Ex-Zug

Es gibt, auch in Österreich, eine Partei der Arbeit (PdA), die nun eine Veranstaltungsreihe zum Gedenken an die Gründung der DDR …

Es gibt nun, in Deutschland, Gruppierungen, die an die besonderen historischen Verbindungen zwischen der DDR und Nordkorea erinnern – Berlin, Fenster zu Nordkorea.

Das verleitet ebenfalls zu einer Montage.

Fenster ist Aussicht, auch Aussicht in die Zukunft, von der gerade die österreichische PdA in ihrer „Erklärung gegen Antikommunismus und Geschichtsverfälschung“ schreibt, herbeischreiben und herbeireden will.

Und diese Partei meint damit die Zukunft des Sozialismus, die Zukunft des Kommunismus.

In diesem Fall ist das Fenster nicht mehr ein Fenster mit Aussicht in eine Zukunft, nicht mehr ein Fenster mit Aussicht auf eine Zukunft. Deshalb ist es aber kein blindes Fenster, kein zur Mauer gewordenes Fenster, das eine Wand lückenlos verschließt, undurchdringlich macht für Blicke nach außen und für Blicke nach innen. Es ist ein Fenster, das Einsicht ermöglicht, in das Innere. Und was im Inneren zu sehen ist, ist das „Ex-Zug“, wie auf der Anzeigetafel auf dem Bahnsteig in der Collage, den es vielleicht noch gibt, nur den Staat, der diesen einst umgab, den gibt es schon lange nicht mehr. Der Zug ist abgefahren, endgültig. Aber es gibt noch zu viele Züge, die zu Ex-Zügen …

Wer genau durch das Fenster hineinsieht, bekommt Einsicht in derartige Staaten, wie die DDR einer war, wie China, wie Nordkorea nach wie vor welche sind …

Und wer das Fenster öffnet, wird wohl Jubelschreie und Beifall, leninistisch-stalinistische Dankgebete von Honecker aus Nordkorea gen China über das „glorreiche“ Vorgehen in Hongkong …

„In Kalten-Kriegs-Zeiten sind die DDR und Nordkorea Freunde im Kampf für einen ‚Glorreichen Sozialismus‘. Man kennt, schätzt und besucht sich: 1977 und 1986 ist SED-Chef Honecker zu Gast im nordkoreanischen Bruderland. Zufrieden stellt er dort fest: ‚Völlige Übereinstimmung in allen behandelten Fragen‘. Auch Kim Il Sung, sein nordkoreanischer Kollege und Opa des heutigen Staatschefs Kim Jong-un, sieht das so.

Verein im sozialistischen Lager

Seit November 1949 pflegt die DDR freundschaftliche, diplomatische Beziehungen zu Nordkorea. Damals ist die Deutsche Demokratische Republik gerade mal einen Monat alt, und knüpft hier ein ‚festes und unverbrüchliches Freundschaftsband‘, wie es im Diktum der Zeit heißt.

1954 nimmt Richard Fischer seine Arbeit als erster Botschafter der DDR in Pjöngjang auf. Nordkorea und die DDR sind im Schicksal vereint: Wie im geteilten Deutschland durchzieht Korea eine Nahtstelle des Kalten Krieges. In zahlreichen Begegnungen auf Regierungsebene betont man den gemeinsamen Kampf gegen ‚Imperialismus und Kapitalismus‘. Die Folge ist ein Unikum: Als einziges Land der Welt wird Nordkorea in den folgenden Jahren diplomatische Beziehungen zur DDR, nicht aber zur Bundesrepublik haben.

Kleine Tricks unter Freunden

Ebenfalls noch in die fünfziger Jahre fällt der erste Besuch Kim Il Sungs in der DDR: 1956 bereist er mehrere sozialistische Länder – und sieht sich in der DDR unter anderem einen damaligen Vorzeigebetrieb an, die LPG im brandenburgischen Döbberin. Die Ausschnitte der damaligen Nachrichtensendung zeigen, wie sich der ‚Große Führer‘ in Ställen umsieht und eifrig den Kontakt zu den Bauern des Ortes sucht.

Kurios: Wie die „Berliner Zeitung“ vor einigen Jahren herausfand, wollte Kim Il Sung auch knapp 30 Jahre später, bei einem erneuten DDR-Besuch die gleiche LPG sehen. Da diese allerdings längst nicht mehr so vorzeigbar war, lotsten die SED-Oberen den geschätzten Freund ins 30 Kilometer entfernte Golzow, um ihm eine präsentable LPG zeigen zu können.

Treue bis zum Ende

Die Freundschaft beider Regime überdauert die Jahrzehnte. Noch unmittelbar vor dem Fall der Berliner Mauer versichert Kim Il Sung Honecker und der SED-Führung betont verbunden seine Unterstützung im Kampf gegen die ‚anti-sozialistischen Offensiven der Imperialisten‘. Beide spenden den Pekinger Machthabern rasch und vorbehaltlos Beifall für die blutige Niederwerfung der Demokratiebewegung.

Als Honecker nach dem Ende der DDR auf Asyl irgendwo in der Welt hofft, bietet sich wiederum das Reich des ‚Großen Führers‘ gerne an – wie übrigens auch schon einige Monate zuvor, als Rumäniens Diktator Nikolae Ceaucescu eine neue Bleibe sucht – bevor er kurz vor dem Abflug aus Bukarest gestoppt und hingerichtet wird. Aus ‚rein humanitären und menschlichen Gründen‘ wolle man das Ehepaar Honecker aufnehmen, heißt es damals.

Wie der Vater, so der Sohn?

Bei Kim Jong Il, Sohn Kim Il Sungs, führt die Verbundenheit mit der DDR schnell ins Reich der Spekulation: Wirtschaftswissenschaften soll er hierzulande studiert haben, auch von einer Ausbildung zum Jagdflieger bei der NVA ist hier und da zu lesen. Doch als er 1994 seinen Vater beerbt, ist die DDR längst Geschichte.“