Ginge wer daran ein Logo für Tradition zu entwerfen; dieses wäre ohne lange Überlegung sogleich fertig. Liegt es doch in jeder Lade bereit. Kein anderer Gegenstand macht Tradition besser kenntlich, als das Messer. Als eine Waffe also.

Aber jene, die gerade und vor allem zur Zeit in Österreich besonders die Tradition beschwören, alle Entwicklungen zugunsten der Tradition mit aller Gewalt rückgängig machen wollen, die Tradition zur totalen Leitkultur der Gesellschaft machen wollen, ihnen die Tradition das Leitwesen und also Leidwesen der Gemeinschaft wieder sein soll, würden das Messer als das Logo der Tradition nicht abnehmen.
Denn. Zu offensichtlich und soher zu unbrauchbar wäre es ihnen als Werbung für ihre Tradition. Sie wollen Tradition lieblich beworben wissen, und sie bewerben Tradition lieblich. Vorwiegend kleiden sie Tradition in schmucke Trachten. Wer aber durch die Tracht hindurchsieht, sieht das Knochengerippe der Tradition, und das Skelett der Tradition besteht aus blutigen Messern. Freilich ganz verbergen können sie es menschgemäß nicht, daß zur Tradition das Messer gehört, ist doch die Männertracht erst vollständige Männertracht mit einem eingesteckten Messer in der kurzen Hose.
Wer aber durch die Männertracht hindurchsieht, sieht das bloße Männergerippe, das aus blutigen Messern besteht, das von blutigen Messern zusammengehalten wird.
Es ist freilich nicht nur eine österreichische Tradition, es ist eine europäische Tradition des Mannes, der auch Frauen frönen.
Davon erzählt beispielsweise so eindrucksvoll wie bitter
„Die Ballade vom Zuchthause zu Reading von C.3.3.“ in Memoriam C.T.W., weiland Reiter in …“
geschrieben 1897, also vor einhundertzweiundzwanzig Jahren.
„Doch wer ein Messer dazu nimmt,
macht die Körper am schnellsten kalt.“
Die Ballade erzählt von dem Mord an einer Frau durch einen Mann.
„Er trug nicht mehr den roten Rock,
denn Blut und Wein sind rot;
die klebten an des Mannes Hand,
als man ihn bei der Toten fand.
Das arme Weib, das er geliebt,
im Bett schlug er sie tot.
So mordet jeder was er liebt.“
Blutig und seltsam ist des Mannes Liebe. Gefangen in dieser Tradition ist es ihm verwehrt, Liebe anders als blutig zu leben.

Gerade in Österreich mit seinen vorwiegend weiblichen Mordopfern scheint die Scholle flächendeckend mit dieser Tradition gedüngt zu sein und ihren Geruch landesweit auszuströmen, der auch auf Männer, die eben erst nach Österreich gekommen sind, eine sofort betäubende Wirkung hat, und sie augenblicklich dazu bringt, das Messer vor allem gegen Frauen tödlich zu führen, geradeso, als flüsterte der aus diesem Geruch gespeiste österreichische Traditionswind ihnen, das Messer gegen die Frau ist die bestandene Integrationsprüfung.
Nun gibt, beginnend bereits mit 18, es das große Erstaunen, es werden in Österreich mehr Frauen als Männer getötet.
Wie seltsam es in Österreich zugeht. Alle wollen sich an die Zeit vor 45 erinnern, von allen wird eingemahnt, sich an die Zeit vor 45 erinnern, aber die Erinnerung an die Zeit nach 45 ist auszulöschen.

Blutig und seltsam ist des Mannes Glück. Gefangen in dieser Tradition ist es ihm verwehrt, Glück anders als blutig zu leben.
Dabei gibt es doch keinen Grund, erstaunt zu sein. Ein paar Stichproben genügen. 1980 beispielsweise wie zur Zeit. 1982 war vielleicht ein besonderes Jahr, in bezug auf Morde die vollendete Gleichstellung von Mann und Frau, gleich viele weibliche und männliche Tötungsopfer. 2001 ist vielleicht auch ein besonderes Jahr, in bezug auf die Kriminalstatistik, denn es fehlt eine Opferstatistik nach geschlechtlicher Zuordnung. Zur Zeit also der türkis-blauen Regierung, um genau zu sein: zur Zeit als das Türkise noch schwarz war oder das Schwarze ohne türkise Übermalung …
Das sind nur Stichproben. Zu dunkel wohl wäre es, Jahr für Jahr seit 45 durchzugehen, auch zu schauen, wie oft in diesen Jahrzehnten wurden schon entsprechende Diskussionen eingefordert …
Und nicht, um eine Stichprobe noch zu bringen, anders ging es vor 1980 in Österreich zu. Hieß es doch damals nicht von ungefähr:
Willst du deines Lebens dir sicher sein, fliehe
Rasch aus Deiner Familie in die Welt hinein.
