Von überfälligen Pensionierungen und vom österreichischen Standard der Geschichtsdemenz

Aber etwas Positives hat das ganze Schlamassel doch gebracht: Die FPÖ ist endlich für alle sichtbar als das offenbar geworden, das sie ist: eine extreme rechtspopulistische Gruppierung, die es so bald nicht mehr in eine Bundesregierung schaffen wird. Das war bekanntlich nicht immer so. Nicht nur in der Ära Sebastian Kurz regierten die Freiheitlichen mit, schon unter Bruno Kreisky gab es kurzzeitig eine blaue Regierungsbeteiligung. Und auch dazwischen war immer wieder für die großen Volksparteien ÖVP und SPÖ die Versuchung da, es mit dem dritten Lager, das auch einen Teil des liberalen Bürgertums vertrat, zu versuchen. Damit ist es vorerst vorbei. Seit Herbert Kickl Parteichef ist, kann es sich keine im Parlament vertretene demokratische Partei mehr leisten, auch nur daran zu denken, diesen Mann zum Vizekanzler zu machen und gemeinsam mit diesem und den Seinen eines Tages eine Regierung zu bilden.

Auch dieser Absatz vom 23. Dezember 2021, schon allein, legt mehr als nahe, daß es für Barbara Coudenhove-Kalergi hoch an der Zeit ist, in Rente zu gehen. Oder, auch, aber eine ebenso dringende Möglichkeit, die Tageszeitung österreichischen Qualitätszuschnitts, leistet sich eine Angestellte, die das Geschreibe der Barbara Coudenhove-Kalergi korrigiert, ehe Ihres in Druck geht.

Ein Absatz der Fehler, oder es ist doch abgründiger, schlicht wie kurz: österreichische Geschichtsdemenz.

Es gab keine „blaue Regierungsbeteiligung unter Bruno Kreisky“, nicht einmal „kurzzeitig“. Was es gab, war eine „Minderheitsregierung unter Bruno Kreisky“ vom April 1970 bis Oktober 1971, geduldet durch die FPÖ, die sich ihre Duldung teuer abkaufen ließ, durch eine sie bevorzugende Wahlrechtsreform. Erst unter Sinowatz gab es eine „blaue Regierungsbeteiligung“, ab 1983 mit Norbert Steger als Vizekanzler, der sich im Rentenalter nicht mehr erinnert, wie liberal er war als Vizekanzler, in einer Regierung, die Franz Vranitzky 1986 sofort beendete, als Jörg Haider die FPÖ übernahm, dessen treuergebener Untergebener auch schon Herbert Kickl irgendwann bald darauf wurde …

Und auch dazwischen, so Coudenhove-Kalergi, sei von ÖVP und SPÖ die Versuchung groß gewesen, also vor der „Ära Sebastian Kurz“, mit der FPÖ es zu versuchen. Es war nicht nur eine Versuchung, sondern es wurde tatsächlich mit der FPÖ regiert. Das verschweigt Barbara Coudenhove-Kalergi. Oder es fällt ihr, einfach wie kurz gesagt, der Name Wolfgang Schüssel nicht und nicht oder nicht mehr ein. Oder es ist doch abgründiger. Es ist dabei sehr verwegen, von einer „Ära Sebastian Kurz“ zu sprechen.

Was diese Zeit mit Sebastian Kurz war, wird eines Tages vielleicht einfach wie kurz so genannt werden: „Chäta“ …

So bald, schreibt Coudenhove-Kalergi, werde die identitäre Parlamentspartei es nicht wieder in eine Bundesregierung schaffen. Es ist äußerst kurz her, und sie wäre wieder in einer Regierung gesessen, erst im Oktober 2021 wurde versucht, und dies nicht nur von ÖVP und SPÖ, sondern auch von NEOS und den Grünen, eine Regierung für den Fall der Fälle zu konstruieren, an der auch die FPÖ beteiligt …

Ein Mann, ebenfalls hoch im Rentenalter, hat erst im Oktober 2021 genau diesem Herbert K. gedankt, der ihm nun, im Dezember 2021, eine „große Belastung“ war, in dem Amt, zu dem er, der Mann im Rentenalter, ihn angelobte, ihm, dem Mann im hohen Rentenalter, erst zu „großen Belastung“ ward, durch seine Angelobung, der sich dann aber letztlich doch würdig erwies, den Dank des Mannes im hohen Rentenalter zu empfangen.