„Herr Wolfgang Fellner“ – Beweis der Wiedergeburt ist erbracht

Darüber herrscht Einigkeit. Die Wiedergeburt ist erwiesen.

Worüber es noch heftige Debatten gibt, ist allerdings, wurde Karl Kraus, wie manche meinen, als „Kronen Zeitung“ wiedergeboren, oder, wie andere meinen, „Die Fackel“ als „Kronen Zeitung“ wiedergeboren. Jene, die meinen, „Die Fackel“ sei wiedergeboren, führen dafür ins Feld, das sei nicht unmöglich und nicht unwahrscheinlich, da auch Periodika eine Seele hätten. Beide Denkschulen einigt aber der Beweis für die Wiedergeburt, nämlich die „Mitteilung gemäß § 8a Abs 5 MedienG“.

Und es gibt eine dritte Ansicht, nach der der Beweis für die Wiedergeburt nicht durch die Wiedergeburt von Karl Kraus oder von der „Fackel“  erbracht ist, sondern durch die Wiedergeburt des Verlegers, den Karl Kraus aus der Stadt wissen wollte, mit dem Ausruf: „Hinaus aus Wien mit dem Schuft!“. Dieser Ausruf wurde nicht vergessen, sondern wurde zu so etwas wie einer Volksweisheit, längst abgetrennt von seinem Schöpfer. Manche versteigen sich sogar so weit, diesen Ausruf als Beweis für die Unsterblichkeit …

Einerlei.

Beim Lesen des Beweises für die Wiedergeburt kommen unweigerlich Gedanken über Strafe und Belohnung. Empfindet es Karl Kraus als Strafe, als „Kronen Zeitung“ wiedergeboren zu sein? Um keine Denkschule zu bevorzugen. Empfindet es „Die Fackel“ als Belohnung, als „Kronen Zeitung“ wiedergeboren zu sein. Wie es der Verleger empfindet, als Belohnung oder Strafe, ist, muß eingestanden werden, herzlich gleichgültig.

Was aber alle drei Denkschulen gar nicht in Erwägung ziehen, bei ihren Ausführungen zur Wiedergeburt, ist die Frage, ist die Wiedergeburt für die anderen, also zum Beispiel für ein Land wie Österreich, Segen oder Fluch, Strafe oder Belohnung schon im ersten Leben

Abschließend soll der Beweis für die Wiedergeburt, erstaunt darüber, wie profan ein metaphysischer Beweis ausfallen kann, der Beweis für die Wiedergeburt von so ungewöhnlicher Seite her, also von dem Mediengesetz, zu kommen vermag, in seinem Wortlaut ungekürzt vorgelegt werden, wie dieser am 31. Juli 2017 von der „Neuen Kronen Zeitung“ veröffentlicht ward:

Mitteilung gemäß § 8 Abs 5 MedienG:

Der Antragsteller Wolfgang FELLNER hat die Verurteilung der Antragsgegnerin KRONE Verlag Gesellschaft m.b.H. & Co KG zur Zahlung einer Entschädigung nach dem § 6 MedienG beantragt, weil in der Ausgabe des periodischen Druckwerks „Kronen Zeitung“ vom 4. 6. 2017 auf Seite 16 in einem Artikel mit der Überschrift „Herr Wolfgang Fellner“ die Behauptungen verbreitet wurden, der Antragsteller trage ein fettes Lächeln, vor dem einem kalt werden möchte im Gesicht; der Antragsteller klopfe sich fett lachend auf die Schenkel; der Antragsteller habe einen widerwärtigen Journalismus zu verantworten; sowie der Antragsteller sei ein Schuft, der aus Wien vertrieben werden möge. Der Antragsteller erblickt in den angeführten Behauptungen die Verwirklichung des Tatbestandes der Beleidigung bzw. der üblen Nachrede. Das medienrechtliche Verfahren ist anhängig. Landesgericht für Strafsachen Wien, Abteilung 111, am 24. 7. 2017

Herr Wolfgang Fellner - Beweis für die Wiedergeburt

Wie verführerisch schön das Plattschäbige zu klingeln vermag

2014 legte die schöne Platte Christopher Clark auf; er hatte es sich verdient, Schönredner zur Feste Salzburg gewesen zu sein. Und es war auf ihn Verlaß. Er spielte die Melodei, die in diesem Land … Christopher Clark in Salzburg – Eine typische österreichische Besetzung.

