In einem Interview mit Conrad Seidl vor sieben Jahren skizziert Alexander Van der Bellen für politische Amtsträgerinnen, wann die Unwahrheit gesagt werden darf, und will dies nicht als sein „Programm eines Präsidentschaftskandidaten“ —
Sie besprechen sein Buch „Die Kunst der Freiheit“, aus dem sieben Jahre später die Tageszeitung von Conrad Seidl zitiert:
„Kaum wo wird da die Position vertreten, dass die Annexion der Krim im März 2014 auch eine Vorgeschichte hatte, nämlich verantwortungsloses Gerede von einem Nato-Beitritt der Ukraine, womit Russland vom Schwarzen Meer praktisch abgeschnitten gewesen wäre. Glaubte wirklich jemand, Wladimir Putin würde dem tatenlos zusehen? Wer Kritik an der ukrainischen Regierung übt, wird sofort als ‚Putin-Versteher‘ abgestempelt. Gerät auch die Unabhängigkeit der Meinungsbildner ins Wanken? Ist aus der Pressefreiheit, die sich durch eine Vielfalt an Meinungen auszeichnen sollte, eine freiwillige Gleichschaltung der Medien geworden?“
Wie sparsam, wird nun gedacht, damals das Buch nicht gekauft zu haben, in dem Sätze stehen, die mit „Kaum wo wird da“ beginnen … Und menschgemäß verspricht allein dieses Zitat nicht nur kein Lesevergnügen, sondern auch inhaltlich keinen Gewinn. Als wäre es aus einem Verlag, der Heimstatt für identitäre —
Und es wird ein weiteres Zitat aus diesem vor sieben Jahren besprochenen Buch mit seinem Credo für die Unwahrheit nun am 1. Oktober 2022 von der Tageszeitung des Conrad Seidl gebracht:
Offenkundig gibt es nicht nur einzelne Leute, sondern ganze Gruppen, die sich durch Plakate mit mehr oder weniger entblößten Frauen beleidigt fühlen. Vielleicht fehlt das Pendant: entblößte Männer. Ich hätte gedacht: It’s a free country! Man sollte sexuelle Anspielungen und erotische Chiffren unter Erwachsenen nicht so ernst nehmen.“
Dieses Tiefgedachte hat der siebente Bewerber sich bewahrt, muß jetzt gedacht werden, wenn er nun nur mehr davon spricht, es brauche ihn, den Bundespräsidenten, also es brauche für ihn den Mann, sie brauche es für ihn nicht, die Bundespräsidentin, also die Frau, ihr mag es doch ein erfüllendes Leben sein, Männer aus dem Schnapsfäßchen zu nähren … Und kann es je eine schönere Gleichheit für Frauen, je eine schönere Gleichberechtigung für Frauen geben, wenn dereinst das Tiefgedachte von Staatsoberhaupt Wirklichkeit ward, Plakate mit nackerten Männerhaarbusen —

Was an Staatsoberhaupt tatsächlich aber bemerkenswert genannt werden kann, ist seine Konstante des Tiefgedachten, wie etwa das vor sieben Jahren zu Vladimir Putin, wie etwa das vor einem Jahr zu Ebrahim Raisi in einer Gratulation, wie etwa die vor nicht einmal einem Monat zu Giorgia Meloni angestellte Einschätzung der Bedeutung ihres Wahlsieges —
Gerade etwas mehr als ein Jahr später bestätigt Ebraim Raisi das Tiefgedachte von Staatsoberhaupt bestechend. Auch er, der Präsident, gedenkt wie Staatsoberhaupt der Vergangenheit, und er, der Präsident, weiß ihre Fackel anzuzünden: für Gegenwart und Zukunft —
Und was Meloni und ihre Brüder anbelangt, es sind ja gerade erst einmal zwei Wochen her, seit deren Wahlsieg; das ist zu kurz, für sie und ihre Brüder, um Staatsoberhaupt der Wahrheit zu zeihen —
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