„Es herrscht absolute Meinungsfreiheit: Jeder darf denken, sagen und posten, was er will. Oder doch nicht? Permanentes Moralisieren von links hat die Gesprächskultur schwer beschädigt, findet Rosemarie Schwaiger. Der Kampf für eine tolerante Welt wird mit maximaler Intoleranz geführt.“
Dieser Artikel im Nachrichtenmagazin „Profil“ in seiner Ausgabe vom 25. August 2019 eignet sich hervorragend dafür, ohne aber deshalb gleich eine Fürrede für „Political Correctness“ zu sein, vor allem Medien zuzurufen: Factical Correctness tut not.
Es mag sich durchaus ein treffender Begriff finden lassen, aber zum Zwecke der Verdeutlichung eignet die von Political Correctness (Politische Korrektheit) abgeleitete Factical Correctness (mit Faktenkorrektheit übersetzbar) allemal.
Rosemarie Schwaiger liefert einen Artikel, der für eine Diskussion über die sogenannte Political Correctness untauglich ist, weil die von ihr angeführten Beispiele, die ihre Argumentation (treffender wohl ihr „Moralisieren“) stützen sollen, Faktenkorrektheit vermissen lassen.
Schwaiger führt als Beispiel an: die Debatte um das „Binnen-I“ und die Unterzeichnung eines „offenen Briefs, der sich gegen den ‚Wildwuchs‘ beim Gendern aussprach und eine ‚Rückkehr zur sprachlichen Normalität‘ forderte.“ Zusammenfassend hierzu schreibt Schwaiger: „In der Folge erschienen Medienberichte, die einige Initiatoren des offenen Briefs in die Nähe von sehr rechtem Gedankengut rückten. Diffamierung der Kritiker ist keine unübliche Strafe für abweichlerisches Verhalten.“
Korrekt daran ist, daß Rosemarie Schwaiger nicht von Initiatorinnen schreibt. Wer waren die „Initiatoren“?
Heinz Mayer bestätigt die Notwendigkeit der Binnen-I-Schreibung – Teil 6 der Komödie in Fortsetzung
Nicht besser bestellt ist es um ein weiteres von Rosemarie Schwaiger angeführtes Beispiel. Sie schreibt:
„Der unbedingte Einsatz für Toleranz kann einen Menschen offenbar ziemlich intolerant machen. Eine besondere Posse lieferte die steirische SPÖ bei der diesjährigen Feier zum 1. Mai: Die zur Beschallung des Grazer Hauptplatzes engagierte Band hatte einen Song von Andreas Gabalier angestimmt; dem Vernehmen nach soll es sich um das Opus ‚Hulapalu‘ gehandelt haben. Weil Gabalier die Bundeshymne grundsätzlich ohne die ‚großen Töchter‘ singt und auch sonst dem gesellschaftlichen Fortschritt im Weg steht, missfiel das Liedgut der anwesenden SPÖ-Prominenz. Landesrätin Doris Kampus enterte die Bühne und erwirkte eine sofortige Änderung des Repertoires. Bei allem Verständnis für unterschiedliche persönliche Vorlieben: Das ist nicht mehr Politik, sondern Voodoo. Es war Glück für die SPÖ, dass die Gegenseite noch schräger drauf ist. Gabalier revanchierte sich, indem er die Verbannung seiner Werke als ‚Faschismus in reinster Form‘ bezeichnete. Harald Schmidt hätte an dieser Auseinandersetzung sicher seine Freude gehabt.“
Nun. Wie war das tatsächlich? Auch dazu gibt es ein Kapitel:
Ein Wurlitzer ist kein Künstler, eine Jukebox keine Künstlerin …
Auch dieses Beispiel von Rosemarie Schwaiger zeichnet sich nicht durch Faktenkorrektheit aus. Aber mit diesem Beispiel kann sie, wie gelesen werden kann, immerhin mit dem Mann, der sich zwar korrekt zu seiner Person, aber nicht zu Fakten verhält, um das Amt der Bundeskanzlerin rittern.
