Eine kurze Nacht aus dem Leben einer Biographin

Wie klug er wieder gesprochen hat.

Seine Biographin sagt das, ganz für sich – öffentlich wäre es eine Schmeichelei – in sich hinein, draußen im Gang einer Anstalt eines Fernsehsenders, wo sie gedankenverloren lehnt am Heizkörper, aber nicht um sich zu wärmen, in den Alpen im Herbst ist der Heizkörper kalt, gewärmt ist sie einzig und ganz und gar von den Worten des Mannes, dessen Biographie sie schreibt, autorisiert von seiner Partei, die von ihm ermächtigt.

Später dann, mit ihm allein, und sie weiß, die Frage, die sie ihm stellen wird, ist ungehörig, kritisch über die Grenze des Erlaubten hinaus, aber sie ist neugierig, möchte es einfach wissen, ob all die klugen Silben, die er mit leichter Hand dem Volke Tag für Tag zur Speise gibt, wirklich die seinen sind, in ihm allein geboren, er Vater und Mutter von allen seinen Wörtern.

Und wieder überrascht er sie, wie so oft, seit es ihr erlaubt ward, seine Biographie zu schreiben, gedankenverloren schaut er am Fenster vorbei in die Mauer, als sähe er weit in die Ferne, und gesteht ihr mit gefalteten Händen. Nein. Gar viele meiner Gedanken sind getränkt von dem Wissen der Besten, die ich in langen Nächten studiere, wenn die Lichter erloschen, das Tagwerk im Bewußtsein getan, das Tagwerk zu tun zu beginnen ist. Frank erzählt er ihr von dem Besten der Besten, dem er dienen durfte, der ihm seinen Geist gemeinnützig offenbarte, von denen er auch heute Gebrauch machen durfte.

„Ich glaube, er kann für männliche Jugendliche zur Schule der Nation werden.“

Dem Geiste will er dienen, und so war es für ihn eine Selbstverständlichkeit, seinen Besten der Besten offen zu ehren und in Treue seinen Namen auf das Plakat zu heben:

Österreich braucht seinen Kunasek!

So tief ist es ihm gegeben, seit seinem ersten Atemzuge, in seinem Geiste vorzudringen, in die Tiefe der Tiefen der Philosophie hinabzutauchen, dorthin, wo ihm die Erkenntnis gereift, was dem Lande fehlt, ist nicht eines Mannes Amt, sondern der Geist, dessen Schriften ihn selbst werden ließ, was er wurde. Wie sein Kunasek weiß nun auch er durch ihn selbst, ein Geist macht noch keinen Staat; so ist auch ihm seines Geistes Leitspruch Lebensspruch geworden: Lasset Geister um mich sein.

Wie ihm dies eine Selbstverständlichkeit, so ist es ihm auch eine Pflicht, einem weiteren seiner Besten der Besten darein zu folgen, beizutragen zur „positiven kollektiven Erinnerung an die Leistungen der …“

Später dann, allein in ihrer Wohnung, schämt sich die Biographien, fühlt sich klein, macht sich Vorwürfe, wie wenig sie doch weiß, und sie nimmt sich vor, auch die Nächte zum Studium zu nutzen, wie er, der ihr von der ersten Sekunde an zum Vorbild geronnen ward. Womit aber beginnen? Am besten mit seinem Besten von den Besten, und sie schlägt sogleich seine Schriften auf …

Kameraden

Soldateska

Sagen Sie es ruhig noch peinlicher

Bundesheer, die letzte Schule der Nation

Kahlenberg

Denkmal

Aber, auch das will er ihr nicht verhehlen, sind ihm die Tage schwer, plagen ihn Zweifel, dermaßen, daß an Arbeit nicht zu denken ist. Ist es der rechte Geist, der ihn leitet? Sobald er aber bei einem von ihm ebenfalls verehrten Geist nachschlägt, lösen sich die Zweifel augenblicklich auf, denn mit fester Hand führt in dieser in die Sicherheit, am rechten Wege zu sein.

Als ihr der Morgen graut, bewundert sie den Mann, dessen Biographie sie schreiben darf, noch mehr. Wie viele ganze Nächte musste ihr Gesegneter allein für diesen Geist opfern, um ihn zu studieren, zu verstehen, zu folgen. Und das allein nur für einen seiner Geister der Besten von den Besten. Erfüllt von dem heißen Begehren, ebenso wissensreich zu werden wie er, nimmt sie sich fest vor, schon am Abend desselben Tages den nächsten Geist sich vorzunehmen, von dem sie ahnt, dieser könnte der schwerste Brocken sein, von dem er ihr ebenfalls vorschwärmte und ihn zärtlich nannte: Der Freundliche.

Auch wenn ihr Wissen, so gesteht sie es sich ein, nicht an das seine heranreicht, es für ihn keine Schwierigkeit bedeutet, den Freundlichen zu verstehen, so weiß sie doch eines, zu oft sind gerade die Werke der Freundlichen nicht auf Anhieb zu verstehen, schreiben gerade die Freundlichen eine gar zu dunkle Prosa. Und sie findet sogleich Trost bei ihrer eigenen Schreibe. Wie einfach, wie kurz sind doch ihre Sätze, und wie stolz ist sie jedes Mal darauf, wenn Kinder zu ihr sagen, sie hätten sofort alles verstanden, sie mußten nicht einmal nachdenken, was sie …