Was ist seit dem die Veränderung?

Einfach wie kurz ist die Frage, die beim Lesen der Geschichte der Zerrissenheit in Zeiten des Umbruchs der christlichsozialen Partei in Wien sich einstellt:

Was ist seit dem die Veränderung?

Die Geschichte der christlichsozialen Partei zwischen 1910 und 1934 schrieb Dr. Markus Benesch, der seine Karriere in der „Jungen ÖVP“ begann, von der „Jungen ÖVP“ in das „Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung“ als Kabinettschef des Bundesministers Univ.-Prof. Dr. Heinz Faßmann.

Einfach wie kurz kann die Frage auch so gestellt werden:

Ist die Veränderung eine Zurückänderung?

Ist die Veränderung, von der der ehemalige Obmann der „JPV“ heute noch spricht, eine Rückänderung in die Zeit ab 1910 bis …

Einfach wie kurz kann die Frage auch so gestellt werden:

Ist die Dissertation von Markus Benesch dafür die Anleitung?

Also die Anleitung für die Rückänderung, die, großzügig gesehen, soher durchaus als eine Veränderung gesehen werden könnte, auch wenn nicht gesagt werden kann, was dabei die Veränderung ist, wenn nur zu etwas zurückgekehrt wird, das es schon einmal gab. Die von Markus Benesch geschriebene Geschichte der christlichsozialen Partei ab 1910 als eine vom ehemaligen Obmann der „Jungen ÖVP“ verwendete Bedienungsanleitung für ab 2017 bis …

Die Dissertation von Markus Benesch aus 2010 hatte noch den Titel: „Die Geschichte der Wiener christlichsozialen Partei zwischen dem Ende der Monarchie und dem Beginn des Ständestaates“. Dann als Buch veröffentlicht in 2013 mit dem Titel: „Die Wiener Christlichsoziale Partei 1910–1934: Eine Geschichte der Zerrissenheit in Zeiten des Umbruchs“. Es wäre vielleicht nicht uninteressant zu vergleichen, wie sehr Buch und Dissertation voneinander sich unterscheiden, ob es einen Menschen veranlaßte zu sagen, den Unterschied möchte er Klavier spielen können. Die verschiedenen Titel lassen bereits die Vermutung zu, die Dissertation die eines Historikers, das Buch das eines ÖVP-Bezirksrates, wie es auch als Resümee in mancher Rezension des Buches …

Deshalb soll hier das Buch außen vor gelassen, nur die Dissertation herangezogen sein, um einiger Beispiele aus dieser zu erzählen, wie sie vom ehemaligen Obmann als Bedienungsanleitung

Es sind sehr teure Wahlkämpfe zu führen.

Kunschak ergänzte den Bericht um einige Ausführungen über die Arbeiten und die Finanzierung des geplanten Lueger Denkmals. Auf Grund dieses Berichtes sah sich der Meidlinger Gemeinderat Josef Müller gleich zu Beginn des Parteitages veranlasst, eine wilde Attacke gegen Kunschak und andere Bezirksparteien – allen voran die Bezirksgruppe – Wieden zu reiten. „Von den guten Bezirken, ich erinnere da an Meidling, wird gar nichts erwähnt, darüber geht man zur Tagesordnung über. Aber weil wir 30 oder 40 Millionen beim Lueger Denkmal ausgegeben haben […]

Protokoll des Parteitages der Wiener Christlichsozialen Partei vom 13. und 14. 3. 1926, Archiv der Wiener Christlichsozialen Partei, Karton Nr. 109, S. 5

Ein sehr teurer Wahlkampf muß bereits jener von 1927 gewesen sein. Für diesen kam das 1926 fertiggestellte Karl-Lueger-Denkmal zum Einsatz, für das die christlichsoziale Partei „30 oder 40 Millionen ausgegeben“ hat, wie dem Protokoll des Parteitages vom März 1926 zu entnehmen ist.

Ein sehr teures Denkmal, und wofür? Nur, um ein Wahlkampfgoody zu haben. So reichlich dürften die Spenden nicht geflossen sein, die der von Leopold Kunschak angeführte Verein sammelte, jedenfalls viel zu wenig, wie es scheint, um das Denkmal errichten zu können, wenn seine Partei für das Denkmal selbst „30 oder 40 Millionen“ … Einerlei. Das belegt auch vom Finanziellen her, das Lueger-Denkmal ist nichts weiter als ein Parteidenkmal, ein Wahlkampffigur.

Das hätte es finanziell also auch billiger geben können, Karl Lueger als Wahlkampffigur, beispielsweise aus Pappmaché, mit dem Vorteil aufgrund des viel geringeren Gewichts der leichten Lagerung und leichten Hervorholung aus einem Magazin für Wahlkämpfe.