Das war damals vielleicht jungblöde dahergesagt. Aber die Schlagzeilen der 70er Jahre lassen die Blödheit doch entschuldigen. Und es war auch damals ein nicht zu ignorierendes Thema, eines, an dem es kein Vorbeikommen gab, auch im österreichischen Parlament. Ein Zitat dazu aus der 88. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich aus dem Jahr 1978 macht das einfach wie kurz verständlich:
„Das ist ja sehr beachtlich, meine Damen und Herren, denn es ist nicht das erste Mal, daß die Zahl der Verbrechen nach der Anzeigenstatistik sinkt; noch dazu, wo der verstärkte Inbegriff der Kriminalität, nämlich die Verbrechen gegen Leib und Leben, um über 26 Prozent gesunken sind. Das sollte man doch sagen, denn diese Delikte, diese großen Verbrechen sind ja vor allem dazu angetan, ein Unsicherheitsgefühl, Furcht und Angst zu erwecken. Wobei ich aber meine -ich kann also nicht auf alles eingehen -, daß hier vor allem auch die Täter- und Opferbeziehungen eine Rolle spielen. Denn gerade bei diesen schweren Verbrechen, bei diesen Blutverbrechen spielen Verwandtschaftsverhältnisse, Bekanntschaftsverhältnisse, Freundschaftsverhältnisse, AutoritätsverhäItnisse eine überwiegende Rolle. Es hätte der Täter nie eine andere Person zu Schaden gebracht, ermordet, wenn er nicht in diesem Verhältnis zum Opfer gestanden wäre. Auch das wäre eine Abhandlung, die eine eigene Diskussion erfordern würde.“
Das sagt vor 41 Jahren Abgeordneter Thalhammer von der SPÖ. Verhältnis Täter (in diesem Fall darf, mehr, muß es ungegendert bleiben) und Opfer: „eine eigene Diskussion erfordern würde“.
Was gibt es 41 Jahre später?
„Unsicherheitsgefühl, Furcht und Angst zu erwecken.“
Gerade dazu kann ein Zitat aus dieser 88. Sitzung eines Mannes aus der FPÖ nicht fehlen. Damals war es Dr. Otto Scrinzi, der spricht, wie es von Freiheitlichen auch Menschen kennen, die lange nach 1978 geboren wurden:
„Sie haben ja selber Umfragen zitiert, und wir haben vergangenes Jahr eine gesamtösterreichische Umfrage zitieren können, die noch negativer war und worin die Frage der persönlichen Sicherheit nach den Verkehrsunfällen den zweiten Rang eingenommen hat. Sie werden also nicht bestreiten können, daß eine Diskrepanz besteht, daß sich der Bürger und insbesondere bestimmte Gruppen – ich denke hier an die alten Menschen in diesem Lande – extrem gefährdet fühlen. Wir Abgeordnete wissen das alle aus Zuschriften. Wir wissen das aus den Darstellungen der Presse: die alleinstehenden alten Frauen, die zahlreichen
Verbrechen gegen alte Rentner, Verbrechen mit Todesfolge, zahlreiche Raubüberfälle, und so weiter. Nun pfropft sich dieser Entwicklung – ich gebe zu, zum Teil durch mangelnde Information, zum Teil auch durch Fehlinformation, auch das
sei zugegeben, aber doch nicht ganz ohne auch sehr rationale Gründe -, dieser Entwicklung, die nicht den einzelnen Bürger in diesem Land zunehmend bedroht, das Gefühl einer Tendenz zu Liberalisierung und Humanisierung in der Strafjustiz und im Strafvollzug auf. Geld, dafür können Steuermittel aufgewendet werden! Weil früher von der Unterbringung in Haftanstalten die Rede war : Ich behaupte und könnte es beweisen, daß in vielen Kasernen die Unterbringungsmöglichkeiten der jungen Präsenzdiener schlechter sind als in machen Haftanstalten. In manchen Altersheimen ist die Betreuung von Pfleglingen schlechter, als wir sie heute in bestimmten Bereichen des Strafvollzuges haben. Ich glaube also, es muß der Bevölkerung durch Taten, durch konkludente Handlungen die Überzeugung gegeben werden, daß ihre Sicherheit Vorrang vor diesen Experimenten und vor diesen Modellversuchen hat, daß sie diesem Experimentieren nicht einfach