Und weil ein Name eines Gesangskameraden auf „Voodoo“ sich reimt, kann nicht vermieden werden, auf noch ein Kapitel hinzuweisen, das einiges von diesem Sänger erzählt, von dem Schwaiger meint, er würde „dem gesellschaftlichen Fortschritt“… aber wie kann einer, der keine Meinung hat, je „im Weg“ stehen?
Für ihr Argumentieren bemüht Rosemarie Schwaiger auch die USA als Beispiel, freilich ohne damit …
„In den USA agiert die Rede- und Denkpolizei noch deutlich restriktiver als in Europa – und gewählt haben die Bürger bekanntlich den Grobian Donald Trump.“
Wer diesen schwaigerischen Satz liest, soll wohl beabsichtigterweise lesen, die „Bürger“ hätten Donald Trump zum Präsidenten gewählt. Freilich gaben nicht wenige Menschen dem „Grobian“ ihre Wahlstimme, aber zum Präsidenten wurde der „Grobian“ nicht von den Bürgerinnen gewählt, das amerikanische Wahlrecht erst machte den „Grobian“ zum Präsidenten. Nur mit den Stimmen der Bürger und Bürgerinnen allein wäre er geblieben, kurz gesagt, was er war und trotz seines jetzigen Amtes im Grunde weiter ist. Das Wahlrecht erst ermöglichte es dem „Grobian“, daß er trotz Minderheit an Stimmen …
Und dann ihr Beispiel mit dem Buch von Susanne Wiesinger. Gerade auch der mediale Trubel um diese Lehrerin zeigt die Notwendigkeit eindringlich auf, Faktenkorrektheit einzumahnen.
Diesen Lehrer zitiert, der vielleicht in Alleen gedankenschwer wandert, wenn die Blätter treiben …
„Der Philosoph […] beobachtet die Umtriebe schon lange mit professionellem Unbehagen. Vor ein paar Monaten widmete er sich in einem Essay für die Zeitschrift ‚Addendum‘ der Frage, warum die linke Weltdeutung in gewissen Milieus so erfolgreich ist, während die Linke als politische Bewegung in vielen Ländern kaum noch eine Rolle spielt. Seine Theorie: Der linke Mainstream liefere nun das, was Karl Marx als ‚Überbauphänomen‘ bezeichnet hatte. Für [ihn] kommt der Linken heute dieselbe Bedeutung zu wie der katholischen Kirche im Mittelalter. ‚Sie befindet darüber, wer gut, wer böse und wer des Teufels ist. Und auch die Lust an inquisitorischen Verfahren, öffentlichen Denunziationen und an medienwirksamen Exkommunikationen teilt die Linke mit ihren ungeliebten Vorfahren.‘ Laut [ihm] ist der Preis für die kulturelle Hegemonie hoch: ‚Aus einer sozialen und politischen Bewegung (…) wurde eine Kampagnenkultur, die ihre Triumphe in Genderdebatten, Identitätsdiskursen, der Apologie des Kopftuchs sowie antifaschistischen, antirassistischen und antikolonialistischen Empörungsritualen fand.'“
Ein russisches Sprichwort sagt: „Ein Fischer sieht den anderen von weitem.“ Für Österreich abgewandelt: „Ein Philosoph erkennt einen Philosophen von weitem“. So kann menschgemäß der eine Philosoph seinen Essay nur bei einem anderem Philosophen veröffentlichen, der herausgebende Philosoph nur einen ihm gleichgestellten Philosophen veröffentlichen.
Weniger Faktenkorrektheit, um es abschließend kurz zusammenzufassen, sind auf zweieinhalb Seiten nicht mehr unterzukriegen. Als Kapitelüberschrift hätte soher durchaus gewählt werden können: Der vergebliche Kampf der Rosemarie Schwaiger um Factical Correctness.
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