2016 legte die schöne Platte Konrad Paul Liessmann auf; er hatte es sich verdient, Schönredner zur Feste Salzburg gewesen zu sein. Und es war auf ihn Verlaß. Er spielte die Melodei, die in diesem Land … Konrad Paul Liessmann gibt heute in Salzburg eine Eröffnungsarie aus seiner Philosophieoper.

2017 legt die schöne Platte Ferdinand von Schirach auf; er hat es sich verdient, Schönredner zur Feste Salzburg zu sein. Und es ist auf ihn Verlaß. Er spielt die Melodei, die in diesem Land …

Liessmann spielte seine Platte noch bis zu – zwar nur ein oder zwei Töne, aber immerhin – Adorno, während Schirach aus dem zwanzigsten Jahrhundert gerade noch Zweig anstimmt, wohl aber nur, um noch besser seine Welt von gestern zu beschwören, um ganz im achtzehnten Jahrhundert zu wandeln, und dabei Rousseau zu unterstellen, er habe sich geirrt, und Voltaire hervorzuheben. Aber wer hebt heutzutage nicht Voltaire hervor …

Es ist die alte Platte, die Platte gegen die Beteiligung der Bürger und Bürgerinnen. Und es wird Schirach gefallen, vor diesem Publikum zu singen. Über den Daumen sitzt wohl die gesamte österreichische Staatsspitze im Publikum. Es sind nicht mehr Könige und Kaiser, aber, Voltaire war ja auch nicht Schirach.

Und was bringt Schirach vor? Es geht ihm dabei auch um die Äußerungen der Bürger und Bürgerinnen im Internet, in dem das „Schrille, Bösartige, Vulgäre“ noch zu überwiegen scheint; eine Zeitungsleserin, die selbst nicht im Internet unterwegs ist, wird das wie Schirach beurteilen. Denn. Das ist die vorherrschende Berichterstattung. Und es sollte gefragt werden, weshalb das „Schrille, Bösartige, Vulgäre“ in der Medienberichterstattung überwiegt. Es wird wohl auch etwas mit den Machtverhältnissen zu tun haben. Es wird nicht ungelegen kommen, den Bürgerinnen und Bürgern das „Schrille, Bösartige, Vulgäre“ zum Vorwurf machen zu können.

Oh, wie anders hingegen ist Schirach, der weder schrill noch bösartig noch vulgär vor der versammelten Landesmacht der gesamten Landesmacht Worte des Einspruches gegen die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger diktieren darf, die der Landesmacht gar dienlich sein werden in ihrer Bemühung gegen mehr Beteiligung, in ihren Versuchen für mehr Überwachung der Bürgerinnen und Bürger. Es ist eine sehr alte Platte, die Schirach auflegt, und in eine seine sehr alte Platte sind eben Staubwörter mit eingepresst, wie „Volk“, „Volkszorn“ …

Oh, wie anders hingegen als das gar so leicht verführbare und aufzustichelnde „Volk“ ist Schirach, vor allem ist er ganz und gar differenziert in seiner Welt der Menschbeurteilung.

