Deutsches Vorbild eines jungen Menschen zur Identifikation

Die Verurteilung eines Menschen von 17 Jahren am 8. November 2019, am Vorabend der Novemberpogrome zum Gedenken, verleitet dazu, das österreichische Verbotsgesetz aufzurufen, nicht aber wegen der Paragraphen zur Wiederbetätigung, sondern der in diesem darin festgelegten Bestimmungen u.a.m. zum passiven Wahlrecht.

Es gehört schon eine rechte Portion Frechheit dazu, einen 17-Jährigen nach diesem Gesetz zu verurteilen, der in einer Ortschaft wie Waiern mit gerade einmal um die eintausend Einwohnerinnen auf dem Dorfweg oder in einer Ortschaft wie Feldkirchen mit ein paar Tausend Einwohnern mehr beispielsweise „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“ auf der Straße ruft, während beispielsweise ein erwachsener oder ausgewachsener Mann in der Position eines Abgeordneten des österreichischen Parlaments in einem Medium mit einem Millionenpublikum darüber sprechen kann, daß es am „Nationalsozialismus auch gute Seiten gegeben habe“, daß es „oft eine andere Wahrheit“ geben würde, daß Österreich „quasi befreit“ worden wäre, und er weit über ein Jahrzehnt dafür nicht belangt wird, ihm gegenüber sein zurzeitiger Führer seiner Partei sogar dreizehn Jahre danach die Schutzherrnfunktion ausübt, er auch noch dreizehn Jahre später im österreichischen Parlament unbehelligt auf seinem Stuhl …

Es geht hierbei in keiner Weise um eine Entlastung des verurteilten Jugendlichen, es geht um keine Fürrede für den verurteilten Jugendlichen. Aber es geht um die Verhältnismäßigkeit, es geht um den Wirkungsgrad der Taten, der beim verurteilten Jugendlichen gleich Null, während der Wirkungsgrad von Abgeordneten, die eine „positive kollektive Erinnerung an die Leistungen der deutschen Wehrmacht“ verbunden mit einer „Umdeutung der Geschichte“ propagandieren (und das nicht auf einer Dorfstraße, sondern in der Hofburg), gesinnungsgemäße Gesetze im Parlament erringen wollen, von einem Universitätsprofessor, dem der 8. Mai 1945 ein „Tag der Niederlage“ und der Holocaust ein „sogenannter Holocaust“ …

Und es geht auch darum, vor allem darum, ob ein Staat, also in diesem Fall der österreichische Staat, seine eigenen Gesetze nach Gutdünken, nach Laune, nach Opportunismus zur Anwendung bringen darf, ob ein Staat ein und dasselbe Gesetz, in diesem Fall das Verbotsgesetz, gegen einen Jugendlichen einsetzen darf, während er, der Staat, das gleiche Gesetz ignoriert, sein eigenes Gesetzes nicht achtet, wenn es …

Das Allgemeine an der Überlegung zur Handhabung von Gesetzen ist verständlicher an konkreten Fällen zu erörtern. Unweigerlich und mit Widerwillen sind dabei Namen zu nennen, wie FPÖ, Reinthaller, Scrinzi …

Hätte Anton Reinthaller, der eben erst im November 2019 von einem omnipräsenten Professor für Politikwissenschaften der FPÖ, aber nicht dem Staat Österreich ob seiner nationalsozialistischen Vergangenheit vorgehalten wurde, je nach den Paragraphen des österreichischen Verbotsgesetzes das passive Wahlrecht ausüben dürfen?

Vielleicht hätte sich Anton Reinthaller an das Gesetz sogar gehalten, also an das, nicht das passive Wahlrecht auszuüben, aber, kurz gesagt, er wurde dazu angestiftet, „überredet“ vom schwarzen Bundeskanzler …

Wer es wohl war, die Anton Reinthaller rieten, als „Minister a. D.“ zu werben – black spin doctors? Minister war er, im deutschen reich. Und ein „Minister a. D.“ kann er nur für sich und die seinen sein, die immer noch im deutschen reich zu leben meinen, denn einen „Minister außer Dienst“ kann es nur in einem bestehenden Staat geben. Der Wahlzettel aus dieser Zeit belegt übrigens, dies nur nebenbei, eine weitere Tradition dieser Partei, daß ihr die Gnade, fehlerfrei zu schreiben, nicht gegeben ist. Der Nationalsozialist außer Dienst „Reinthaler“ spricht im „Gasthof Metzgerwirt“ – was für ein sprechender Ort für einen solchen Gesinnungsmann mit seiner Partei …

Mehr noch stellt sich diese Frage bei Otto Scrinzi.

Otto Scrinzi war Mitglied der NSDAP. Otto Scrinzi war SA-Sturmführer. Otto Scrinzi war Mitglied des NSD-Studentenbundes. Otto Scrinzi war Assistent am Institut für Erb- und Rassenbiologie der Universität Innsbruck ab 1940.

Aber das Entscheidende im Zusammenhang mit dem österreichischen Verbotsgesetz: Otto Scrinzi war bereits ab 1949 Abgeordneter im Kärntner Landtag, Klubobmann und Landesobmann des VdU.

