„Wien wieder zu“

„Menasse stand zuletzt selbst in der Kritik, als er dem 1982 verstorbenen Politiker Walter Hallstein Worte in den Mund legte, die dieser so nie gesagt hatte. (red, 24.9.2020)“

Ist als letzter Satz des Artikels „Robert Menasse empfiehlt Gernot Blümel zu schweigen – Kommentar gelöscht“ in der Tageszeitung „Der Standard“ zu lesen, und unweigerlich stellt sich die Frage nach der Relevanz dieses letzten Hinweises ein.

Zuletzt? Nun, das mit Hallstein ist bald zwei Jahre her. Die Aufregung darüber. Zuletzt? Noch länger ist her, daß Menasse Hallstein „Worte in den Mund legte, die dieser so nie gesagt hatte“; nämlich über sieben Jahre. Zuletzt?

Zuletzt, wirklich zuletzt, also in den letzten Tagen des Septembers ’20 löschte die Wache des Gernot Blümel von seiner Seite auf der Plattform des Unternehmens Facebook …

Lieber Gernot Blümel, was meinen Sie mit „Wien wieder nach vorne zu bringen“? Was ist „vorne“? Wo ist dieses „vorne“? Wieso „wieder“? Das bezieht sich offenbar auf die Geschichte der Stadt – wann war Ihrer Meinung nach Wien „vorne“, und daran müsse man nun „wieder“ anschließen? Meinen Sie Zeit VOR dem roten Wien, als die Stadt einen antisemitischen Bürgermeister hatte, von dem Hitler lernte? Können Sie sich bitte konkret ausdrücken?Ich möchte Sie an Folgendes erinnern: So gut wie alles, was Wien heute so lebenswert macht und international bewundert und von den Wienern geliebt wird, hätte es mit Christdemokratischer bzw ÖVP-Regierung nicht gegeben: Gemeindebauten, sozialer Wohnbau (und dadurch immer noch einigermaßen leistbares Wohnen), denn Christdemokraten haben nie gezeigt, dass sie in Wien bauen können oder wollen, sie haben nur gezeigt, dass sie in Gemeindebauten hineinschießen, weiters: es gäbe keine Fußgängerzonen (ich erinnere mich, wie die ÖVP schon gegen die erste Fußgängerzone, am Graben, mobilisiert hat), es gäbe keine U-Bahn (ich erinnere mich, wie die ÖVP gestänkert hat, dass mit der U1 jetzt Proleten in 10 Minuten in die City kommen können…), es gäbe keine Donauinsel (ich erinnere mich, wie die ÖVP dagegen mobilisiert hat, zum Glück hilflos!), es gäbe keine UNO-City und kein Konferenz-Zentrum (die ÖVP hat ein Volksbegehren gegen Wien als Internationale Metropole gestartet), und es gäbe keine Stadterneuerung (die ÖVP wollte, dass Hauseigentümer abreißen und demolieren können, wenn es Spekulantenprofit verspricht), und und und und – und Sie, Herr Blümel, wagen es, Wien schlecht zu machen und glauben im Ernst, dafür gewählt zu werden? Sie, als Vertreter einer Partei, die, zum Glück erfolglos, die Entwicklung Wiens zu einer lebenswerten und bunten Metropole bekämpft hat, wollen Wien in ein „vorne“ bringen, das Sie selbst nicht genauer definieren können, das aber nach allen Erfahrungen mit Ihrer Partei näher beim Mittelalter ist als bei den Bedürfnissen der Zeitgenossen. Als Finanzminister wurden Sie auffällig als einer, der sechs Nullen vergisst. Dann waren Sie nicht imstande, ein EU-Formular korrekt auszufüllen. Ich empfehle Ihnen zu schweigen.Passt in diesem Fall besonders gut zu Mag. phil Blümel: Si tacuisses, philosophus mansisses.Für alle Nichtlateiner: Soll heißen: Hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben. Danke Robert Menasse!

Die Kritik von Robert Menasse zu entkräftigen, nun diese Kompetenz, auch diese hat Gernot Blümel nicht. Das Einzige, wozu er befähigt ist, ist das Losschicken seiner Löschwachmannschaft. Rührend dabei ist doch stets, daß die Löschenden im Glauben leben, was gelöscht ist, ist vom Tisch, aber das Gelöschte ist nicht vom Tisch, so bleibt auch die Kritik offen auf dem Tisch liegen, als das, was sie ist, die, kurz gesagt, zutreffende Beschreibung der ÖVP vor Gernot Blümel, mit Gernot Blümel und nach …

Weshalb also dieser letzte Satz von der Tageszeitung „Der Standard“? Eine Hilfe für den Hilflosen? Wer als Reaktion auf eine derart profunde Kritik nur das Losschicken seiner Löschwache im Programm hat, darf ein Hilfloser genannt werden. Ein Beispringen dem Hilflosen dadurch, daß auch der Kritiker in der Kritik steht, zuletzt, vor zwei Jahren wegen eines Satzes vor sieben Jahren? Der tageszeitungsliche letzte Satz als eine Empfehlung, er, Menasse, solle auch oder nur er schweigen?

Will die Tageszeitung österreichischen Standards den hilflosen Finanzminister als Freund oder zumindest nicht als Feind mit diesem ihrem letzten Satz gewinnen?

Weil. Freunde braucht Gernot Blümel keine mehr, er hat schon zu viele Freunde, sogar zu „echte Freunde“ …