So fragt Schirach besorgt, mit dem Verweis auf „unsere Geschichte“: „Was tun, wenn die Demokraten einen Tyrannen wählen?“ Aber wer hat ihn gewählt? Den „Tyrannen“, der 1932 noch kein „Tyrann“ war. Nur ein Kandidat. Und Schirach meint, wen sonst, Adolf Hitler. Aber die NSDAP verlor die Wahl 1932, die NSDAP und der von Schirach schon zum „Tyrannen“ gemachte Kandidat mußten Verluste hinnehmen, sie verloren über vier Prozent. Und wie war es in der Wahl 1933? Die NSDAP legte zu, aber immer noch weit entfernt von einer absoluten Mehrheit. Wie also wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler? Durch den Entscheid der Wähler und Wählerinnen? Oder am braunen Tisch? Wer könnte das genauer wissen als ein Schirach.

Es wird mehr und mehr verständlich, daß Schirach die Veröffentlichung seiner Festrede für die Macht untersagt. Denn. Ohne seine angenehme Stimme, ohne die weihevolle Intonierung seiner Rede, also bloß gelesen, offenbarte seine Rede nur eines: Plattheit. Und die Verwunderung, wie kann Plattes vorgetragen bloß so schön klingen. Und. Es könnte sich auf den Verkauf … Ja, wer dem „Volk“ etwas verkaufen will, und seien es Bücher, tut gut daran, dem „Volk“ zu verschweigen, was vom „Volke“ gehalten wird, wenn untereinander im Festsaale von ihm zur Macht gesprochen wird.

Und das mit der Werbung weiß Schirach ganz genau. Es wird von allen nur der eine Kaffee getrunken, den ein Schauspieler in der Werbung trinkt, und alle fahren unbequeme Autos mit offenem Dach, weil die Werbung allen nicht nur Freiheit, sondern auch das hierfür notwendige Geld durch den Bildschirm auf den geerbten und seit Jahrzehnten wackeligen Couchtisch wirft… und alle verwenden nur die eine Salbe, die eine Schauspielerin, und wenn er jetzt sagt, zu seinem Machtpublikum, es solle sich einen Mann mit Hut vorstellen, dann könne das Publikum, sagt Schirach, gar nicht anders, als seinen Mann mit Hut im Kopfe … wie schön, daß das Publikum jetzt wenigstens etwas … über den Bildschirm funktioniert es allerdings nicht, die schirasch’sche Suggestion – kein Mann mit Hut im Kopf, sondern nur die Würdigung der Rede des Mannes ohne … Eilig aber verläßt Schirach wieder die Werbung und also die Gegenwart, aus der er keinen Menschen der Philosophie zu kennen scheint zu mögen, um souverän und brillant weiter im achtzehnten Jahrhundert …

Schirach führt Rousseau an, der meinte, „der Volkswille würde stets die richtige Entscheidung treffen“. Und Schirach kommt zum polemischen und brillanten Schluß, „nach Rousseau können Trump, Putin, Erdogan oder der Brexit gar nicht falsch sein, weil sich die Menschen so entschieden haben.“ Haben sich die Menschen tatsächlich so entschieden? Etwa im Fall von Trump nicht. Nicht die Mehrheit der Menschen wählte Trump. Das Wahlsystem, das Wahlrecht machte Trump zum Präsidenten. Ist es nicht notwendiger und angebrachter, als „Volksentscheide“ zu denunzieren, über die Systeme nachzudenken, über die Gesetze? Über das, was nach den Wahlen passiert, ohne Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger? Ist nicht gerade der „Brexit“ auch ein Beleg dafür, wie notwendig es ist, die rechtlichen Bedingungen weiterzuentwickeln, darüber vor allem nachzudenken? Von Schirach ist dafür wohl nicht zu haben, seiner Herkunft verpflichtet, ist es wohl seine edelste Aufgabe, den Dünkel …

Es darf, da Schirach auch Länder als Beispiele anführt, das hier auch gemacht werden. Haben nicht die Bürger und Bürgerinnen gerade in Österreich eindrucksvoll im letzten Jahr bewiesen

Die Menschen sind klüger, als Belehrer und Belehrerinnen sie haben wollen.

und damit Schirach widerlegt, als sie nicht Norbert Hofer wählten, sondern Alexander van der Bellen zum Bundespräsidenten wählten? Alexander van der Bellen sitzt vor Ferdinand von Schirach, und was sieht Schirach? Weder Österreich noch die Schweiz, die in vielem angeführt werden könnte, um Schirach endgültig …

Oh, Schirach hingegen sieht die Türkei. Und es kommen ihm als Beispiel für den „Volkszorn“ die „zerstochenen Orangen“ als Protest gegen die Niederlande in den Sinn. War es das „türkische Volk“? Es waren Mitglieder der Jugendorganisation der AKP. Aber für Schirach ein Beleg für den „Volkszorn“.

