Nach der gestrigen Bundespräsidentschaftswahl in Österreich ist wieder zu hören, es seien die Ungebildeten, die Dumpfen, die von Angst Zerfressenen, die Unreflektierten, die Geldlosen, die Leistungsnichterbringenden, die den Träger der „Nazi-Blume“ (wie die Kornblume von der Umsonst Österreich aktuell bezeichnet wird) wählten.
Aber es wählten den Kornblumenträger lediglich nach dem vorläufigen Endergebnis 35,1%. Bloße Fünfunddreißig Prozent, viel zu wenig, um ihn bereits im ersten Urnengang zum Präsidenten zu machen.
Erschreckt, erschüttert aber sind nun die Gebildeten, die Nichtdumpfen, die mit Angst Umgehenkönnenden, die Reflektierten, die Nichtarmen, die Leistungsträger nicht über die achtzig Prozent, sondern über die fünfunddreißig Prozent der Wählerinnen und Wähler … und schon wird wieder einmal darüber spekuliert, was kann man mit diesen machen? Wie können sie geführt werden? Welche Programme müssen für sie eingesetzt werden, für die 35,1%. Bildungsprogramme menschgemäß. Deren Ängste und Sorgen sich anzunehmen, ein Gebot der Stunde, sich ihrer doch zu erbarmen. Es sind ja doch Hascherln, die einer starken Führung oder, wie es neoliberal heutzutage so schön heißt, einer Steuerung bedürftig sind.
Das hier ist kein Hohelied auf die Wähler und Wählerinnen des Kornblumenträgers. Wer etwa am letzten Freitag die Abschlußkundgebung … wird sich weder am 22. Mai 2016 noch je in irgendeiner Wahl einreihen können wollen in diese Stimmzettelkreuzgemeinschaft: Kreuz bei einer bestimmten Partei heißt ausgeschrieben: „Trottel, Drecksau, Mißgeburt …
Was beispielsweise am Freitag nicht zu hören war, der Kornblumenträger sei das liebe Gesicht dieser Partei. Ständig aber kann in österreichischen Medien von diesem sympathischen Gesich des Kornblumenträgers gelesen werden, und das schreiben nicht die Ungebildeten, die Dumpfen …
Was beispielsweise am Freitag auch nicht zu hören war von den Anhängerinnen und Anhängern des Kornblumenträgers, war etwas darüber, von welcher Gesinnungsliebe die „Herzensangelegenheit“ der Kornblumenpartei ist: ihr Einstehen für Südtirol. Hierbei wenigstens herrscht Einklang beispielsweise zwischen den Menschen auf dem Abschlußkundgebungsplatz und den Menschen in den Redaktionen österreichischer Medien. Hier bilden sie einen gemeinsamen Chor des Schweigens.
Am letzten Freitag hätten sie, wenn sie über Kunst gesprochen hätten, vielleicht einen bestimmten Maler „Trottel“ genannt, aber sie hätten Menschen, die in bezug auf Kunst ein „Faible für Spezielles“ haben, nicht „Experten“ genannt. Diese wohlmeinende Bezeichnung zum Vorteil des Kornblumenträgers bleibt einer Redaktionsmannschaft vorbehalten …
Wenn am 22. Mai 2016 der Kornblumenträger es schaffen sollte, in die Hofburg einzuziehen, dann wird das vielleicht mit einem Stimmenanteil von 51 Prozent sein, vielleicht werden 52 Prozent der Wählerinnen und Wähler dafür verantwortlich sein, daß dann die Kornblumenflagge die Hofburg … Vielleicht können dann zweiundfünfzig Prozent der Wählerinnen und Wähler offen sagen oder nur still für sich sagen, sie hätten den Kornblumenträger zu ihrem Präsidenten gewählt. Im Vergleich zu den achtzig Prozent der Wähler und Wählerinnen, die jetzt schon sagen können, sie haben den Kornblumenträger zu ihrem Präsidenten gewählt … derart ungebildet, dumpf und so weiter und so fort sind also die Menschen in diesem Land, daß sie einen Kornblumenträger nicht mit achtzig Prozent Stimmenanteil zu ihrem Präsidenten wählen.
Soher kann abschließend gesagt werden, von einem Kornblumenland Österreich kann – noch nicht – gesprochen werden, aber von einem Kornblumenparlament, nicht nur deshalb, weil die dort arbeitenden Wählerinnen und Wähler einen Kornblumenträger bereits mit achtzig Prozent zu ihrem Präsidenten machten, sondern auch, wer in das Parlament eingeladen wird – gesinnungsgemäß vom Kornblumenträger – zu Vorträgen, Symposien; und das sind, wie sie neuerdings genannt werden, die „Experten“ …
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