ausgeliefert ist, wie in machen Bereichen die armen Schulkinder. Auch tragen gewisse unverständliche Urteile dazu bei , das Unsicherheitsgefühl des einzelnen Bürgers zu verstärken. Ich vertrete den Standpunkt – das muß ich vorausschicken -, daß eine gefährliche Bedrohung des Rechtsstaates die Urteilsschelte ist, zu der sich Hinz und Kunz ohne einschlägige Kenntnisse, vielfach leider auch manche Presseberichterstatter, bemüßigt fühlen. Wir sollen an der Unabhängigkeit der Rechtsprechung nicht rütteln. Es geht mir hier darum, zu motivieren, warum noch in vielen Menschen das Gefühl entsteht, wir nähmen es nicht mehr ganz so ernst mit der Verbrechensbekämpfung. Ich will damit nicht sagen, daß all das absolut vermeidbar ist. Natürlich bedeutet ein auf Resozialisation ausgerichteter Strafvollzug eine Erhöhung des Risikos, aber umgekehrt entsteht in der Bevölkerung einfach der Eindruck, daß dieses Risiko zu groß ist, daß es unzulässig ist, dieses Risiko auf die Bevölkerung abzuwälzen. Man muß vielmehr die resozialisierenden Maßnahmen den Möglichkeiten anpassen, und dabei muß nach wie vor die Sicherheit der Bevölkerung draußen Vorrang haben. Meine Damen und Herren! Ich wollte aus freiheitlicher Sicht sagen, daß es falsch wäre, uns an Hand von unkritisch übernommenen, nebenbei am Anfang falschen Zahlen vorspiegeln zu wollen, wir lebten in einem Paradies von Sicherheit. Davon kann gar keine Rede sein. Wir glauben, daß die Anstrengungen, die wir im Interesse der Sicherheit der österreichischen Bevölkerung machen müssen, keineswegs ausreichen, daß auch die Möglichkeiten, die wir bei einem richtigen Abwägen und Gewichten feststellen können, keineswegs erschöpft sind. Wir warnen davor, daß man aus einer Ideologie heraus ein utopisches Bild hinsichtlich der Möglichkeiten, die wir mit den Maßnahmen des modernen Strafvollzuges und dergleichen haben, entwirft, weil die Wirklichkeit anders ist. Ich glaube also , nach wie vor muß die
Strafrechtspflege im Bereiche der Gesetzgebung, in der Strafjustiz und im -vollzug von folgender Zielsetzung getragen werden: Wir wollen maximale Rechtssicherheit und maximale Gerechtigkeit! (Beifall bei der FP Ö.) „

Vor 41 Jahren. Ein Zitat noch, und zwar eines von einem schwarzen Abgeordneten. Von Herrn Frodl. Als wäre 78 18 oder 18 78 oder in Österreich die Zeit stillgestanden seit 41 Jahren und es nur eine Bewegung gegeben hätte, nämlich die, die erforderlichen Diskussionen in ein schwarzes Loch zu schmeißen, in einem schwarzen Loch verschwinden zu lassen, aus dem sie nie wieder …
„Ich weiß nicht genau. Ich bin kein Wiener und bin nur fallweise hier. Ich wohne bei einer Familie, die überhaupt nicht politisch denkt, die aber folgenden Eindruck über die Sicherheit bei uns im Lande hat , und zwar sagen die Frau und der Mann: Am Abend gehen wir gar nicht mehr hinaus! Da trauen wir uns nicht auf die Straße! Die sagen das nicht mir zuliebe, weil ich das vielleicht eventuell gern hören könnte – ich höre das aber gar nicht gern! -, sondern die gehen aus Angst am Abend prinzipiell nicht auf die Straße. Und wenn man den „Kurier“ von gestern liest, muß man ja doch sagen: Ganz so großartig ist es mit unserer Sicherheit nicht. Eine ganze Reihe von 21 Frauen, welche ermordet worden waren […]“
Tradition ist nicht bloß harmloser Stillstand, Tradition ist blutig, Tradition ist tödlich, und Tradition ist Zuchthaus. Das Zuhause ist ein Zuchthaus. Das Zuchthaus das Zuhause. Wie viele Frauen werden in diesem Land zuhause von Männern geschlagen, also gezüchtigt? Von Männern, die sagen, sie lieben „ihre“ Frauen, die Zuchtschläge schmerzen sie, klagen die Männer, mehr als „ihren“ Frauen, die sie doch lieben.
