Schützens Trost

Wir hörten …
Die bezwingende Schönheit der Regerschen Musik begeisterte uns neuerdings in einem Konzert der Prager Deutschen Philharmoniker zu Ehren des Meisters unter Josef Keilberth. Die schöne Feier begann mit der Suite im alten Stil, dann spielte Franz Schütz auf der Orgel die Choralphantasie „Alle Menschen müssen sterben“.

Dieses Opus zeigt in eindrucksvoller mächtiger Weise die hohe Musikalität Regers, und seine Bedeutung für die Orgelnmusik. Franz Schütz erwies sich wieder als souveräner Beherrscher seines Instruments. Den Abschluß des Gedenkkonzertes, das anläßlich des bevorstehenden Geburtstages Max Regers, stattfand, bildete die Aufführung der Fuge über ein Thema von Mozart op. 132. Keilberth und seine Prager Philharmoniker konnten für langanhaltenden Beifall danken. Kammersängerin Frida Leider, deren Kunst wir von der Oper her schätzen, konnten wir diesmal im Konzertsaal begrüßen, wo sie Lieder von Mozart, Schumann und Brahms in meisterhafter Weise zum Vortrag brachte. Der Liederabend wurde durch das tiefe Einfühlungsvermögen der berühmten Sängerin, die sich in Wien einen großen Freundeskreis geschaffen hat, zu einem besonderen Genuß. Sebastian Beschko zeigte als Begleiter am Flügel großes Können. R. Peterca-Ferrari.

Und auf derselben Seite, gar so passend —

Akrobat schö—ö—n
Im Ronacher
„Wer trotz schwerer Zeit und Krieg lacht, dient schließlich auch dem Sieg!“ So oder so ähnlich plädiert Oskar Paulig im Maiprogramm über das Lachen. Wenn er recht hat, dann muß jeder einmal im Mai zu Ronacher. Denn zu lachen gibt´s am laufenden Band. Das Feld beherrscht Charlie Rivels, dessen komisch-seelenvolles „Akrobat schö—ö—n!“ wir mittlerweile ja vom Film her kennen. Charlie am Trapez, tolpatschig, aber im rechten Augenblick ganz Akrobat […]

„Kleine Volks-Zeitung“, 10. Mai 1944 — Oskar Paulig war fleißig unterwegs, von Innsbruck bis …

Paulis wieder in Innsbruck
Zur heutigen Veranstaltung im Stadtsaal
Ein frohes Wiedersehen mit Oskar Paulig und seiner Künstlertruppe vermittelt am heutigen Abend die NS.-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“. Vor dreieinhalb Jahren, im November 1938, gastierte dieser bekannte Humorist in Innsbruck. Damals war es ebensfalls die NS.-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“, welche in Gemeinschaft mit dem Reichssender Wien unter dem Motto „Musik und Frohsinn“ einen bunten Abend veranstaltete, welcher über den Rundfunk von Innsbruck aus übertragen wurde. Der von Humor direkt übersprudelnde und immer neue Lachstürme erzeugende Vermittler dieses Programms war Oskar Paulig. Jeder Frühaufsteher wird sich auch noch gerne mit einem inneren Schmunzeln an den lustigen Morgenwecker des Reichssenders Wien erinnern, der es so gut verstand, selbst diejenigen, welche mit dem linken Fuß aufgestanden waren, eine frohe Stimmung für ihr Tageswerk mit auf den Weg zu geben.

„Innsbrucker Nachrichten“ („Körperschaft: Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Erschienen: Innsbruck, NS-Gauverlag Tirol-Vorarlberg.“ Vorgängerin der „Tiroler Tageszeitung“), 9. Mai 1942 —

In diesen Jahren mit froher Stimmung zum Tageswerk des Todes mit dem Wecker Paulig —

So also wird in den Jahren des Massenmordens geschwärmt. Von Wien bis … Und wieder ist Franz Schütz dabei, erweist sich Schütz wieder als Beherrscher des Trostes in schweren Zeiten:

„Alle Menschen müssen sterben“.

Trost, oder Befehl.

Ein auf der Orgel gespielter Gesinnungsbefehl: „Alle Menschen müssen sterben“.

Trost als Befehl.

Eines Schützen orgelaufgespielter Wirfolgendirführerbefiehl im Troste der Auferstehung, wie seines Freundes verkündetes Zutrauen in die Vorsehung, dem Tode folgt die Auferstehung

Befehl als Trost.

Wie viele haben gerade, kaum ein Jahr später, Trost im Befehl gefunden, nichts anderes getan zu haben, als Befehlen, oh, segensreicher Trost, gehorcht zu haben – eine Pflicht, die ihnen lange, lange, lange noch zum Trost ward.

