Herbert Achternbusch ist gestorben. Im zweiten Coronawinter.
Das wäre wohl etwas für ihn, Achternbusch, zum heiteren Kommentieren, wie nun von allen über ihn zu seinem Tod geschrieben wird, von den Medien des sogenannten Schunds bis hin zur Presse des sogenannten Qualitätsjournalismus:
Herbert Achternbusch kam als unehelicher Sohn einer Sportlehrerin und eines Zahntechnikers in München zur Welt und wuchs im Bayerischen Wald auf.
„Unehelicher Sohn“ — Es fehlt der Witz, es fehlt der Humor des Herbert Achternbusch, um eine solche, auch noch im Jahr 2022 verwendete Formulierung „unehelicher Sohn“ …
Was für unterschiedliche Bildungswege doch begangen werden können, der Sohn eines Zahntechnikers fand den Weg aus dem Wald heraus, ein Zahntechniker findet nur den Weg in den Wald tief hinein, findet im tiefen Wald nicht den den Sohn aus dem Wald herausführenden Weg, er vergeht sich trotz der vielen von ihm geschossenen Farbmarkierungen, die ihn nur tiefer noch in den Wald hineinführen, im Wald, er verfängt sich im Gestrüpp und kommt nicht mehr …

Ob der Sohn eines Zahntechnikers sudetendeutscher Herkunft einst den Witz und den Humor eines Herbert Achternbusch als Sohn eines Zahntechnikers haben wird, nun, vielleicht, aber doch eher nicht, wenn vor allem bedacht wird, was aus Kindern gerade in Österreich wird, die Väter haben, wie die mölzerischen, die gudenussen …
Er wird wohl eher das tun, was Kinder vor allem in Österreich tun, den Vaterle verklären, und vielleicht auch gehen in die … Und wenn, dann wohl auch unfreiwillig für Witz und Humor sorgen, wie sein Vaterle, der beim Beruf „Zahntechniker“ sofort einfällt, gerade noch und nur in Österreich noch einfällt, ein Zahntechniker, der nicht darauf warten wollte, bis sein Sohn ein Schriftsteller wird, sondern der selbst schon auch schreiben will, und damit, wie stets, auch damit unfreiwillig für das Aberwitzigste gut ist.
Nicht nur diese Ambition läßt beim Zahntechniker an den Zahntechniker sudetendeutscher Herkunft denken, sondern auch sein Einstehen für die Freiheit der Kunst, wie er diese im Burgtheater, auch im Burgtheater etwa vertrat.
Und mit der Freiheit der Kunst beim Wesentlichen endlich angelangt. In diesem Jahr ’22 die vierzigste Wiederkehr, in diesem Jahr ’22 die Feier 40 Jahre Freiheit der Kunst in Österreich. Vor vierzig Jahren, im Jahr ’82, wurde in das österreichische Staatsgrundgesetz, das zentraler Bestandteil des österreichischen Verfassungsrechts, dem Schönheit und Eleganz beschieden wird, ist, geschrieben, am 12. Mai ’82 in das österreichische Staatsgrundgesetz geschrieben:
Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre sind frei.