Blutig und seltsam ist des Mannes Liebe. Und wenn die Frau blau geschlagen, geht es zum traditionellen Frühschoppen in der traditionellen Tracht mit dem Messer in der Hose. Zuhause zurück bleiben die gezüchtigten Frauen und Kinder, und im Wirtshaus erzählen die Männer von „ihrer“ Liebe zu Frau und Kind und von „ihrer“ türkisheilen Familienwelt.
Die Übersetzung der Ballade über den mordenden Reiter, die hier herangezogen wurde, ist von Wilhelm Schölermann, aus dem Jahr 1903. Vor 116 Jahren schreibt Schölermann in seiner Vorbemerkung über den Balladendichter:
„Darin liegt neben seinem poetischen Gehalt das Bedeutsame und Zeitgemässe in diesem Vermächtnis eines vielleicht kranken, aber starken Geistes.“
Weshalb erscheint Schölermann der Dichter ein kranker Geist zu sein? Er kann sich dabei nur darauf beziehen, daß der Dichter homosexuell war, weswegen er im Zuchthaus zu Reading eingekerkert wurde, wo auch der Reitermörder einsaß und gehängt ward.

Wenn es je zu den erforderlichen Diskussionen kommen sollte, in Österreich, also zu breiten Diskussionen, die zur Zeit unter einen solchen Regierung je nicht zu erwarten sind, wäre auch dieser Aspekt zu berücksichtigen, um das Gesamtbild des Mannes in dieser Tradition …
Denn. Auch hierin wird Tradition gelebt. Und Homosexualität als Krankheit zu sehen, ist nicht die zweite Seite einer Medaille, sondern das alles ist auf ein und derselben Seite des Mannbildes dieser blutigen Tradition.
Es gibt in einer österreichischen Fernsehanstalt eine Witzesendung, um das oben gemeinte anschaulich zu machen, die von einem Kabarettisten moderiert wird. In die vorgestrige Sendung ist ein Mann eingeladen, von dem gesagt wird, er sei Kabarettist im Nebenerwerb, und der den hier nacherzählten Witz von sich gibt.
Ein Mann kommt zum Arzt und erzählt ihm, er liebe ein Pferd körperlich. Auf die Frage des Arztes, ob das Pferd eine Stute sei, ist die Antwort von dem Mann, selbstverständlich eine Stute, er sei doch nicht pervers.
Es wird sogleich losgeprustet, viel über den Witz gelacht, der Kabarettistenmoderater lacht, seine Mitwitzerzählerinnen lachen, das Publikum lacht, und die Seidl Bier krügerlweis …
In keiner Witzesendung hingegen fallen die Äußerungen aus den Regierungsparteienkreisen und schon gar nicht sind diese Äußerungen als Witze gedacht, auch wenn das Gedachte als ein einzig langer, überlanger Witz …
Es läßt sich darauf keine endgültige Antwort finden. Ob in diesem Studio alle Tradition leben oder alle Zeitgenossen und Zeitgenossinnen von Schölermann sind. Denn. Vor einhundertundsechzehn Jahren, so die Vorstellung von einem Menschen, der damals nicht lebte, konnte das vielleicht als ein Witz durchgehen, gar als ein Witz mit Lach- und Prustpotential …
Lachhaft hingegen, einhundertsechzehn Jahre später, ist tatsächlich ein Waffengesetz, das nun bestimmten Menschen, das heißt vor allem Männern, Messer verbietet, an dem ein Mann mitschrieb, dem aufgrund seines Frauenbildes alles Spitze abgenommen werden müßte, da es keine Sicherheit gibt, wie weit eine sogenannte Selbstradikalisierung gehen kann, wenngleich in seinem hohen Alter aufgrund nachlassender körperlicher Kräfte die Gefahr gering erscheinen mag …

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