Ausstellung, Saal Neulinggasse

Als Blickfang gleich beim Eingang Neulinggasse steht die „Familie“ von Margarete Hanusch. Als dauerte die „Große Deutsche Kunstausstellung“ an, als wäre Margarete Hanusch nach ’37 und ’38 noch einmal eingeladen worden, auch ’56 auszustellen. Als stünde der sehr alte und noch ein Jahr zu lebende Heinrich Hoffmann mit seinem Auftraggeber davor, der ihm gleich sagte, mache er auch schöne Bilder von der „Familie“, die unerschütterliches Abbild seiner idealistischen Gesinnung …

Als wäre bis heute darauf vergessen worden, den Saal Neulinggasse der „Großen Deutsche Kunstausstellung“ zu schließen …

Vielleicht war das Gottesmodell Hoffmanns zwar beglückt beim Anblick der hanusch’schen „Familie“, aber doch ein wenig unzufrieden; nur ein Sohn, wo er doch Dutzende von Söhnen in jeder Familie bräuchte für seine Opfer, die er dem Tod darzubringen habe … wenigstens statt der Tochter ein zweiter Sohn …

„Ein Drittel der Künstlerinnen gab 1937 München und Umgebung als Wohnort an, etwa jede Fünfte kam aus Berlin. Lediglich die Bildhauerin Margarete Hanusch wohnte außerhalb der Reichsgrenzen, in Wien.“

Da wird sich Margarete Hanusch zwar gesinnungsheimisch gefühlt haben, aber vielleicht doch ein wenig unsicher, fern von Wien.

Wie anders hingegen in Wien, im dritten Bezirk, im Saal „Neulinggasse“. Da sind sie unter sich. Nicht weit nach dem Eingang Wilhelm Frass mit seinen Skulpturen, dann gleich im Modenapark von Josef Müllner eine Figur – ein recht schöner Ort zum Verweilen … Stets dabei im sicheren Schatten der zwei Riesenwächterinnen …

Ach, lebte Margarete Hanusch noch, wie erfreut wäre sie wohl darüber, daß ihre Gesinnungsbotschaft der „Familie“ in Zeiten von Corona verbreitet wird, gerade im Saal „Neulinggasse“, tapfer und gesinnungsreich gegen Männer plakatiert wird, die beieinander liegen …

Das würde Margarete Hanusch nun wohl milde lächeln lassen, daß es einst wenige, aber doch einige Menschen gab, die ihre „Familie“ ablehnten. Und ist nicht gerade heute besonders Partei, kurz gesagt, Abbild ihrer idealistischen Kunst?

„In der Publikumsresonanz zeigt sich die Akzeptanz einer idealistisch-abbildhaften Kunst. An solchen Arbeiten wurde kaum Kritik – außer seitens einiger Künstler und Kritiker – geübt, und sie verblieben als ‚stille‘ Objekte. Zu den Ausnahmefällen gehört die Ablehnung der Skulpturengruppe ‚Familie‘ von Josef Bock und Margarete Hanusch: ‚Wie war es möglich, daß das Malheur mit der Blubo- (Blut-und-Boden-, I. N.) Plastik auf der Landstraßer Hauptstraße passieren konnte? (…) die als Rückfall in Zeiten erscheint, welche wir doch längst überwunden haben sollten.‘“

Sie, Margarete Hanusch, wird kein Smartphone gebraucht haben, um den Weg nach Hause in die Hafengasse zu finden. Wie einfach das Leben da noch war. Sie fand den Weg heim entlang ihrer Werke im dritten Bezirk. Und wen sie wer besuchen wollte, den beschrieb sie den Weg zu ihr einfach wie kurz anhand ihrer Werke. Vom „Mozart“ zur „Familie“ dann zur „Ährenträgerin“, eine kurze Rast auf der „Gänseweide“, dann weiter, ein wenig den „musizierenden Kindern“ zu hören, dann weiter, sich an dem Duett der „Lautenspielerin und Sängerin“ erfreuen und schon …

Ob sie dann bei Kaffee und Guglhupf sentimental erzählte, sie wäre zu spät geboren, um den Karl-Borromäus-Brunnen … wie hätte dieser doch in ihre Wegbeschreibung sich vorzüglich eingefügt, dieser so idyllische Platz mit den Nudelstilknaben zum Andenken an den Bürgermeister, dem es nicht vergönnt war, ihr die Hand zu reichen … ob ihr in München die Hände gereicht wurden von dem Fotografen und seinem Linsenboy …

Wie ist es möglich, daß das passieren konnte, „wegen des schlechten Erhaltungszustandes ausgeschieden“,

„Die ehemaligen städtischen Sammlungen erwarben 1942 Hanuschs Holzplastik Mädchen und 1943 ihre Holzplastik  Kämpfer, die aber wegen des schlechten Erhaltungszustandes inzwischen ausgeschieden wurde;  für das Liesinger Bad schuf die Künstlerin die Steinplastik Badende.“ 

Wien, Stadt der Badenden, die einander grüßen über Zeit und Tümpel hinweg …