Bundespräsidentinwahl in Österreich im Herbst „Im Zentrum“: Die Demütigung

Es werden sich in dieser Fernsehanstalt wohl alle Verantwortlichen hoch anrechnen, wie sie die Diskussion der Bewerber um das Amt der Bundespräsidentin in der Nacht des Sonntags, 11. September ’22, anlegten.

Von Beginn an, bis zum Ende.

Der Beginn: Das Abfragen des Wissens der Kandidaten über die österreichische Bundesverfassung – eine Demütigung.

Österreichgemäß konnten die Verantwortlichen dieser Sendung damit rechnen, daß sie mit dieser demütigenden Verfassungsprüfung der Kandidaten diese vorführen werden können und sie demütigend durch einen Herrn Verfassungslehrer sofort belehren werden lassen können, da das Wissen der Verfassung in Österreich generell ein geringes ist; denn wäre das Wissen um die Bundesverfassung in Österreich ein großes, gäbe es längst schon eine breite Debatte um die überfällige Reformierung der Verfassung.

Nun auf einmal, die telegene Besinnung in diesem Landfunk darauf, daß die Kenntnisse von Gesetzen ein hehres —

Das Wissen von Gesetzen in das Zentrum zu stellen, ist einzig der Gunstbezeugung dem abwesenden Mitbewerber geschuldet, spielt doch sonst in Österreich das Wissen der Gesetze keine Rolle, werden in Österreich sonst nicht einmal höchste Amtsbesetzende nach ihrem Wissen der Gesetze, auf die sie vereidigt sind, befragt und belehrt

Plötzlich das Wissen von Gesetzen in das Zentrum zu stellen, ist dem Demütigungswillen zur Unterstützung des abwesenden Mitwerbers geschuldet, werden doch sonst in Österreich aus lauter Respekt bäuchlings höchste Amtsbesetzende nicht belehrt, daß das Parlament kein Fußballplatz —

Einen wird diese Vorführungssendung zur Demütigung wohl recht freuen, der selbst eine hohe Verantwortungsfunktion seit wenigen Monaten zur rechten Zeit in dieser Fernsehanstalt einnimmt. Lange, lange gab der Abwesende nicht seine Kandidatur bekannt; es wird ihm vielleicht noch eine letzte Versicherung für eine erfolgreiche Wahl gefehlt haben. Aber drei Tage nach der Bestellung dieses Mannes zum Vorsitzenden des Fernsehanstaltsrates fühlt sich der Abwesende sicher, gibt sofort seine Kandidatur bekannt.

Das Ende.

Das Ende der Sendung. Diesmal beendet die Moderatorin nicht wie sonst die Sendung üblich so oft mit „Reden Sie darüber!“ Vielleicht ein generelles Eingeständnis, daß es über die von ihr modererierte Sendung hernach nichts zu reden gibt, vielleicht auch, es soll nicht nicht darüber geredet werden, was die sich der Wahl stellenden Bewerber gesagt haben, zu sagen haben, es könnte ihre Wählbarkeit erhöhen, es könnte ihrem Mitbewerber die Mühsal abverlangen, auch noch die Energie aufbringen zu müssen, für eine —