Nicht nur der Zahntechniker und seine Parteikameraderie halten sich an das österreichische Staatsgrundgesetz, nicht nur diesen ist die österreichische Verfaßtheit gesinnungsgemäße erste und einzige Richtschnur, sondern auch österreichischen Gerichten, die bereits nach etwa einem Jahr der staatsgrundgesetzlichen Festschreibung der Freiheit der Kunst den Film „Das Gespenst“ von Herbert Achternbusch die Freiheit zuerkannte, die ein solches Werk für sie in Österreich je nur haben kann – Einziehungsverfahren des Landesgerichtes für Strafsachen Graz zum AZ 3 b E Vr 4.128/83 … eine Freiheit, die am 19. Dezember ’85 der österreichische Oberste Gerichtshof eindrücklich bestätigt …
Tonfilm ‚Das Gespenst‘ von Herbert A*** hat durch die Darstellung des vom Kreuz herabgestiegenen Christus, der im Bett der Oberin eines Klosters gefunden wird, dadurch, daß er sich betrunken und torkelnd, rülpsend in der Klosterschenke bewegt, für Polizisten durch München geht und um Scheiße bettelt, Angst hat, seine Glaubwürdigkeit zu verlieren und dann wieder ans Kreuz muß, diese Schmerzen aber nicht tragen will, sich nicht an die von ihm eingesetzte Eucharistie erinnern kann und will und sich darüber auch abschätzig äußert und die Oberin sexuelle Beziehungen zu ihm preisgibt und (durch) weitere herabwürdigende Äußerungen über Christus Gegenstände der Verehrung der im Inland bestehenden christlichen Kirchen und deren Glaubenslehre herabgewürdigt und verspottet, wobei das Medienwerk geeignet war, berechtigtes Ärgernis zu erregen.
Daraus folgt, daß die Beschwerde den punktuell bekämpften, aber nicht isoliert deut- und auslegbaren Begründungspassagen einen den übrigen Urteilstext vernachlässigenden Sinn beilegt, der den Entscheidungsgründen, insgesamt gesehen, nicht gerecht wird. Die Beschwerdeführerin geht also nicht vom richtig verstandenen Inhalt der Urteilsgründe aus, die – ihren Einlassungen zuwider – unmißverständlich darauf hinauslaufen, es sei nicht bloß § 188 StGB besonders krass verletzt, sodern auch gegen andere Grundrechte verstoßen worden. Auf dem Boden dieser Rechtsauffassung der beiden Gerichte argumentiert nach dem schon einleitend Gesagten aber auch die Generalprokuratur, deren Meinung sich in der Beschwerdeschrift – zusammengefaßt – folgendermaßen ausgedrückt findet:
„Die Strafbestimmungen zur Sicherung des religiösen Friedens (§ 188 f StGB) dienen der Erfüllung einer mittelbaren staatlichen Verpflichtung, die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art 14 StGG) gegebenenfalls auch mit Mitteln des Strafrechts zu schützen (Dokumentation, 184 f), und entsprechen einem im Freiheitsbegriff inkludierten Mißbrauchsverbot bei der Grundrechtswahrnehmung (Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten und Menschenrechte, 366). Wenn mit der Verbreitung eines als Kunstwerk angesehenen Films in mehrfacher und nachhaltiger Weise das Tatbild einer Herabwürdigung religiöser Lehren nach § 188 StGB verwirklicht wird, liegt eine Überschreitung jener Grenze der Kunstfreiheit vor, die sich aus dem im Grundrechtskatalog geschützten Wertsystem (s hiezu Neisser …) ergibt: Der für die Kunst geschaffene Freiheitsraum soll nämlich keineswegs den für die Ausübung des Grundrechtes der Glaubens- und Gewissensfreiheit durch andere vorgegebenen Bereich verkürzen. Eine solche Auswirkung wäre aber nach den (Urteils‑)Feststellungen über den Inhalt des Films ‚Das Gespenst‘ mit dessen Veröffentlichung verbunden, welche keinen zulässigen Gebrauch der Kunstfreiheit mehr, sondern als Verstoß gegen das auch diesem Freiheitsrecht innewohnende Mißbrauchsverbot einen jenseits seiner Schranken liegenden rechtswidrigen Exzeß darstellen würde. Aus diesen Erwägungen kann für die Verbreitung des in Rede stehenden Werkes nicht das Recht der Freiheit der Kunst in Anspruch genommen werden.“
„Herbert A***“, als wäre es von – nein, …
Allenthalben wird jetzt in der Berichterstattung über den Tod von Herbert Achternbusch auch erwähnt, daß sein Film „Das Gespenst“ nach wie vor – es wird das Jahr 2022 geschrieben – in Österreich veboten sei. Was für ein passendes Geschenk zum 40. Geburtstag der Freiheit der Kunst in Österreich.

