Es hat sich die Direktion von Robert Meyer und die Dramaturgie der Volksoper zu Wien bemüßigt, eine Stellungnahme auf ihre Website zu stellen, warum sie wann und wann nicht Zigeuner in Anführungszeichen setzen.
Eine Stellungnahme, zu der im Grunde nur der Hinweis etwa auf die Arbeit „So elend und so treu …“ über die Wiener Operette von Liefhold genügt, um diese volksoperetterliche Stellungnahme als das zu bestimmen, was sie ist, bloß ein Rettungsversuch der Eigenwahrnehmung als ach so aufgeklärte …
Liefhold hat in seiner Analyse auch des „Zigeunerbarons“ im Grunde bereits alles ausgeführt, und vor allem offengelegt, warum gerade „Der Zigeunerbaron“ nicht zu retten ist. Denn. Mit jeder seiner Aufführungen wird weiter ein Bild von den Menschen verbreitet, die von der sogenannten Mehrheitsgesellschaft nach wie vor brutal wie kurz als „Zigeuner“ bezeichnet werden,
Einige Anmerkungen sind zu dieser volksoperetterlichen Stellungnahme dennoch unumgänglich.
1
Die Stellungnahme der Volksoper ist das Libretto des „Zigeunerbarons“ in musikloser Prosa.
2
Die Direktion der Volksoper eröffnet ihre Stellungnahme mit dem Couplet:
„Im Bereich des Musiktheaters stößt man bemerkenswerterweise immer wieder auf Sujets und Themen, welche die Kultur der Sinti und Roma thematisieren oder zitieren.“
Hierzu reicht ein Satz von Liefhold:
„Zeitgleich feierten die Väter der Wiener Operetten bedeutende Erfolge mit dem Zigeunerbaron, dem Zigeunerprimas, der Gräfin Mariza oder Frasquita. Auf der Bühne erschien dem Publikum ein anderer Zigeuner als vor dem Theater.“
3
„Alleine die Tatsache, dass wir dieses Werk, welches immerhin ein Meilenstein der Wiener Operette ist, auf den Spielplan gesetzt haben, könnte Irritationen hervorrufen – das war der Direktion der Volksoper und allen künstlerisch Verantwortlichen der Produktion von vornherein bewusst. Denn es ist allgemein bekannt: Die Volksgruppe der Sinti und Roma selbst lehnt die Fremdbezeichnung ‚Zigeuner‘ wegen stigmatisierender und rassistischer Konnotationen größtenteils ab. Auch gesamtgesellschaftlich hat sich deren Eigenbezeichnung – zum Glück! – im Sprachgebrauch weitgehend durchgesetzt.“
Ach, wie großzügig, auf sie zu hören, ach, was für ein Glück, daß es im heutigen Sprachgebrauch weitgehend zur Durchsetzung kam von: „Alles Zigeuner“ …
Oh, und wie viele „Meilensteine“ in der Geschichte … Einen setzte beispielsweise auch Joseph Maria Theresia Habsburg. Mit dem Meilenstein „ethnische Eliminierung“. Einen auch der Mann aus dem Burgenland mit seiner „Zigeunerfrage“, die er und seine Kameradinnen an einem von der Vorsehung für sie erwählten Ort … Gerade in Österreich vulgo Portschyland sollte nicht die „Volksgruppe der Sinti und Roma die Bezeichnung ‚Zigeuner‘ ablehnen, sondern jene, die mit dieser Bezeichnung das Land von den Menschen vor dem Theater …
Und wenn es die Menschen vor dem Theater nicht mehr gibt, dann kann im Theater die Weihefeier von Humanismus und Aufklärung prachtvoller denn je zelebriert werden, können die Figuren mit Zuversicht und höchstem Vertrauen ihr Leben in die besten und umsichtigsten Hände …
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„Mit der Entscheidung, Johann Strauß‘ fantastischer Musik, die er für seine späte Operette Der Zigeunerbaron geschrieben hat, eine Bühne zu bieten, ging für uns und für das gesamte Kreativteam der Produktion selbstverständlich eine intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte der Sinti und Roma einher. Aus dieser Reflexion und zahlreichen internen Gesprächen zum Thema resultierend haben wir uns zu folgendem Umgang mit dem Begriff ‚Zigeuner‘ im Zuge der Neuproduktion des Zigeunerbarons entschieden: Die ‚Zigeuner‘, die in Strauß’ Operette übrigens als selbstbewusste Sympathieträger auftreten, tragen ihre im Stücktitel verankerte Bezeichnung als solche durchaus selbst auf den Lippen – im Kontext der Handlung kann man also nicht von einer Fremdbezeichnung sprechen. Wir verwenden den Begriff ‚Zigeuner‘ daher in allen Inhaltsangaben und damit verwandten (’stückimmanenten‘) Textsorten unkommentiert und ohne Anführungszeichen. In allen anderen – kommentierenden oder weiterführenden – Texten verwenden wir den Begriff jedoch selbstverständlich unter Anführungszeichen gesetzt.“