Und gehören all die Menschen, die weltweit sich dafür einsetzen, die auf die Straße gehen, für Demokratie, für all die von Schirach beschworenen Rechte nicht zum „Volk“, woher kommen diese? Sind es Außerirdische, die in der Türkei, in Polen, in den Vereinigten Staaten, in Frankreich, in Deutschland, in Ägypten, in Tunesien, in Venezuela und in so vielen weiteren Ländern … und schlußendlich Schirach selbst, wohin gehört er selbst und woher kommt er selbst? Ist er keiner aus dem „Volk“, gegen deren Beteiligung er anredet? Er ist im Grunde einer von den Schäbigen aus dem „Volk“, die der Macht stets gefallen und der Macht nach dem Munde reden, die der Macht zuarbeiten, nicht uneigennützig freilich, das kleine Quotenlebensglück mit Fernsehen und Wochenende und Bücherregal …

Oh, Schirach verdiente es, mit Königen und Kaisern zu verkehren. Wie schade für ihn, daß es weder in Deutschland noch in Österreich noch Kaiser und Könige gibt. Denn. Schirach hat das höchste des höchsten Publikums verdient.

Allein schon für seine brillante Ausführung über die „Regeln der Natur“, nach denen der „Schwächere“ getötet wird. Und er, Schirach, feiert den Fortschritt des Menschen, der nicht nach den „Regeln der Natur“ den „Schwächeren“ tötet.

Was für ein brillanter Naturbeobachter Schirach doch ist. Jeden Tag kann, wer in der Natur unterwegs, beobachten, wie beispielsweise das Eichhörnchen die schwächere Nuß tötet, um sie für den Winter als Vorrat … oder wie die Löwin aus lauter Ärger darüber, daß der Herd immer noch nicht geliefert wurde, um Essen zubereiten zu können, die schwächere Antilope tötet und diese ungefressen einfach liegenläßt, der Haifisch kleine und also schwächere Fische tötet, und das nur, weil der Supermarkt schon geschlossen, der Hai nichts mehr für das Abendessen einkaufen kann, der Vogel tötet den schwächeren Wurm nur, um die Wartezeit schneller vorübergehen zu lassen, bis endlich das Korn auf seinem Feld reif ist, er es einbringen kann, um das für ihn so nahrhafte und vor allem lebensnotwendige Brot …

Und was für eine Erkenntnis – aufgespart von Schirach für das letzte Rededrittel –, daß es stimme, „wir werden nicht immer von Weisen regiert“. Nicht immer, das heißt, aber doch die meiste Zeit. Wie beruhigend. Zu seinen „Weisen“ fällt die von Schirach angesprochene „Schwarmintelligenz“ ein; er zählt auf, welche es noch gibt, die „Schwarmdummheit“, die … von einem Phänomen im Zusammenhang mit dem Schwarm erzählt er nicht, von dem Phänomen, das Vorgänge, Abläufe verstehen lassen kann:

Blobs Erdoğan, Trump and all the others. Secret cripples and amputated fishes. From populism and the SM-Swarm.

Oh, ohne ein Wort zum eigenen Werk, das geht nicht. Und so erzählt Schirach zum Schluß noch etwas über sein Stück „Terror“, weshalb er das doch, obwohl er gegen „Volksentscheide“ … Er brachte damit Quote, Fernsehquote, mit seinem „Terror“.

