Adam und Eva haben von den Früchten vom Baum der Erkenntnis gegessen. Die Folgen sind schwerwiegend. Gott vertreibt die Menschen aus dem Paradies. Die Geschichte vom Sündenfall ist eine Ätiologie, das heißt, eine Erzählung über die Ursachen für die Verfaßtheit des menschlichen Lebens, das von Leid, Last und Tod geprägt ist. Aber warum tut Gott das den Menschen an? Diese Frage stelle ich mir unweigerlich.
Wer am 8. Dezember 2022 diese Frage sich öffentlich stellt, ist Regina Polak, eine Theologin, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Österreichs, Österreich 1, ganz in der Frühe, wenn Gedanken frisch wie der Tag …
Eine jüdische Sicht kann beim Verständnis helfen. Das Essen vom Baum der Erkenntnis gilt auch im Judentum als Sünde. Aber zugleich schenkt es dem Menschen die Möglichkeit, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Dies verändert die Beziehung zu Gott grundlegend. Der Mensch verliert zwar seine paradiesische Unschuld, aber er wird frei und erwachsen.
Ach, hätte es doch nur diesen Baum gegeben, und hätte von diesem Baum der Mensch doch nur reichlich und vor allem genug gegessen, was für ein erwachsener Mensch der Erkenntnis wäre gerade der an Erkenntnis bedürftigste Mensch doch geworden, und da es diesen Baum nicht gibt, und folglich der Mensch von diesem Baum der Erkenntnis nicht und schon gar nicht reichlich und vor allem genug essen kann, bleibt den Menschen weiter nichts, als weiter zu nagen am Brot des Heil…
Ein Geschöpf, das wählen und entscheiden kann. Das macht ihn zu einem ernst zu nehmenden Gegenüber Gottes. Freilich verliert er dabei seine Unsterblichkeit, denn wie Gott kann und darf er als Geschöpf Gottes nicht sein. Im Christentum entwickelt sich aus dieser Geschichte die Lehre von der Erbsünde.
Die Lehre von der Erbsünde, Schule der Lüge …
Auch diese Lehre beschreibt die biblische Erfahrung, daß das Verhältnis des Menschen zu Gott von der Sünde geprägt, das heißt, von einer fundamentalen Beziehungsstörung, von Angst und Mißtrauen gegenüber Gott und von der Neigung zum Bösen. Aber während aus jüdischer Sicht der Mensch durch die Treue zu den Geboten Gottes diese Neigung kontrollieren und überwinden kann, bedarf es aus christlicher Sicht der Erlösung durch Jesus Christus, der durch sein Leben, Sterben und Auferstehen den Menschen Orientierung gibt und die Angst vor dem Tod nimmt. In diesem Kontext ist auch das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria zu verstehen, das die katholische Kirche heute feiert. Im Zentrum steht dabei der Glaube, daß Maria von Beginn ihres Lebens an von aller Erbsünde frei war. Das bedeutet, daß ihre Beziehung zu Gott ungebrochen und frei war. Deshalb kann sie ohne Angst die Verheißung des Engels annehmen, den Sohn Gottes zu gebären.
Verheißung, lockendes Befehlen …
Es muß für diese Frau doch zu verlockend gewesen sein, von einem Mann, den sie nicht kennt, von einem Mann, der sie sich willkürlich aussucht, ein Kind zu bekommen, dem eine tolle Karriere verheißen wird, und das schon vor seiner Zeugung:
„Der Engel sagte zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben.“
Welche Eltern wünschten sich nicht ein Kind, dem eine solch strahlende Zukunft versprochen wird? Maria wird ein Kind empfangen, Maria wird einen Sohn gebären, Maria soll ihm den Namen Jesus geben … Das klingt ganz und gar nicht danach, eine Frau, die ungebrochen und frei ist, zu fragen, ihr die Entscheidung zu überlassen, ob sie das je will … nur Befehl über Befehl, du wirst, du sollst, du bist geheißen zu gehorchen … und sie gehorchte, wie ihr vom Herrn befohlen, daß der Mensch über die Frau herrscht …
Und was von den Verheißungen der Herrn zu erwarten ist, daß hat auch diese Frau erfahren, sie halten ihre Versprechungen nicht. Aus der Karriere auf dem Thron wurde nichts; was er, der Sohn, bekam, waren zwei Holzbalken und ein paar Nägel, und seine Mutter, die konnte wenigstens, derart dem Bedürfnis nach Trostes unterworfen, so zu ihm aufsehen und sich dabei einbilden, hoch zumindest, höher gehängt ist ihr Sohn als …
Die katholische Tradition bezeichnet Maria deshalb auch als neue Eva. Maria macht sichtbar, wie die Beziehung zu Gott sein kann. Als Jüdin weiß sie, daß den Willen Gottes, also das Gute, zu tun, das Wichtigste im Leben ist. So erinnert mich der heutige Feiertag daran, dass ich – biblisch gesprochen – Eva bin und Maria sein kann. Ich kann nicht mehr in den Zustand kindlich-naiver Unschuld zurückkehren. Aber ich kann mich in Freiheit für Gott und das Gute entscheiden. Das gefällt mir besser, als in ethischer Gleichgültigkeit im Paradies zu leben.
Sie, Regina Polak, ist also „Eva“ von der – ein weiterer Herr, Moses benannt, sagte dies, nach Behauptungen – es heißt:
„Dann formte Gott, der Herr, eine Frau aus der Rippe, die er Adam entnommen hatte.“
Sie „kann Maria sein“. Und sie kann nicht mehr zurückkehren … eine Rückkehr kann es ja auch nur geben, wenn es zuvor einen Weggang gab. In Unschuld naiv Welt zu denken, ist aber nur Kindern gegeben, deren phantastischen Welterzählungen gerne zugehört wird. Entscheiden kann sie sich in Freiheit, die Eva und Maria … und das gefällt ihr besser als in ethischer Gleichgültigkeit im Paradies zu leben —
Und lebt sie nicht doch in einem Paradies, in dem es sogar einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt, der ausstrahlt ihre Welterzählung, als wäre sie ein Essay …
Das ihr gefällt, also in ihrem Paradise der Sendungswilligen, das ein Paradies in ethischer —
Die Schuldlosen … wird von „ethischer Gleichgültigkeit“ erzählt, kommen unweigerlich die Schuldlosen in den Sinn, zu denen Hermann Broch schrieb, was ihm beim Schreiben seines Romans wichtig war:
Politische Gleichgültigkeit nämlich ist ethischer Gleichgültigkeit und damit im letzten ethischer Perversion recht nahe verwandt.
Naiv und unschuldig sind auch der Kinder Erzählungen nicht immer, auch in ihren kommen trotz Bemühungen, es zu verstecken, mehr und weniger offen Vorwürfe, Beschuldigungen, Anschuldigungen, Anwürfe vor, auf naive Weise und in recht unschuldiger Manier unterstellen sie allen, die an ihrer Weltbastelei nicht mitmachen wollen, unterstellen sie allen, die erkennen, daß aus ihren Basteleien keine Welt entsteht, mit harmlos klingenden Formulierungen Perversionen —

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