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Es ist nicht despektierlich gemeint: drodzen … Aber Sie werden das kennen, das Mündliche der Sprache der Gegend, in die Sie hineingeworfen wurden, lange lebten oder immer noch leben, schleicht unvermeidlich in das Schriftliche, und wenn es bemerkt ist, ist es zu spät, wie eben das aus dieser Gegend, in der das T seltsamerweise als D gesprochen wird, denn so weich sind die Menschen dort gar nicht, es sind durchaus hart verhandelnde Geschäftsleute. Freilich, das könnte im Nachhinein stets korrigiert werden, und das wird es auch. Es soll diesmal aber belassen werden, um zu zeigen, wie mühsam das Schriftliche ist, wie das Schriftliche die ganze Aufmerksamkeit und die höchste Achtsamkeit fordert. Jetzt wird es, vor Augen das Drodzen, leichter werden, wird gehofft, gelingen, das Einschleichen des unseligen Ds aus der Geburtsgegend sofort zu verhindern, ohne also nachträglich korrigieren zu müssen.
Thomas Drozda will, war heute am Radio zu hören, im österreichischen um sieben …, Strafen will er gegen „Hasspostings“. Er ist, wer ihn nicht kennt, Minister in Österreich, für Medien und, wie gelesen wurde, auch Kunst und Kultur … jedenfalls ein Minister mit einer langer Bezeichnung, die nicht erinnerlich bleiben will, vielleicht Medienamts- oder Kunstamts- oder vielleicht doch kürzer: nur Amtsminister …
Es geht halt um das Strafen. Es gibt viele Bedenken dagegen, viele sehen es äußerst kritisch, und sie führen dagegen vor allem und ausschließlich das Argument der Gefährdung der „Meinungsfreiheit“ an. Es ist nicht despektierlich gemeint, wenn auf das nicht eingegangen wird, was heute in der Frühe der Amtsminister dazu sagte. Jedoch, was von diesem Strafreflex zu halten ist, wurde bereits dargelegt:
Österreich 2017: Strafen, Kerker, Verbote
So sind nur noch ein paar Sätze hinzufügen.
Der Amtsminister sprach von „Facebook“ und von „Twitter“. Wären das Unternehmen, die der identitären Parlamentspartei gehörten, er spräche sie wohl so wenig direkt und deutlich an wie die identitäre Wirtin Unzensurierta.
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Es wird von so vielen Dissonanzen zwischen den Regierungsparteien gehört und gelesen, aber was die Copysite der identitären Parlamentspartei betrifft, ist es, als schwiegen Amtsminister und Justizminister mit einer Zunge.
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„Social Media“ soll nicht mehr ausgeschrieben werden, nur noch abgekürzt: „SM“. SM ist aber keine Übersetzung für „soziale Medien“, das wäre eine gänzlich falsche, wie ebenfalls schon ausgeführt.
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Statt mit dem Ausdenken von Strafen die Zeit ungenützt verstreichen zu lassen, ist dringend darüber nachzudenken, vor allem von Regierungsverantwortlichen, weshalb so viele Menschen derart blutrünstige Phantasien schreiben und verbreiten und liken. Aus Furcht vor Strafen könnte es weniger werden, das Gedachte ungeschrieben werden, aber es bleibt, in den Köpfen und mehr noch in den Händen, mit denen die Kreuze in den Wahlzellen geschlagen werden.
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Im Morgeninterview wurde als blutrünstiges Beispiel eines gegen Juden gebracht. Kein blutrünstiges aber gegen Roma und Sinti. Auf die Opfer, die einst ebenso wie die Juden Opfer waren, aber es heute weiter sind, wird eben vergessen. Wenn allein an das gedacht wird, was bei der identitären Wirtin Unzensurierta zu hören ist, wer wohin gehört und wie zu krepieren hat, wird der Gegenwart in diesem Land kein positives Zeugnis der Zivilisation ausstellen können. Ganz im Gegenteil. Günther Anders müßte heutzutage seinen Titel „Wir Eichmannsöhne“ umschreiben, auf „Wir SM-Eichmanns“. Und auch „Bruder Hitler“ ist ein überholter Titel, zu dem ein Thomas Mann noch greifen konnte. Eines werden die Menschen aber, und das kann nicht als Vorteil vom Internet angeführt werden, nicht mehr tun können: sich herausreden zu können, sie hätten nichts gewußt, sie werden die über Jahrzehnte von sich gewiesene „Kollektivschuld“ nicht von sich weisen können, wenn einst all die heute beschriebene Blutrünstigkeit, an der so viele mitschreiben, die so viele verbreiten, die so vielen gefällt, wieder grausamste Tat fußend auf gleich welcher Weltanschauung wird. Erst mit dem Internet kann der Begriff „Schreibtischtäter“ in seiner grausamen Dimension erfaßt werden, und auch die Dynamik des vergangenen und des kommenden Barbarischen. Und für das kommende Barbarische wird es so viele SM-Eichmanns – Männer und Frauen – geben wie noch nie, ganz gleich im Namen welcher Ideologie.