Trump, Erdoğan, Putin, Schirach, Assad May

Und was für ein Stück. Es läßt auf das Abendmahl verzichten. Es ist das Abendmahl. Schirach erzählt, er habe erlebt, wie Menschen nicht zum Essen gingen, sondern nach seinem „Terror“ blieben. Und siehe, wo ich, Schirach, bin, da wird Verfassung lebendig. Und die Menschen, erzählt Schirach seine frohe Botschaft weiter, sprachen über ihren Staat und und … zu Beginn seiner Rede sprach er noch von den Menschen, die, so er, sagen, daß sei ihr Staat, sie wüßten es besser, was für sie richtig und gut wäre; den Menschen im Anfang seines Wörterei rechnete er dies nicht hoch an, ganz im Gegenteil, ja, das werden wohl sture Menschen sein, denen die seine Terrorspeise nicht und nicht schmecken will. Nur wer das schirasch’sche Wort hört, wird in der Verfassung lebendig, auf eine gesunde Art.

Im Angesicht der gesamten Landesmacht, zu der Schirach gefällig spricht, wird Verfassung oft und oft lebendig. Denn sie muß zu oft verteidigt werden, gegen das Publikum der Schönredner zur Feste Salzburg, wie aktuell etwa gegen, kurz und brandstetterisch gesagt, die geplanten massiven Überwachungs- und Bespitzelungsgesetze. Was wird Schirach nach seiner Rede in Salzburg erleben. Das Publikum wird nicht bleiben, sondern mit ihm zum Essen eilen und schmatzend Zustimmung zu seiner …

Damit also hat er sich tatsächlich eine Einladung in die Feste Salzburg verdient; nicht nur einen Schönredner, sondern auch einen Quotenredner in diesem Jahr zu haben, darauf können die Salzburger Festspiele wahrlich stolz, fast so stolz wie auf den Jedermann, der Karl Kraus aus der Kirche vertrieb …

Und was für ein hellsichtiger Blick auf Literatur und Kunst. „Noch nie konnte Literatur, Musik oder Kunst den Volkswillen aufhalten.“ Literatur, Musik oder Kunst war wohl zu sehr damit beschäftigt, den „Volkswillen“ zu befeuern. Nein, den „Volkswillen“ erst zu erschaffen, der für Schirach der dunkle, abscheuliche … gerade mit Österreich hätte Schirach das anschaulichste Beispiel dafür abliefern können, wie auch heute noch mit ebendieser Literatur, Musik vor allem die identitäre Parlamentspartei diesen „Volkswillen“ wieder … Davon erzählt Schirach nicht. Dafür. Voltaire habe eine Geschichte geschrieben, und das sei es, was „Schriftsteller immer tun sollten“, eine Geschichte erzählen. Geschichten würden „uns anrühren“. Nicht die Philosophie. Und sie erzählen wie er Geschichten, die anrühren, den „Volkswillen schaffen; von rekonstruieren will gar nicht erst gesprochen werden, ist es doch ein Begriff, der im achtzehnten Jahrhundert, kurz und schlicht gesagt, es soll niemand überfordert werden …

Empfand sich das „Volk“ stets schon grimmig „ohne Raum“

Der freiheitlichen ZZ ist eine Wiederlesung von Hans Grimm, einem der Lieblinge Adolf Hitlers, schon eine recht werte Empfehlung

oder brachte nicht erst Grimm den Gram darüber, vor lauter Raum ohne Raum zu sein, diese Idee in das „Volk“? Lud nicht erst er, also Grimm zum Beispiel, das „Volk“ dazu ein, ohne Amputation an Phantomschmerzen zu leiden?

