Aus der Gegenwart lernen

Mein Land ist mir wichtiger als meine Person.

Sagt die nach dem österreichischen Strafrecht beschuldigte Person in der Dunkelheit ihres letzten Samstags im Oktober ’21.

Wenn solche Personen gehen müssen, ist es immer pathetisch.

Vor dreißig Jahren sagt eine solche Person triefend: „Passt mir gut auf mein Kärnten auf.

Vor bald zehn Jahren wiederholt eine solche Person ebenso triefend: „Passt mir auf mein Kärnten auf.“

Ein seit 76 Jahren gekannter Sager. Vor 76 Jahren bringt diesen Sager eine Person ebenso triefend, als sie ihre Macht am 7. Mai aufgeben muß, nachdem sie über Jahre wesentlich zum Ruin des Landes in jedweder Hinsicht beiträgt, sie über Jahre am moralischen Ruin, über Jahre am zivilisatorischen Ruin des Landes teilhat. Diese drei Schuldigen hätten ebenso triefend sagen können, als sie ihre Macht aufgeben müßen: „Mein Land ist mir wichtiger als meine Person.“

Vor zwölf Jahren plakatiert vor einer Wahl ihre Partei: „Wir passen auf dein Kärnten auf“. Aber sie plakatiert diesen Sager nicht nur in Kärnten, sondern auch in Vorarlberg – mein Kärnten, ein Synonym für mein Land, für mein Ländle ...

Ein Sager, der die Misere dieses Ländle vielleicht wie kein zweiter Sager offenbart, wird dieser triefende Sager in diesem Land auch derart leichtfertig nachgeredet, von Personen, die gar nicht aus dieser Partei sind, wie etwa die Person, die sich mit diesem Sager vor 15 Jahren verabschiedet.

„Mein Land ist mir wichtiger als meine Person.“ Trieft diese Person also an diesem ihrem letzten Samstag im Oktober ’21 in die Mikrofone in Dunkelheit. Genauso hätte diese Person in die Mikrofone triefen können: Paßt mir gut auf mein Land auf. Sie sagt das jedoch nicht. Weil diese Person insgeheim denkt, nicht zurückgetreten zu sein. Weil diese Person insgeheim denkt, mit ihrem bloßen Platzwechsel sich nicht von der Macht verabschiedet zu haben. Weil diese Person insgeheim denkt, mit ihrem bloßen Platzwechsel weiter das Sagen in ihrem Land zu haben. Sie insgeheim denkt, selbst weiter auf ihr Land aufzupassen, sie insgeheim denkt, weiter ihre Gelegenheiten, die, wie es bekanntlich so treffend heißt, Diebe macht, abzupassen.

Was die drei Personen aus der tiefen Vergangenheit mit der Person vom letzten Samstag und also aus der jüngsten Vergangenheit eint, ist deren Sichtweise, ganz gleich, wie sie dies formulieren, daß das Land – wird es nun Kärnten, wird es nun Österreich genannt – ihr Land ist, das Land ihr Eigentum ist. Und weil sie es als das Ihre betrachten, können sie auch mit einem reinen Gewissen sagen, sie sind unschuldig, sie haben nichts verbrochen. Denn in ihrem Land sind sie für sich vor ihren ihrem Land verpaßten Gesetzen, sind sie für sich vor ihren ihrem Land verpaßten Moralen, sind sie für sich vor ihren ihrem Land verpaßten Werten die Unschuldigsten, die Ehrlichsten, die Wahrhaftigsten, die Lügenfreiesten

„Mein Land ist mir wichtiger als meine Person.“ Das ist eine bloße Verdoppelung, die diese Person aus der jüngsten Vergangenheit triefend bringt. Es wäre der Person möglicherweise selbst die Absurdität ihrer Aussage aufgefallen, hätte sie diesen triefenden Sager so offen formuliert, wie sie es für sich meint: Meine Person ist mir wichtiger als meine Person. Das ist eine Steigerung. Betrachten die drei Personen aus der tiefen Vergangenheit das Land bloß als ihr Eigentum, so vermeint die Person aus der jüngsten Vergangenheit gar, selbst das Land zu sein. Das aber ist nicht einmal etwas Neues von dieser Person, die so viel neu machen zu wollen vorgab, denn es gibt eine Person, die bereits vor ihr meint, das Land, Österreich zu sein