Und sie wurden „aber im rechten Augenblick ganz Akrobat“, was für eine Tanzakrobatik führten sie dabei auf, mit der sie allen zeigen wollten, was sie nicht gewesen sind, was für akrobatisch verdrehte Figuren führten sie vor, wie verrenkten sie ihre Glieder, um endlich alle zu überzeugen, was sie nicht waren; so bauten sie sich schnell die Brücke, unter der alles, was war, im Zeitstrom ertrank, und tief in den Schlammboden versank, im Schlamm vergraben, so daß von der Brücke aus, die ihnen rasch gebaut ward, nicht mehr zu sehen war, was war, und was sie und mit ihnen alle noch sahen, war der Brückenboden, auf dem sie tanzten, und alle, die ihnen dabei zusahen, entzückt ausriefen, immer noch ausrufen: „Akrobat schö-ö-n“ —

Es kam schon vor, daß der eine oder die andere verzagte, ihnen der Bau der Brücke zu langsam, sie zu ungeduldig der Brückenfertigstellung harrten, und sie selbst in den Tod gingen. Aber auch für sie gibt es eine Auferstehung, wie etwa für des Schützens Freund, den „Die Furche“ auferstehen ließ, fünfzig Jahre nach seinem Tod. Eine berufenere Zeitung für eine Auferstehung als eine katholische kann es nicht geben.

Ein Opfer der Entnazifizierung?
Der verfemte und vergessene Dirigent Oswald Kabasta wurde vor 100 Jahren geboren
Drei Jahre später wurde er zum Chef der Münchner Philharmoniker und Generalmusikdirektor der bayrischen Hauptstadt ernannt. Man sagte ihm ein Naheverhältnis zur NSDAP nach. Doch konnte bis heute kein Beweis für eine Parteimitgliedschaft gefunden werden. Nach Kriegsende erhielt Kabasta Auftrittsverbot, verlor seine Stellung bei den Münchner Philharmonikern, und damit auch seine Existenzgrundlage. Eine schwere Krankheit kam hinzu, manch alter Freund wollte ihn nicht mehr kennen. Am 6. Februar 1946 setzte er in Kufstein seinem Leben ein Ende. Seine Gattin folgte ihm ein halbes Jahr später. Aus zeitgenössischen Berichten und persönlichen Erinnerungen ergiebt sich das Bild einer faszinierenden Persönlichkeit. Kabasta war ein kompromißloser Arbeiter, der Neuerungen höchst aufgeschlossen war. In Wien dirigierte er die Uraufführung von Franz Schmidts „Buch mit den sieben Siegeln“, in Graz hatte er die Kritiker mit allzu modernen Kompositionen von Paul Hindemith verschreckt. Heute ist Kabasta fast vergessen. Das sollte sich aber bald ändern. Denn in Mistelbach fand heuer schon zum zweiten Mal ein Kabasta-Symposium statt. Und der Verlag „Vom Pasqualati.Haus“ hat eine CD mit der „Eroica“ und Schuberts Fünfter herausgebracht. (Zu beziehen beim Kulturamt Mistelbach) Aus dem stillen Gedenken, das Kabasta sich in seinem Abschiedsbrief wünschte, könnte bald wieder allgemeine Anerkennung werden.

„Die Furche“, Christa Höller, 19. Dezember 1996.

Von welcher Zeit wird in der „Furche“ geschrieben, als „er die Kritiker mit allzu modernen Kompositionen von Paul Hindemith verschreckt“?

Von der Zeit ab 1938 jedenfalls nicht. Denn zu dieser Zeit gab es schon längst das Aufführungsverbot der Musik von Hindemith im zwölfewigjährigen deutschen und im siebenewig wütenden österreich.

Christa Höller wird sich dabei wohl auf 1929, vielleicht auch noch auf 1930 beziehen, als Kabasta mit Hindemith „die Kritiker verschreckte. „Die Kritiker“ – alle Kritiker? Bei weitem nicht. Davon sollte doch in einem eigenen Kapitel erzählt werden. Geht es in diesem ja nicht um Kabasta, sondern um Schützens Trost, der im Anfang des siebenewigjährigen österdeutschreiches unter Kabasta war und gespendet wurde durch siebenewige Jahre hindurch, bis zum Ende, das der Anfang war zum Schützens eigenen Trost.

Es würde Franz Schütz wohl recht zufriedenstellen, er es als gar tröstende Worte empfinden, die die Stadt Wien als Service für ihn geschrieben, könnte auch er diese im November 2022 lesen —

Studierte bei Franz Schmidt an der Musikakademie, an der er bereits ab 1919 lehrte (ao. Prof. für Orgel 1929). 1938 wurde Schütz Rektor der Musikakademie und war mit der Umorganisation zur „Reichshochschule für Musik und darstellende Kunst“ betraut (Pensionierung 1945). Er ist Widmungsträger zahlreicher Orgelwerke Franz Schmidts.

Mit einer „Umorganisation betraut zu werden“, eine ehrenvollere Aufgabe für einen unverfälschten kann es doch kaum …