2015 legte die schöne Platte Rüdiger Safranski auf. Er trug Verse aus dem Rosenkavalier von Richard Strauss vor, unterbrochen durch irgendwelche Ausführungen über die Zeit. Die Marschallin hat es ihm wohl angetan. Vielleicht war Strauss eine Verlegenheitslösung, weil „Das Migrationsproblem“ noch nicht erschienen war. Ein Buch, das Safranski verschenkte, weil es ein „sehr sehr gutes Buch“ ist. Oder er hätte aus „Finis Germania“ vorgelesen, das er zwar kritisch sieht, aber doch in der Tradition der „Nachtgedanken“ von Heine bis … und brillanten Stellen. 2015 aber auch noch nicht auf dem Markt. Erschienen in Verlagen … Aber das kann ja noch nachgeholt werden; vielleicht schon im nächsten Jahr — —

2018 wird wer die schöne Altplatte auflegen? Vielleicht Götz Kubitschek? Im letzten Jahr hat er es bereits bis in den Vorort von Braunau geschafft. Weshalb nicht schon 2018 in die Feste Salzburg? 2018 wird es in Österreich eine neue Regierung geben, nicht legitimiert durch eine absolute Mehrheit in der Nationalratswahl am 15. Oktober 2017, also eine Koalition, aber am Tisch, von dem nicht gewußt wird, welche Farbe er hat, ohne grünen Bezug.

Salzburger Festreden - Clark - Liessmann - Safranski - Schirach

 

Wie Jedermann es schafft, das dem Magistrat lange nicht gelingt, Karl Kraus endlich aus der Kirche zu vertreiben.

Es muß doch einmal, weil es gar zu köstlich ist, erzählt werden, wie es dazu kam, daß Karl Kraus wieder aus der römisch-katholischen Kirche austrat. Der gefundene Anlaß dafür ist weniger köstlich. Aber, wie es so schön heißt, der eine ist so gut wie der andere schlecht. Die Copysite der identitären Parlamentspartei lobt an diesem Sonntag im Juli 2017 die Salzburger Sommerfestspiele. Und wenn an so einiges gedacht wird, darf vermutet werden, um vor allem wieder und ein weiteres Mal ihren Dichter mit dem „ausgeprägten Patriotismus“ unterzubringen.

An diesen „ausgeprägten Patriotismus“ sollen die Wählerinnen und Wähler vor allem am 15. Oktober 2017 denken, wenn sie zur Wahl gehen. Das hier aber nur nebenher. Denn es geht ja um das Köstliche von Karl Kraus. Wie der Magistrat es schafft, ihn länger in der Kirche zu halten, als er, Kraus in diesem Organisierten Glauben eigentlich bleiben wollte.

Wie dem immer sei, ich wurde Katholik und ich blieb es wunderbarer Weise noch während des Weltkriegs, was sich aber der erklärenden Vernunft aus der einfachen Tatsache erschließt, daß man hierzulande, um eine Angelegenheit der Weltanschauung in Ordnung zu bringen, zum Magistrat gehen muß und ich, der bis in den Morgen zu arbeiten pflegt, die Amtsstunden verschlafe. Nun aber habe ich nicht nur erfahren, daß die Menschheit durch die von der katholischen Kirche gesegneten Waffen zugrundegegangen ist und dieser nichts übrig blieb, als für das Ergebnis die Muttergottes mit der Tapferkeitsmedaille auszuzeichnen, sondern ich weiß auch, daß der überlebende Teil der Menschheit vor dem Verrecken bewahrt werden könnte, wenn die Muttergottes sich entschließen wollte, ihre Schmeichler zur Auslieferung der Gold- und Silbervorräte, zu nichts nütze als gehabt und vor den Augen des Hungers ausgestellt zu werden, zu überreden. Aber nicht genug an dem: die katholische Kirche, die nicht einmal zu einem kostenlosen Bannstrahl gegen die Dynasten zu haben war, welche den Völkern das Ultimatum der Pest und der Syphilis überbracht haben, die größte Hiobspost seit Erschaffung der Welt, doch die einzige, die zugleich die Entschädigung bot, ein Uriasbrief ihrer Verfasser zu sein — die katholische Kirche, die nicht fluchen, nur segnen konnte, hat zum Schaden den Spott gefügt, indem sie sich herbeiließ, das große Welttheater der zum Himmel stinkenden Kontraste, wo die Komödianten nicht spielen können und von den Pfarrern gelehrt werden müssen, in eigene Regie zu übernehmen und jenen Hofmannsthal aufs Repertoire zu setzen, der sich auf das Leid der Kreatur einen gottgefälligen Vers machen kann und dessen Schwager, ein Pater namens Benvenuto Schlesinger, im Vatikan ein- und ausgeht. Angesichts aller dieser Umstände und weil ein Salzburger Hotelgeschäft wie der Wiener Literatur zugutekommt und weil es der Fürsterzbischof gewollt hat, daß Ehre sei Gott in der Höhe der Preise, sehe ich mich genötigt, aus der katholischen Kirche auszutreten, nicht nur aus Gründen einer Menschlichkeit, die bei den Hirten in so schlechter Obhut ist …