Karl Lueger, der Übervater der Christlichsozialen Partei, wurde in der Wiener Wahlpropaganda stark eingesetzt. In diesem Zusammenhang wurde eine eigene Wahlzeitschrift die „Wahrheit“ herausgegeben. Die Ausgabe vom 9. April zierte eine große Zeichnung an deren Spitze fast überdimensional auf einer Statue Lueger thronte. Flankiert wurde seine Statue von zwei Kopfportraits von Leopold Kunschak und Ignaz Seipel. Betitelt wurde diese Zeichnung mit den Worten: „In diesem Zeichen werden wir siegen“.

Dieses christlichsoziale Parteimal auch, kann durchaus gesagt werden, eine Anleitung für eine zweite Partei in Österreich, in dem Sinne, Parteidenkmäler zu errichten.

Was ist seit dem die Veränderung?

Das Wort „Bashing“ kam wohl noch nicht zum Einsatz, aber „Wien-Bashing“ wurde auch damals praktiziert, als erfolgsversprechendes christlichsoziales Rezept …

„Seit 13 Jahren“, stand dazu in einem CSP-Wahlaufruf in der Reichspost zu lesen, „regieren die Sozialdemokraten im Wiener Rathaus. Ihre Tätigkeit war eine Kette sozialistischer Experimente, die das Leben der einst so blühenden und glücklichen Luegerstadt an den Rand des Grabes gebracht haben…die Steuerpolitik wird von Hass und Demagogie diktiert, die Wohnbaupolitik löst die Wohnungsfürsorge nur für Parteifunktionäre …, das Schulwesen verwahrlost, das Verkehrswesen verödet, und der Zustand der Straßen ist ein Skandal. …“807 . Seipel, zu dem Zeitpunkt physisch verbraucht und krank, konnte in diesem Wahlkampf nicht als Redner oder Zugfigur eingesetzt werden. An seine Stelle trat der Kurzzeitkanzler Vaugoin. Vaugoin tourte durch die Wiener Bezirke und war alleine im April Hauptredner auf über 50 Großveranstaltungen. Überall machte er klar, dass eine Koalition mit den Sozialdemokraten für ihn nicht in Frage kam. In einer Wählerversammlung am 13 April 1932 in Erdberg erklärte er dazu: „Wenn heute noch jemand von den Möglichkeiten einer Koalition mit den Sozialdemokraten daherredet dann sage ich: Kein aufrechter Wiener und kein aufrechter Christlichsozialer kann dieses Wort in den Mund nehmen. So wie es keine Vereinigung von Feuer und Wasser geben kann, so wenig kann es eine Vereinigung von Christlichsozialen und Sozialdemokraten geben“808. Auch in diesem Wahlkampf wurde von Seiten der Christlichsozialen Partei Karl Lueger als altes Zugpferd bemüht. „Christlichsoziale Wiener, schart euch einig und geschlossen um die Fahne Luegers, des großen Volksbürgermeisters, der allein die Größe Wiens und das Glück seiner Bewohner begründet hat. Schart euch um die Fahne Luegers – helft sein Erbe lebendig zu machen, zu neuem Heil für unsere Stadt und eure Familien.“809

Was hat sich seit dem verändert?“ Verändert in dieser Partei, auf deren Parteitag vor bald einhundert Jahren, nämlich 1924, Leopold Kunschak dies sprach:

Der zweite Tag des Parteitages begann mit der Rede des Parteivorsitzenden. Insbesonders der erste Teil der Rede war von ihm emotional gestaltet. Dies lag sicherlich auch an dem Themenschwerpunkt, der von ihm gesetzt worden war, nämlich der Glöckel ́ sche Bildungs- und Schulpolitik, gegen die er heftig polemisierte. Er sprach in diesem Zusammenhang von anarchischen Zuständen an Wiens Schulen und einer allgemeinen Vernachlässigung der Bildungsaufgaben421 und verwies dabei auf die von der Wiener Stadtregierung forcierte Zurückdrängung der christlichen Elemente im Unterricht (vor allem das Morgengebet, aber auch das Aufhängen von christlichen Symbolen). Gleichzeitig vermied er es jedoch an dieser Stelle seiner Rede eine inhaltliche Totalopposition zum Ausdruck zu bringen und bekräftigte das grundsätzliche Bekenntnis seiner Partei sich an einer Reform des Wiener Schulwesens aktiv zu beteiligen. Der von Glöckel vorangetriebene Ausbau des Aufklärungsunterrichts in den Schulen scheint ihn auch als Person wirklich in Rage gebracht zu haben. Mit Bezug auf die verwendeten Materialien meinte er dazu: „Ich darf jetzt hier kurz noch auf eine zweite Erscheinung hinweisen. Das ist das Umsichgreifen einer Literatur, die als das Niedrigste bezeichnen werden muss … es auch unter den Literaten Schmutzfinken gibt und dass es unter den Literaten auch Leute gibt, die den Saustall mit dem Studierzimmer verwechseln …“422 Dann erklärte auch noch dazu: „Was uns mit Besorgnis erfüllen muss, ist der Umstand, dass solches Gelichter über den Rahmen des Bordells und der Herrenabende hinaus sich Geltung zu verschaffen vermag. Und was uns mit Entrüstung erfüllen muss ist, dass die Behörden selbst dann, wenn sie … auf die Gefahren einer solchen Literatur aufmerksam gemacht werden, nicht gegen die Schweineliteraten, sondern gegen die Jugend auftreten … Wir sehen also in Wien, wie sich hier auf dem Gebiete des Sittenlebens der Bewohner unserer Stadt…ein Unglück …erweist!“423