Möglicherweise wird aus einem nächsten Protokoll, wenn die Person der jüngsten Vergangenheit wieder von einem Richter oder dann nur noch von einer Staatsanwältin einvernommen werden wird, zu erfahren sein: Ja, ich bin ja das Land, ja. Genauso, wie sie erst vor kurzem in einer Vernehmung, zu der sie mit dem Vorsatz geht, die Wahrheit zu sagen, bestätigt, daß sie die Partei ist

Die nächste Vernehmung wird für diese Person wohl ganz und gar nicht leicht werden, bereits das Ausfüllen des Formulars „Beschuldigtenvernehmung“ wird für sie eine Hürde werden. Welchen Wohnort wird sie angeben können? Ballhausplatz 2 geht nicht mehr, wie noch bei der Vernehmung im letzten September. Lichtenfelsgasse 7 als Wohnort, wird das noch möglich sein? Es ist für sie hoffen, sie hat dann für Wohnort noch eine Adresse, die sie als ihren Wohnort angeben kann, um nicht hinschreiben zu müssen: Obdachlos

Aus der Vergangenheit wurde nichts gelernt. Wie anhand der drei Personen aus der tiefen Vergangenheit beispielhaft – alle drei sagen es ja überdeutlich: Paßt auf … Dennoch wurde es weiter verabsäumt, darauf aufzupassen, was die Personen tun, die im Land die Macht haben.

Auch wenn der letzte Samstag und die triefende Person im Grunde schon Vergangenheit sind, können diese doch der Gegenwart noch zugerechnet werden. Das Entscheidendere, das Wesentlichere, das Wichtigere, vielleicht, nicht aus der Vergangenheit beziehungsweise, wie es hochtrabend gesagt wird, aus der Historie zu lernen, sondern aus der Gegenwart zu lernen, zu lernen aus der Gegenwart, in der Gegenwart bereits darauf entschieden aufzupassen, was die, die das Sagen haben, im Land tun, endlich in der Gegenwart aufzupassen, was in der Gegenwart diese im Land anstellen, um ihnen bereits in der Gegenwart die Möglichkeiten und Gelegenheiten für ihre Taten sofort zu nehmen.

Entscheidend zu diesem unbedingten Aufpassen in der Gegenwart gehört das genaue Zuhören, um die, die im Land das Sagen haben wollen, erst gar nicht in die Verlegenheit zu bringen, etwas anstellen zu können.

An diesem ihrem letzten Samstag an der Macht sagt diese Person im Oktober 2021, die weiter das Sagen haben will: „Die Pandemie ist noch nicht vorüber.“ Nur wenige Wochen zuvor, im Juli 2021 plakatiert diese Person mit einem feschen Bild von sich: „Die Pandemie gemeistert“

Und im Juli 2021 sagt diese Person auch das: “Es gibt Wahrheiten, die ausgesprochen werden müssen und die werde ich auch weiterhin aussprechen und nicht zur Tagesordnung übergehen“

Ob sich diese Person noch dazu versteigen wird, in einer ihrer nächsten Vernehmungen zu Protokoll zu geben: Ja, ich bin ja die Wahrheit, ja …

Nun, im Oktober 2021, wurde nicht „zur Tagesordnung übergegangen“, auch wenn diese Person dafür dankbar gewesen wäre, wenn zu ihrem Machterhalt allein für sie zur Tagesordnung übergegangen worden wäre …

Aus der Gegenwart lernen, auch das, wie nun dies aus der Gegenwart gelernt wurde, nicht zur Tagesordnung übergehen, wenn nicht zur Tagesordnung übergegangen werden kann und darf.