So also hielt der Magistrat Karl Kraus länger in der Kirche, als er in der Kirche sein wollte. Aber Jedermann vor der Pforte schaffte es schließlich, Kraus aus dem Bett und aus der Kirche zu vertreiben.

Das Urteil von sogenannten zeitgenössischen Menschen ist nicht selten falsch, nicht selten ungerecht, nicht selten erkennen sie den Wert eines Werkes nicht und erst spätere Generationen … im Falle von dem Jedermann hat sich Karl Kraus in keiner Weise geirrt. Jedermann wird immer noch gespielt, er ist aufgestiegen zum österreichischen Heiligen, und wer ihn spielen darf, ist nicht nur mit höchster österreichischer Ehre geweiht, er darf sich fortan als auserwählt fühlen, der alles spielen kann, selbst Gott, freilich seine österreichische Ausgabe, aber Österreich ist Österreich die Welt …

Und soher kann generell gesagt werden: Was aber gestiftet, in Österreich bleibet davon stets das Schlechteste.

Übrigens, den recht geliebten Dichter mit dem „ausgeprägten Patriotismus“ der identitären Parlamentspartei erwähnt Karl Kraus in „Vom großen Welttheaterschwindel“ nicht. Weshalb sollte auch ein Karl Kraus sich mit einem abgeben, der damals und vor allem heute ohne jedwedes Bleibendes ist, außer gesinnungsgemäß für die identitäre Parlamentspartei mit ihrem rechten Hang zum Wiederbeleben eines „ausgeprägten Patriotismus“.

Als Jedermann Karl Kraus aus der Kirche vertrieb - Salzburger Festspiele.jpg

 

Opferstock und Rosenkranz: Die letzte Wahl der Menschen – Identitäre Gemein-Schaft

Es werden „Die letzten Tage der Menschheit“ morgen zum letzten Mal im Volkstheater gespielt. Welch ein Glück, es heute noch gesehen zu haben. Welch ein Unglück zu rufen, daß es nur noch die morgige Vorstellung gibt, ist gerechtfertigt als spontane Reaktion wie das Bravo beim Applaudieren, sonst menschgemäß übertrieben. Schad‘ aber ist es, weil so viele Menschen, die auch Wähler und Wählerinnen sind, nicht mehr sehen können werden, was für eine Lachnummer in Tracht Ottokar Kernstock bereits für Karl Kraus war, vor bald einhundert Jahren, und was für ein verehrungswürdiger Priesterschreiber bald einhundert Jahre später er für Freiheitliche noch immer ist …

Opferstock und RosenkranzKernstock eignete sich auch hervorragend dafür, den Opferstock zu füllen, dann, wenn die Menschen, die er mit seinen Gedichten in den Krieg trieb, Opfer waren, zum Gehen einen Stock brauchten und sich keinen leisten konnten, wurde für die Opfer seiner Gedichte gesammelt, wieder mit Versen von dem Priester, dessen Kern seines literarischen Stocks der Opferstock ist – Menschen sollen pflichtbewußt opfern, die einen ihre körperliche und seelische Unversehrtheit, die anderen ihr auch an Kriegen verdientes Geld als Ablaß und Eintrittskarte in das Himmelreich.

