefreiheit nicht zulassen, mit seiner ganzen Familie —

Kocherische Großzügigkeit in jedweder Hinsicht, auch bei den Bodenflächen Übergangsfristen, großzügiger Abzug von zehn Prozent der Bodenfläche, na ja, nicht so großzügig, was sind schon zehn Prozent, im Vergleich, gerade mal so viel in etwa wie die derzeitige Teuerung …

§ 47. (9) Es gilt abweichend von § 428 Abs. 5 LAG für das Verbot von Etagenbetten gemäß § 37 Z 6 in Vorarlberg und Tirol eine Übergangsfrist bis 1. Jänner 2032.

Schlussbestimmungen

§ 48. (1) Gemäß § 431 Abs. 1 LAG wird festgestellt, dass in § 25 Abs. 2 Z 2, Abs. 4 Z 3, Abs. 7 und in § 46 Abs. 2 dieser Verordnung Abweichungen von § 204 Abs. 6 sowie in § 32 Abs. 4 Abweichungen von § 202 Abs. 2 festgelegt werden.
(2) Diese Verordnung tritt am 1. Juni 2023 in Kraft.
[…]

Kocher

Und daß es zu einer im Gesamten derart großzügigen kocherischen Verordnung überhaupt kommen kann, am 26. April 2023, ist vielleicht auch darauf zurückzuführen, daß vor mehr oder weniger kurzer Zeit ein Herr K. eine Erntehelferin besuchte und sah, wie die Unterbringung …