Die türkis getupfte christschwarze Partei auch, was die Bildungspolitik betrifft, in den Schlapfen des Leopold Kunschak, wie allein schon ihr und nicht einziger Kampf für das Aufhängen christlicher Symbole etwa …

Was Lehrerpostenbesetzungen betraf gab der Wiener Landesvorsitzende unumwunden zu von Zeit zu Zeit mit der SDAP und Glöckel Kompromisse schließen zu müssen. „Und dann müssen wir uns halt hinsetzen und miteinander beraten, wie wir möglichst viel herausbringen und dann muss zunächst mein Freund Rummelhardt anfangen rechtzeitig zu packeln und von langer Hand her mit dem Glöckel, mit dem Speiser zu reden. Und während der Verhandlungen sollen wir den Herrn Glöckel im Stadtschulrate abohrfeigen und im Gemeinderate den Herrn Speiser? Halten Sie das für möglich, ich glaube das geht nicht!“427

„Zu packeln“, um „möglichst viel herausbringen“ … Auch das hat sich nicht verändert, seit damals. Das „Packeln“ nicht beschränkt allein auf „Lehrerpostenbesetzungen“ …

Etwas hat sich doch verändert. Während Leopold Kunschak noch meinte, er glaube, das geht nicht, „Herrn Glöckel im Stadtschulrate abohrfeigen und im Gemeinderate den Herrn Speiser“, ist für einen Nationalratspräsidenten-Nachfolger von ihm eine vorstellbare Lösung, einer Frau eine aufzulegen, zumal diese doch selbst danach …

Übrigens, Otto Glöckel war u.v.a.m. bereits dafür, die Gesamtschule einzuführen. Glöckel war eben kein christlichsozialer Parteipolitiker … Markus Benesch gibt in seiner Dissertation zwar an, daß Otto Glöckel bis 1934 Stadtschulratspräsident war, aber er verrät nicht mehr, was ihm 1934 geschah; Otto Glöckel wurde 1934 im christlichsozialen Anhaltelager Wöllersdorf inhaftiert … und verstarb im Jahr darauf.

Auch nur nebenher: 1897 verlor Otto Glöckel, der sich gegen die „Diskriminierung von sozialdemokratischen Junglehrern“ einsetzte, wegen seiner Weltanschauung seine Arbeit; er wurde von Karl Lueger aus dem Schuldienst entlassen …

Was sind seit dem die Veränderungen?

Denken Sie dabei auch an die Medienarbeit. Wie Sie zurzeit praktiziert wird. Das Damalige, einfach wie kurz gesagt, als Anleitung:

Beim Thema Medienarbeit wurde erneut deutlich wie gespannt das Verhältnis der Christlichsozialen Partei zu den freien Printmedien war. Die Bezirkspartei Alsergrund ging dabei am Weitesten und forderte in einem eigens eingebrachten Antrag eine Revision des 523 Protokoll Parteitag 1926, erster Tag, S.48 524 Protokoll Parteitag 1926, erster Tag, S.54 525 Protokoll Parteitag 1926, erster Tag, S.54 225 Pressegesetzes durch die die Konfiszierung von Medien vereinfacht werden sollte. […] „Wir haben Blätter, die uns wertvolle, außerordentlich dankenswerte Dienste leisten, die aber bei jeder Gelegenheit bereit sind zuzugeben, dass sie keine Parteiblätter sind … Was eine grosse Partei braucht sind ist eine Presse, die nichts anderes kennt und tut, als die Ziele der Partei zu verfolgen.

Es ließen sich – wer die Muße dafür hat, möge dies tun – wohl noch weitere Beispiele aus der Geschichte der christlichsozialen Partei, wie sie Markus Benesch in seiner Dissertation niederlegte, ziehen, für die Beantwortung der zentralen Frage, was sind seit dem über den Wechsel der Farbe hinaus Veränderungen …