Die „Zigeuner“, so die volksoperetterliche Dramaturgie, würden selbst ihre Bezeichnung auf den Lippen tragen, also kann nicht von einer Fremdbezeichnung gesprochen werden. Was für komische Menschen das doch sind, die „Zigeuner“. Geben sie sich selbst die Bezeichnung „Zigeuner“, also eine Eigenbezeichnung, und nun lehnen sie größtenteils die Eigenbezeichnung als Fremdbezeichnung ab. Würden Strauß und Schnitzer heute noch leben, diese elend treuen Zigeuner, sie würden mit Rückgrat und Stolz verkünden, sie seien Zigeuner, wie es etwa schon Martin Luther tat, dieser aufrechte und schöpferfürchtige Führer der Zigeunerinnen …
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„Zudem setzt auch Peter Lunds Inszenierung ein Statement und lässt die beiden Protagonistinnen der ‚Zigeuner‘ einige Sätze auf Romani, der Sprache der Sinti und Roma, sprechen.“
Clint Eastwood soll sich sehr darüber ärgern, Peter Lund nicht für seinen Film „Letters of Iwo Jima“ engagiert zu haben. Denn. Mit Peter Lund wäre es ein Meilenstein der Filmgeschichte geworden. Lund hätte die Japaner einige Sätze auf japanisch sprechen lassen. Er soll ausgerufen haben: Was für ein genialer Einfall, gepaart mit genialischer Großzügigkeit! Eastwood soll heute noch darunter leiden, seinen Film vollkommen aus japanischer Sicht und vollkommen in japanischer Sprache …
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„Als Theatermenschen sind auch wir den Idealen von Humanismus und Aufklärung verpflichtet, und daher sind Johann Strauß‘ Operette Der Zigeunerbaron sowie die darin auftretenden Figuren bei uns in besten, höchst umsichtigen Händen.“
Das wird die Menschen vor dem Theater freuen zu hören …
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Was für eine
umsichtige Bebilderung des „Zigeunerbarons“ … Idylle der Wirklichkeit, gemütlich am Lagerfeuer, der Mann fiedelt, die Frau mit einem Kind, vielleicht das Pflegekind Saffi, das „kein Zigeuner“ ist, das grasende Pferd, ein Planwagen, ein brutzelndes Huhn … glückliche und zufriedene Menschen, denn sie wissen, sie sind im Hause der besten und umsichtigsten …
„Der Zigeunerbaron“ hat ja viel auch mit Ungarn zu tun, nicht nur, weil das Libretto von einem Mann aus Ungarn, also von Schnitzer, daß es wundert, warum die Operette noch keinen anderen Titel bekommen hat, das fällt dazu noch ein, mit Blick auf das Huhn auf dem Spieß … also statt „Der Zigeunerbaron“ könnte die Operette mit einem in Ungarn verwendeten Synonym auch „Baron der Hühnerdiebe“ …
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Clint Eastwood soll von der Strauß‘ Musik derart begeistert sein, daß er sich dazu entschlossen haben soll, aus der Operette „Der Zigeunerbaron“ einen Film zu machen. Das Libretto von Schnitzer habe er, wird erzählt, gleich gehäckselt und die Librettoschnitzel in den Altpapiereimer … Er wolle vom „Baron der Hühnerdiebe“ lediglich die Komposition von Strauß für seinen Musikfilm nehmen. Er habe eine Drehbuchautorin beauftragt, ihm zu dieser Musik ein ganz neue und gänzlich andere Geschichte zu schreiben, es soll ein Film weder in deutscher noch englischer Sprache werden.
Als möglichen Titel für den Film mit der Musik von Johann Strauß soll er vorgeschlagen haben, der dann freilich, wie immer dieser lauten wird, in die Originalfilmsprache zu übersetzen wäre:
„Your services are still needed“ …
Der Arbeitstitel sei ihm, soll er auf eine Frage der Drehbuchautorin geantwortet haben, eingefallen sein, als er den Titel „Ihre Dienste werden nicht mehr benötigt“ …
Die Drehbuchautorin, überhaupt das gesamte Kreativteam der Produktion soll Clint Eastwood verpflichtet haben, hierfür soll er eine Anregung der Dramaturgie der Volksoper zu Wien aufgenommen haben, zur intensiven Auseinandersetzung mit der Geschichte der …
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