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Sind heute nicht so viele in dem von Thomas Mann beschriebenen „Bruder“ zu erkennen, mit dieser Verfaßtheit, ohne die Weltanschauung von Adolf Hitler zu teilen, ja überhaupt die Gegenwart:
„Der Bursche ist eine Katastrophe; das ist kein Grund, ihn als Charakter und Schicksal nicht interessant zu finden. Wie die Umstände es fügen, daß das unergründliche Ressentiment, die tief schwärende Rachsucht des Untauglichen, Unmöglichen, zehnfach Gescheiterten, des extrem faulen, zu keiner Arbeit fähigen Dauer-Asylisten und abgewiesenen Viertelskünstlers, des ganz und gar Schlechtweggekommenen sich mit den (viel weniger berechtigten) Minderwertigkeitsgefühlen eines geschlagenen Volkes verbindet, welches mit seiner Niederlage das Rechte nicht anzufangen weiß und nur auf die Wiederherstellung seiner ‚Ehre‘ sinnt; wie er, der nichts gelernt hat, aus vagem und störrischem Hochmut nie etwas hat lernen wollen, der auch rein technisch und physisch nichts kann, was Männer können, kein Pferd reiten, kein Automobil oder Flugzeug lenken, nicht einmal ein Kind zeugen, das eine ausbildet, was not tut, um jene Verbindung herzustellen: eine unsäglich inferiore, aber massenwirksame Beredsamkeit, dies platt hysterisch und komödiantisch geartete Werkzeug, womit er in der Wunde des Volkes wühlt, es durch die Verkündigung seiner beleidigten Größe rührt, es mit Verheißungen betäubt und aus dem nationalen Gemütsleiden das Vehikel seiner Größe, seines Aufstiegs zu traumhaften Höhen, zu unumschränkter Macht, zu ungeheueren Genugtuungen und Über-Genugtuungen macht, – zu solcher Glorie und schrecklichen Heiligkeit, daß jeder, der sich früher einmal an dem Geringen, dem Unscheinbaren, dem Unerkannten versündigt, ein Kind des Todes, und zwar eines möglichst scheußlichen, erniedrigenden Todes, ein Kind der Hölle ist … Wie er aus dem nationalen Maß ins europäische wächst, dieselben Fiktionen, hysterischen Lügen und lähmenden Seelengriffe, die ihm zur internen Größe verhalfen, im weiteren Rahmen zu üben lernt; wie er im Ausbeuten der Mattigkeiten und kritischen Ängste des Erdteils, im Erpressen seiner Kriegsfurcht sich als Meister erweist, über die Köpfe der Regierungen hinweg die Völker zu agacieren und große Teile davon zu gewinnen, zu sich hinüberzuziehen weiß; wie das Glück sich ihm fügt, Mauern lautlos vor ihm niedersinken und der trübselige Nichtsnutz von einst, weil er – aus Vaterlandsliebe, soviel er weiß – die Politik erlernte, nun im Begriffe scheint, sich Europa, Gott weiß es, vielleicht die Welt zu unterwerfen: das alles ist durchaus einmalig, dem Maßstabe nach neu und eindrucksvoll; man kann unmöglich umhin, der Erscheinung eine gewisse angewiderte Bewunderung entgegenzubringen.“
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„Hitler als Vorläufer“ ist ein Titel von Carl Amery. „Internet als Vorläufer“ wäre ein zu schreibendes Buch, wenn an alle im Internet verbreiteten Heilsversprechen und Blutrünstigkeiten gedacht wird. Amery stellt ein Hamlet-Zitat voran. „Come on: you hear this fellow in the cellarage.“ Ein gültiges Wort, wo solche zu hören sind: im Keller sind die Eingekellerten … mit einer winzigen Abänderung: in the internet.
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Aber Thomas Drozda will Facebook und Twitter trotzen, während …
Thomas Drozda und He.-Chr. Strache sind sich, was „Facebook & Co.“ betrifft, einig
Österreich heute: Krone der Kultur
„Plan A für Kunst und Kultur, wenn ein nächster Termin dazu ansteht.“
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