Einen unrunden Geburtstag feiert in diesem Jahr ’22 der in der Entscheidung des Obersten Gerichtshof in Österreich mehrmals genannte Paragraph 188, nämlich seinen 47. Geburtstag, um genau zu sein, am 1. Jänner ’75 wurde dieser Paragraph in die österreichische Welt geworfen, als Wunschkind österreichischer Moderne.
Es wird nicht verwundern, daß dieser Paragraph nun in seinem 48. Lebensjahr bereits in mehreren Kapiteln auftrat, den Lesenden eine zur Übergenüge schon bekannte Figur ist … Hätte Herbert Achternbusch die österreichische Figur 188 für den Titel seines Films „Heilt Hitler“ herangezogen, dann hätte er seinen Film gemäß der Ziffernfolge vielleicht betitelt: „Adolf Hitler, heilt“ —
Wie vor bald vierzig Jahren christliche Massen gegen „Das Gespenst“ auf die Straße gingen, gehen heute christliche Massen auf die Straße mit „Jesus Blut heilt“ … Es ist unendlich schade, daß es keinen neuen Film von Herbert Achternbusch mehr geben wird. Vielleicht hätte er im Angesicht dieser Demonstrationen sich zu einem neuen Film entschlossen, mit dem Titel: Heilt Jesus —
Vielleicht hätte er im Angesicht dieser Demonstrationen seinen nächsten Film einfach wie kurz Herbert genannt. Herbert, nicht weil es sein Vorname ist, sondern Herbert wie der Heldenplatzwiederredner, der unfreiwillig die Hauptfigur des Witzes gibt und doch nur eine Figur unter den Figuren des Aberwitzes ist, unter den Herberts, die „bis zum letzten Atemzug“ unfreiwillig komisch sind, unter den Herberten, die die Reden der Herberte mit einem Dreifaltigkeit unser einbeten …

Seit vierzig Jahren soll in Österreich das Gespenst der Freiheit der Kunst geistern, wie allenthalben mehr oder weniger glaubhaft berichtet wird, ohne aber einen letztgültigen Beweis seiner Existenz bis heute. Hingegen ist bewiesen die Existenz des Dreifaltigkeitsspukgespensts in Österreich: es spuckt und spuckt und spuckt und … einen seiner Schlatze taufte das Dreifaltigkeitsspukgespenst voller Stolz auf den Namen 188, diesen weißbräunlichen Lungentaler bekam auch Herbert A*** mitten in sein Gesicht gespuckt.
Und seit bald vier Jahrzehnten verklebt dieser Schleim die Augen der Menschen völlig, so daß ihnen unmöglich gemacht, „Das Gespenst“ sich anzusehen; „Das Gespenst“ von Herbert Achternbusch nämlich, das ein Beweis dafür wäre, daß das Gespenst der Freiheit der Kunst, sogar in Österreich, kein Gespenst …
Es ist eines der Mysterien der Glauben, mehr, es ist das Marienwunder in Österreich, mit schlatzblinden Augen doch sehen zu können: die gekreuzten Holzbretter.
Aber wehe, wenn es gewagt wird, die zwei Bretter von der Wand gar nehmen zu wollen, die Bretter gar nicht an die Wand nageln zu wollen, da beginnt augenblicklich das Dreifaltigkeitsspukgespenst ganz real zu wüten, zornwirklich durch die Münder seiner Ministrantinnen, Monstranzenträgerinnen, Altardiener zu spucken:
Die Bretter müssen bleiben. Schlagt die Bretter an die Wand …
Das Dreifaltigkeitsspukgespenst ist, genau besehen, eines mit vier Köpfen und eine ganze Familie für sich, eine Vierfaltigkeitsspukgespenstfamilie: Vater, Sohn, Mutter, Vogel innig einander zugetan zum gegenseitigen Erkennen auf mannigfache Art – eine Spukgespenstfamilie, deren Verwicklungen im Körperlichen jene einer ebenso christlichen Familie in Österreich bei weitem übertreffen …

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