Im österreichischen Verbotsgesetz ist seit 1947 festgehalten:

§ 4. (1) Alle Personen, die ihren ordentlichen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Gebiet der Republik Österreich haben und – wenn auch nur zeitweise – zwischen dem 1. Juli 1933 und dem 27. April 1945
a) der NSDAP oder ihren Wehrverbänden SS oder SA oder […]

§ 17. (1) Die in die besonderen Listen einzutragenden Personen sind mit Ausnahme der im Abs. (4) genannten sühnepflichtig. Die Sühnepflichtigen werden in belastete und minderbelastete Personen unterschieden.
(2) Belastete Personen sind:
c) Angehörige der SA, des NSKK und des NSFK, die jemals Führer vom Untersturmführer oder Gleichgestellten aufwärts waren, ferner Angehörige der Gestapo oder des SD; […]

§ 18. Belastete Personen im Sinne des § 17, Abs. (2), haben die nachstehenden Sühnefolgen zu tragen:
f) Sie können weder den Beruf eines Rechtsanwaltes (Rechtsanwaltsanwärters), eines Notars (Notariatskandidaten), eines Verteidigers in Strafsachen, eines Patentanwaltes (Patentanwaltsanwärters) ausüben noch in den Kanzleien der obengenannten Personen beschäftigt sein. Sie können ferner den Beruf eines beratenden Ingenieurs oder eines behördlich autorisierten und beeideten Ziviltechnikers und den Beruf eines Arztes nicht ausüben. Schließlich können sie bis zum 30. April 1955 den Beruf eines Zahnarztes, Pharmazeuten, Dentisten (Zahntechnikers) oder eines Tierarztes nicht ausüben […]
k) Sie sind auf Lebenszeit vom passiven Wahlrecht in eine gesetzgebende oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaft ausgeschlossen. Sie sind bis 30. April 1950 vom aktiven Wahlrecht sowie bis zum 30. April 1955 von dem Amt eines Geschworenen oder Schöffen ausgeschlossen.
l) Sie können bis 30. April 1950 einer politischen Partei nicht angehören. […]“

Alles das trifft auf Otto Scrinzi zu. Scrinzi war Mitglied der NSDAP. Sein Rang eines SA-Sturmführers entspricht dem eines SS-Untersturmführers. Scrinzi hätte nach diesem Gesetz bis 1950 keiner politischen Partei angehören dürfen. Aber bereits ab 1949 war Scrinzi in einer politischen Partei recht rege. Nach diesem Gesetz auf Lebenszeit vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen. Scrinzi aber war von 1949 bis 1979 Abgeordneter in verschiedenen gesetzgebenden Körperschaften. Noch 1986 übte er sein passives Wahlrecht aus, als Kandidat für das Amt der Bundespräsidentin.

Nach diesem Gesetz können sie nicht den „Beruf eines Arztes ausüben“. Scrinzi aber seit 1950 tätig als Nervenfacharzt und von 1950 bis 1983 Primararzt an der psychiatrischen Männerabteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt. Ein Arzt mit dieser Vergangenheit. Assistent an einem Institut für Erb- und Rassenbiologie ab 1940.

Es gab so ein Institut nicht nur Innsbruck, sondern beispielsweise auch in Frankfurt. Um einen Eindruck zu erhalten, was die Arbeit eines solchen Instituts war, eine kurze Beschreibung des Instituts in Frankfurt als Modellcharakter für solche Institute:

„Das Universitäts-Institut für Erbbiologie und Rassenhygiene Frankfurt am Main war ein erbbiologisches Forschungsinstitut der Universität Frankfurt in Frankfurt-Süd, das zugleich als amtsärztliche ‚erb- und rassenpflegerische‘ Beratungsstelle diente. Nach der Gründung 1935 stand […] Im Rahmen der Funktion des Instituts als Beratungsstelle stellten die Mitarbeiter Erbgesundheitszeugnisse aus, erstellten Abstammungsgutachten und nahmen Gutachtertätigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses wahr. Das Institut und dessen Mitarbeiter waren auf diese Weise unmittelbar an der Umsetzung der nationalsozialistischen Rassenhygiene und der nationalsozialistischen Verfolgung der Sinti und Roma beteiligt. Als eine der größten Einrichtungen ihrer Art kam dem Institut Modellcharakter zu. Geleitet wurde es zunächst von Otmar Freiherr von Verschuer und von 1942 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges von Heinrich Wilhelm Kranz. Zu den bekanntesten Mitarbeitern gehörten Heinrich Schade, Hans Grebe, Gerhart Stein und Josef Mengele.“

Um das Kapitel darüber nicht noch länger werden zu lassen, wird gar nicht von den Publikationen des Otto Scrinzi in diesem gesetzlichen Zusammenhang auch noch gesprochen werden. Von den Medien, mit denen Otto Scrinzi … mit diesem Hinweis soll das Kapitel geschlossen werden, also mit der Rückkehr in die Gegenwart, das heißt in die Vergangenheit, also in das Ewiggestrige in und an Österreich – deren Namen zu nennen, reicht aus:

Aula,

Eckart,

ehrenreicher steiermärkischer Verlag …