FPÖ Unzensuriert Kernstock RosenkranzMysterium des Himmelsreiches: Kernstock war ein Opferstock, der auch schreiben konnte, zwar nicht gut, aber immerhin so gut, daß heißt, so schlecht, daß es für Freiheitliche reicht, ihn auch heute noch … Aber mit einem Rosenkranz in der Hand, wird jeder Zeile zu einem Vers, einem Psalm, und wer eine Rosenkranz in der Hand hat … Vom Opferstock bis zur Rosenkranz: es kann nicht gesagt werden, es hätte in diesem nationalistischen Bund einen Fortschritt im Hinblick auf Bildung im allgemeinen und auf literarische Bildung im besonderen gegeben.

Aber es soll nicht ungerecht gegen Freiheitliche geschrieben werden. Es darf dabei ja nicht vergessen werden, daß es auch andere in diesem Land gibt, die keine Freiheitlichen sind, und dennoch für die Beibehaltung der nach Opferstock benannten Straßen und Plätze und Gassen sich einsetzen.

Es werden „Die letzten Tage der Menschheit“ morgen zum letzten Mal im Volkstheater gespielt. Und das ist schad‘. Nicht nur deshalb, weil viele, viel zu viele, nicht mehr sehen werden können, was für eine Partei, auch wegen der Treue zum Opferstock, sie wählen, wenn sie die FPÖ wählen, und nach der Aufführung vielleicht, wenigstens für einen Moment, sich denken, die letzte Wahl war wirklich die letzte Wahl, also die EU-Wahl im Mai 2014 war wirklich die letzte Wahl, dieser Partei eine Stimme gegeben zu haben.

PS Und noch aus einem anderen Grund ist es schad‘, daß es morgen die letzte Aufführung gibt. Mit Karl Kraus fällt viel ein, was über Medien zu sagen ist, und das, was mit Karl Kraus zu Medien gesagt werden kann, ist alles, nur eines nicht: schmeichelhaft für die Medien von heute. Auch einhundert Jahre später reicht als vernichtendes Urteil über die heutigen Medien, was Karl Kraus vor … Karl Kraus als Ansporn, um Herrn Keuner zu aktualisieren, der vor Jahrzehnten sagte: „Ich will andere Zeitungen.“ Und heute würde er vielleicht sagen: „Ich mache eine andere Zeitung.“ Tatsächlich aber muß heute gesagt werden: „Wir wollen andere Medien machen.“

Es ist noch gar nicht so lange her, daß über eine, die heute schreibt, geschrieben wurde, eine Schalek wird sie nicht mehr werden …

Und weil in der Glosse, wie in der ersten Collage zu lesen ist, aus der „Fackel“ die Neue Freie Presse erwähnt wird, nun ja, richtiger, nun nein: „Die Presse“

PPS In der zweiten Collage kann gelesen werden, wie die gesinnungsgemäß zensierte Website der Freiheitlichen sich nicht nur für Ottokar Kernstock, sondern auch für Conrad von Hötzendorf … Beim Einsatz für Hötzendorf sind die Freiheitlichen ebenfalls nicht allein … Aber so gesinnungsgemäß beseelt vom Gedanken des Opfern, Menschen die Pflicht aufzuerlegen, Opfer am Stock zu werden, ist wohl keine andere gewählte Organisation in diesem Land, wie es sich aktuell wieder einmal offenbarte, beim Sturmlauf der identitären Gemein-Schaft gegen das Denkmal für Verfolgte der NS-Militärjustiz

PPS Die zweite Collage eignet sich auch recht dafür, wieder einmal darauf hinzuweisen, was für ein Schattendasein die identitäre Gemein-Schaft Daten und Fakten zuweist … Die Sache mit der Tafel für Josef Stalin stellt sich doch anders dar, wie ebenfalls nachgelesen werden kann.